Wirtschaft tobt, Verkehrskollaps droht

Die wichtigsten Fragen und Antworten zu den Ludwigshafener Hochstraßen

Hochstraße Süd wird nun doch nicht vor der Nordtrasse saniert - Verbandschef: "Schwarzer Tag" für die Unternehmen - Schnelle Lösung gefordert

30.01.2019 UPDATE: 31.01.2019 06:00 Uhr 3 Minuten, 11 Sekunden

Die Hochstraße Nord ist der Hauptzubringer zur Kurt-Schumacher-Brücke, die über den Rhein zwischen Ludwigshafen und Mannheim führt. Abriss und Neubau der Trasse soll nun der Sanierung der Südbrücke vorgezogen werden. Foto: Kay Sommer

Von Wolfgang Jung, Gerhard Bühler und Alexander Albrecht

Ludwigshafen. Eine Kehrtwende, verunsicherte Pendler, verärgerte Unternehmer: Die neuen Pläne zur Sanierung der Ludwigshafener Hochstraßen stoßen auf breite Kritik. Die RNZ beantwortet die wichtigsten Fragen.

Was sind die Hochstraßen Süd und Nord? Und wie verlaufen sie? Beide Trassen sind in Trägerschaft der Stadt Ludwigshafen und eine wichtige Verkehrsachse vor allem für Pendler und Unternehmen. Und sie sind marode. Die Hochstraße Nord (Bundesstraße B44) verbindet die Vorderpfalz mit der BASF und Nordbaden. Sie ist der Hauptzubringer zur Kurt-Schumacher-Brücke, die über den Rhein zwischen Ludwigshafen und Mannheim führt. Als zentrale Verbindung zu den Autobahnen A61 und A6 rollen täglich rund 45.000 Fahrzeuge über die knapp zwei Kilometer lange Brückenkonstruktion. Ein Teil der sanierungsbedürftigen "Nord" ist seit 2010 für Laster gesperrt. Über die Hochstraße Süd verkehren täglich sogar 59.000 Fahrzeuge. Die Trasse verbindet die beiden Rheinseiten über die Konrad-Adenauer-Brücke.

Wie sahen die Planungen aus? 2014 hat der Ludwigshafener Stadtrat beschlossen, die Hochstraße Nord durch eine ebenerdige, 860 Meter lange Stadtstraße zu ersetzen. Die Bauzeit soll acht Jahre betragen. Nach Angaben der Stadt beginnen 2021 die vorbereitenden Maßnahmen. In dieser Zeit kann der Verkehr noch weitgehend ungehindert rollen. 2023 steht der Abriss an. Die Planer rechnen dann mit enormen, fünfeinhalb Jahre dauernden Verkehrsbehinderungen. Das Megaprojekt ist megateuer. Die Kosten belaufen sich - Stand heute - auf 529 Millionen Euro. Wobei der Bund und das Land Rheinland-Pfalz "nur" 60 beziehungsweise 25 Prozent der als förderfähig eingestuften Ausgaben, das sind knapp 260 Millionen Euro, übernehmen. Der Rest bleibt am Stadtsäckel der mit 1,3 Milliarden Euro verschuldeten Chemiemetropole hängen.

Während Abriss und Neubau der Nordtrasse sollte die Südbrücke als Ausweichroute dienen. Doch auch diese ist ein Sanierungsfall. Die Achslasten der heutigen Fahrzeuge, insbesondere des Schwerlastverkehrs, sind deutlich höher als zum Zeitpunkt des Baus Ende der 50er-Jahre. Darüber hinaus stellten Gutachter im April 2018 fest, dass die Schäden auf einem 500 Meter langen Abschnitt weitaus größer sind als ursprünglich angenommen. Um die Tragkraft der Brücke zu erhöhen, schlugen die beauftragten Planer ein sogenanntes Galeriebauwerk vor, eine Stützbrücke mit massiver Mauer, und kalkulierten die Kosten dafür auf circa 25 Million Euro. So sollte der Verkehr auf der Hochststraße weitgehend ungestört weiterfließen können und das Bauprojekt noch vor dem Abriss der Nordachse abgeschlossen sein. Die Mauer war von Anfang an umstritten, hätte sie doch das Zentrum von der Innenstadt Süd getrennt. Kritiker sprachen von einem "Monstrum". Baudezernent Klaus Dillinger (CDU) hielt die Mauer hingegen für "alternativlos".

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Warum kommt es jetzt anders? Zunächst war kürzlich die CDU, die mit der SPD im Stadtrat eine "Große Koalition" bildet, von den Plänen abgerückt. Damit war die Mehrheit futsch für das von den anderen Fraktionen stark kritisierte Galeriebauwerk. Am Montag bezifferten nun die Planer die Kosten auf 129 Millionen Euro - also fünfmal so viel wie vor einem Jahr angenommen. Jetzt nahm auch Dillinger Abstand von dem Vorhaben, das städtebaulich und verkehrstechnisch keine Lösung sei. "Diese Unterbauung würde länger dauern als gedacht. Sie wäre technisch aufwendiger. Und wir müssten an sehr vielen Wochenenden die Fahrbahn sperren", sagte er.

Was nun? Die Sanierung der Hochstraße Nord wird vorgezogen - also eine klassische Rolle rückwärts. Der Grund: Jedes Jahr der Verzögerung beim Nordprojekt würde die Stadt laut Dillinger weitere 15 Millionen Euro kosten. Erst kurz nach dem Abschluss dieser Arbeiten, aus Sicht des Baudezernenten möglicherweise 2027, wird dann wohl mit der Sanierung der Hochstraße Süd begonnen. Damit aber droht der Metropolregion ein noch größeres Verkehrschaos. Die Zeit drängt: Es muss recht schnell eine andere Lösung zur Sanierung der Hochstraße Süd untersucht und auch gefunden werden.

Wie reagieren die Unternehmen? Von einem "schwarzen Tag" für die regionale Wirtschaft spricht Markus Böll, Präsident der Bauwirtschaft Baden-Württemberg. Der Schriesheimer Bauunternehmer wirft der Politik "unverantwortliches Verkehrsmanagement" gegenüber den Firmen vor. Werde die Süd- nicht wie geplant vor der Nordtrasse saniert, sei über mehrere Jahre hinweg kein Zuliefererverkehr von der A 650 und der A 61 über die Hochstraßen nach Mannheim möglich. "Wie sollen dann unsere Baustellen beliefert werden?", fragt sich der Verbandschef. Und ärgert sich darüber, dass es die Politik versäumt habe, eine dritte Rheinquerung bei Altrip zu planen und zu bauen, die von den Betrieben gefordert worden war.

Wie Böll drängt auch Vize-Hauptgeschäftsführer Jürgen Vogel von der IHK Pfalz auf eine "schnelle und verlässliche Lösung". Es sei fraglich, ob die Hochstraße Süd über einen Zeitraum von rund zehn Jahren ohne grundlegende Sanierung zuverlässig genutzt werden könne. "Gerade für den Güterverkehr drohen schon bald Fahrverbote auf beiden Trassen - und leistungsfähige Alternativen sind nicht ersichtlich."

Ort des Geschehens

In Sorge ist zudem der Mannheimer Einzelhandel, der fürchtet, dass die Geschäfte in der Quadratestadt von den Kunden aus der Pfalz nicht mehr erreicht werden könnten. Den Anfahrtsstress will die BASF durch mehr "mobiles Arbeiten" und den öffentlichen Nahverkehr abfedern. So fährt seit 2018 die S-Bahn direkt auf das Gelände des Chemiekonzerns.

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