Veranstalter sieht DJs als die neuen Rockstars
Das Techno-Festival findet erstmals seit 2019 in voller Größe statt - mit Namen, die das Genre seit Jahren prägen.



Veranstalter der Time Warp
Von Marco Partner
Mannheim. Sven Väth, Laurent Garnier, Monika Kruse – das Line-Up der Time Warp glänzt mit Namen, die ein Musikgenre seit Jahrzehnten so prägen wie das Techno-Festival selbst. Nach drei Jahren Pandemie mit Absagen und kleineren Ausgaben kann der Rave am 1. April endlich wieder in voller Größe stattfinden. Fast seit der ersten Stunde ist Robin Ebinger einer der Macher. Im Interview spricht er über Beständigkeit und Wandel der Techno-Szene und zeigt auf, wie viel Liebe zum Detail bei der Time Warp auch abseits der Beats und Bässe steckt.
Herr Ebinger, mögen Sie eigentlich den Begriff "Techno"?
Ich mag den Begriff sogar sehr, ich störe mich nur daran, dass er immer noch hier und da negativ konnotiert ist. Er reflektiert nicht die Vielfalt dieser Musik. Für viele, die House oder Techno nicht regelmäßig hören, ist es nur Bumbum. Aber ich finde, es kann virtuoser als Mozart sein und vielfältiger als Jazz.
1994 nahm die Time Warp in der Walzmühle in Ludwigshafen ihren Anfang, Sie sind schon seit 1995 als Veranstalter dabei. Was unterscheidet die Techno-Bewegung der 1990er-Jahre von den heutigen Raves?
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Damals war Techno etwas noch nie Gehörtes. Ende der 1980er- und Anfang der 1990er-Jahre war es eine musikalische Revolution – und aus meiner Sicht auch die letzte wirklich neuartige Musik und weltweite Jugendkulturbewegung. Techno ist inzwischen erwachsen und weltweit ein Big-Business geworden. Der Geist aber ist geblieben: die Musik. Sie ist die Mathematik der Gefühle, kann Empfindungen hochpeitschen und ist zudem ein starkes demokratisches Element. Auf der Tanzfläche sind alle gleich.
Gleich geblieben sind auch manche Namen im Line-Up: Laurent Garnier war schon zur Geburtsstunde dabei, auch Sven Väth zählt zum Stammpersonal. Gehen solche Bookings inzwischen schnell über die Bühne?
Wir pflegen zwar mit vielen Künstlern eine echte Freundschaft, trotzdem ist das Buchen fast zu einer Wissenschaft geworden. Inzwischen haben Artists das ganze Jahr über Saison. Sind es im Sommer die europäischen Festivals, so spielen sie in den Wintermonaten nicht nur in den Clubs, sondern auf den Open-Air-Festivals in Südamerika oder Australien. Die DJs sind die neuen Rockstars, das zeigt sich nicht nur in den Gagen.
Die Time Warp wird nächstes Jahr 30, ist also älter als viele ihrer heutigen Besucher. Was macht nach drei Dekaden ihren Reiz aus?
Wir haben behutsam auf Entwicklung und Beständigkeit gesetzt. Viele Festivals kamen und gingen, wir aber sind seit 2008 durchgehend ausverkauft. Eine solche Headline-Dichte mit 19 Stunden Musik auf sechs Floors findet man selten. Ein Alleinstellungsmerkmal sind unsere Floor-Designs, die unser technischer Direktor Anatol Fried gemeinsam mit Kreativen aus der ganzen Welt mit viel Fleiß, Schweiß und Ideen entwickelt.
Wie sieht das konkret aus?
Wir bieten unseren Besuchern nicht nur eine Bühnen- und Lichtshow, sondern inszenieren den gesamten Raum. Mit Stoffen und Materialien, Texturen und Installationen, Licht und Video, fast wie bei einem Filmset. Wir schaffen damit eine Dramaturgie für die Nacht, ein Wechselspiel aus Design und Technologie. Dadurch bekommt das Großevent etwas Individuelles, Intimes und Clubbiges. Meist sind die Designs individuell gestaltete Prototypen, fernab der Stange. Für dieses Jahr wird ein Floor-Design wie riesige pflanzliche Zellen anmuten, die über dem Dancefloor in unterschiedlicher Höhe angebracht werden.
Seit dem Jahr 2000 ist die Time Warp auf dem Maimarktgelände zuhause. Wie wichtig ist die Symbiose mit dem Maimarkt?
Sehr wichtig. So haben wir Beständigkeit und können uns auf Innovationen konzentrieren. Wir nutzen immer einen Teil der bereits aufgebauten Zelte der nach uns anstehenden Maimarkt-Messe. 20.000 Gäste wollen ja nicht nur feiern, sie haben Hunger, Durst und wollen ihre Jacke abgeben. Diesmal ist eine Neuerung dabei: ein Zirkuszelt, das als Floor dienen wird. Ich freue mich selbst schon sehr darauf, es hat bestimmt einen sehr speziellen Vibe.
In der Berichterstattung wird die Time Warp häufig mit Drogen in Verbindung gebracht. Stört Sie das?
Mich stört, dass die Vielfalt und Arbeit, die hinter dieser Festivalmarke steht, dadurch übersehen wird. Die kulturelle Strahlkraft der Time Warp kommt zu kurz. Ja, Menschen konsumieren Drogen. Auf der Time Warp wie bei anderen Festivals. Auch die Metaller und andere Szenen sind nicht unschuldig. Und auch bei Volksfesten feiert man ordentlich, wie man so hört. Rausch ist kein Phänomen der Time Warp, sondern ein gesellschaftliches Thema seit Urzeiten.
"Techno ist tot." Diesen Satz haben Sie vermutlich schon oft gehört. Nun ist die 29. Time Warp schon im Vorfeld nahezu ausverkauft. Widerlegt das die These? Ist nach fast drei Jahren Pandemie ein Aufblühen in der Szene spürbar?
Das Gefühl hatte ich schon letztes Jahr. Alle unsere Veranstaltungen waren ausverkauft. Die große Time Warp aber ist natürlich das Mothership, nach drei Absagen sind die Leute heiß darauf. Techno ist ohnehin nicht tot. Es durchdringt unseren Alltag, steckt in Filmmusik, in Werbejingles und ist längst mit vielen Musikstilen verschmolzen.