Wenn der Postmann nicht mehr klingelt
Bei einer Umbenennung können Probleme für Anwohner entstehen. Kommt es am 8. Februar zu einer Entscheidung?

Von Olivia Kaiser
Mannheim. Gut lesbare Straßenschilder sind ungemein hilfreich, wenn man eine bestimmte Adresse sucht. Der Austausch der Straßenschilder dürfte der leichteste Akt des Prozederes sein, dass vier Straßen in Rheinau-Süd droht. Dort sind drei Straßen nach den Kolonialverbrechern Theodor Leutwein, Adolf Lüderitz und Gustav Nachtigal benannt, eine vierte nach dem Antisemiten und Hitler-Verehrer Sven Hedin. Deshalb sollen die Straßen umbenannt werden. Einige Anwohner sind jedoch skeptisch. Ihnen ist zwar bewusst, was die Namenspaten auf dem Kerbholz haben, sie fürchten jedoch Nachteile im Alltagsleben. Denn auch wenn die analogen Straßenschilder ausgetauscht sind, kommt die Namensänderung in der digitalen Welt längst nicht überall an. Und das kann überaus lästig sein.
Logistik aller Art könne für die Anwohner auf Jahre hinaus zum gewaltigen Problem werden, gibt Anwohner Mark Ritz zu bedenken. "Dies betrifft Rettungs- und Lieferdienste, Post, Taxis, private Besuche oder Anschlüsse von Versorgern des Energie- und Telefonnetzwerks", so Ritz. Dass seine Sorgen nicht unberechtigt sind, bestätigt eine ehemalige Anwohnerin der Wilhelm-Peters-Straße in Rheinau-Süd, die bis vor zehn Jahren noch Karl-Peters-Straße hieß. Auch hier wurde die Straße umbenannt, weil Karl Peters sich in der Kolonialzeit Verbrechen schuldig gemacht hat.
"Mein Mann musste geschäftlich viel reisen. Oft konnten Taxifahrer, die ihn zum Flughafen bringen sollten, die Adresse nicht finden", erzählt die Frau, die von 2017 bis 2020 in der Wilhelm-Peters-Straße wohnte. Die Navigationsgeräte hätten die Straße nicht gefunden. "Gerade bei Taxifahrern ist die Ausrüstung auf dem neusten Stand. Das Problem liegt also nicht an veralteter Software", befindet sie. "Freunde, die uns besuchen wollten, hatten dasselbe Problem." Auf RNZ-Nachfrage bestätigt Sebastian Wolfrum, stellvertretender Pressesprecher der Stadt Freiburg, dass solche Schwierigkeiten auftreten können. Die Kommune hat bereits mehrere Straßen umbenannt. So sei in einigen Fällen die Post nicht zugestellt worden. "Probleme bei Einsätzen von Rettungsdiensten sind uns allerdings nie bekannt geworden", so Wolfrum.
Mark Ritz beklagt zudem, dass Anwohner oft belächelt oder gar in die rechte Ecke gestellt würden, wenn sie ihre Sorgen artikulierten. Für ihn werden die Anwohner wegen ihrer Adresse zu "Sündenböcken der kolonialen Vergangenheit" gemacht und müssten für die von der Stadt angestrebte "politische Korrektheit" die Zeche zahlen.
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Die Unannehmlichkeiten, die auf die Anwohner zukommen können, sind in der Mannheimer Verwaltung ebenfalls bekannt. Dort sieht man sich aber aufgrund eines festgelegten Prozederes gewappnet: "Eine Umbenennung ist ein zwar seltener, aber grundsätzlich gewohnter Vorgang für etablierte Dienstleister beziehungsweise Verwaltungen", erklärt ein Stadtsprecher.
Daher seien gerade die für Notrufe zuständigen Leitstellen, unabhängig ob der neue oder alte Straßenname genutzt werde, in der Lage, den Rettungsdienst zuverlässig zur richtigen Adresse zu führen. "Faktisch kann daher ausgeschlossen werden, dass der Rettungsdienst eine Adresse wegen eines geänderten Straßennamens nicht findet." Aus dem gleichen Grund rechne man auch nicht mit außergewöhnlichen Problemen bei der Postzustellung. Damit sich Dienstleister und Verwaltungen vorbereiten können, informiere man aktiv Firmen und Behörden. Unternehmen, die auf aktuelle Adressdaten angewiesen sind – zum Beispiel Anbieter von Kartendiensten oder Versandfirmen – könnten über die Vermessungsverwaltungen der Länder aktuelle Adressen zu beziehen.
Sollte es zu einer Änderung der Straßennamen kommen, erhalten Anwohner ein Schreiben der Verwaltung mit allen nötigen Informationen, versichert der Stadtsprecher. Fragen die sich darüber hinaus ergeben, würden beantwortet. "Natürlich können wir, insbesondere bei privatwirtschaftlich organisierten Institutionen, nicht interne Prozesse Dritter bestimmen", gibt er jedoch zu bedenken. Ein Stück Eigenverantwortung bleibe.
Zurück zu der Beschilderung: Damit eine Adresse auch mit veralteten Straßennamen in der Realität auffindbar ist, werden die alten Straßenschilder gut leserlich rot durchgestrichen und bleiben zusammen mit den neuen Schildern mindestens ein Jahr hängen.