...und dann fliegt die Fichte
Zwölfte Weltmeisterschaft – Eine Riesengaudi, bei der trotzdem keiner verlieren will

Auch der Hochwurf zählt zu den drei WM-Disziplinen. Foto: Dietze
Von Melanie Pieske
Weidenthal. Mit Wucht dreht sich Andreas Steinle dreimal um die eigene Achse, dann fliegt die Fichte an einer Paketschnur wie beim Hammerwurf über seine rechte Schulter und kracht auf den Hartplatz. "5,16 Meter", ruft der Wettkampfrichter. "Mann, ist mir jetzt schwindelig", sagt der 51-Jährige und lacht. Er ist extra aus Waghäusel-Kirrlach ins pfälzische Weidenthal gefahren - an den westlichen Rand der Metropolregion. Dort messen sich zum zwölften Mal zahlreiche Männer und Frauen mitten im Pfälzerwald bei der Weltmeisterschaft im Weihnachtsbaumwerfen.
Hunderte Zuschauer, eingepackt in dicke Daunenjacken und Wollmützen, verfolgen den Dreikampf am Rande des Sportplatzes. Die Teilnehmer müssen eine etwa 1,50 Meter große Fichte wie einen Speer werfen, wie einen Hammer schleudern und über eine Hochsprunglatte jagen. Die Höhe bestimmen sie selbst. Die Einzelwerte werden addiert; wer auf den größten Gesamtwert kommt, gewinnt.
Die Idee zu diesem ungewöhnlichen Wettstreit hatten die alten Herren des Fußballclubs F.C. "Wacker". Ein Stoffelch klebt auf dem Schlapphut von Organisator Herbert Laubscher: "Natürlich sind die Fichten keine echten Weihnachtsbäume". Die Nadelgewächse seien am Samstag im gemeindeeigenen Wald gefällt worden, so der 65-Jährige. "Ich mache das jetzt schon länger, und noch immer ist das eine Riesengaudi", sagt Laubscher. Ähnlich sieht das auch der Weltrekordhalter, Frank Schwender, aus Frankeneck. "Klar will man nicht verlieren, aber ich nehme das alles locker", sagt der 53-Jährige mit dem breiten Rücken. Der Verkaufsleiter ist hart im Nehmen, er tritt sogar mit einem Muskelfaserriss an. "Das wird aber keine Ausrede sein", schiebt er hinterher - und trägt später mit einem Gesamtwert von 22,47 Metern den Sieg davon. Er ist jetzt "Fünffachweltmeister".
Sein Konkurrent, Titelverteidiger und Lokalmatador Christopher Milloth (27), schlürft einen halben Liter Kakao vor dem Wettkampf. Zudem gibt es Probewürfe für alle. Schließlich lässt sich sonst unter dem Jahr nicht für die WM trainieren: "Ich kann ja schlecht den Weihnachtsbaum im Wohnzimmer rumschmeißen", grinst Milloth. Probleme mit dem fehlenden Training hat auch Brigitte Enzenauer (54), die nicht nur ihren Freund, Andreas Steinle, unterstützt, sondern erstmals selbst antritt. "Ich hatte schon ein bisschen Herzklopfen", verrät sie.
Im Weitwurf pfeffert sie die Fichte im zweiten Versuch auf stolze 3,55 Meter. "Die Jacke habe ich schon ausgezogen, so warm ist mir", sagt die medizinische Fachangestellte. Dabei weht ein eiskalter Wind, der vielen Wettkämpfern Probleme macht. Der Baum scheint noch schwerer in der Luft zu liegen. Siegerin bei den Frauen wird schließlich Sandra Schreiner (43) aus Maximiliansau mit 14,38 Metern.
Viele Zuschauer wärmen sich inzwischen an ihren Glühweinkrügen. "Ein halber Liter, so was habe ich noch nie erlebt", sagt Oliver Denk aus Mannheim. Mit seiner Frau ist er zum ersten Mal zur WM in die Pfalz gefahren. "Wir sind total begeistert", schwärmt der 50-Jährige.



