Schwetzingen

Alessandro Bellardita ist Richter und Autor

Auf den Spuren eines erfundenen Verbrechens: Bellardita lehrt an der Hochschule für Rechtspflege und hat nun seinen ersten Roman veröffentlicht.

15.10.2021 UPDATE: 17.10.2021 06:15 Uhr 2 Minuten, 55 Sekunden
Alessandro Bellardita hat früher als Staatsanwalt und Richter gearbeitet. In seinem Kriminalroman „Der Zeugenmacher“ geht es um falsche Beschuldigungen. Foto: Lenhardt

Von Marion Gottlob

Schwetzingen/Karlsruhe. Alessandro Bellardita ist überzeugt: "Wir tragen alle Masken." Und das nicht nur wegen der Corona-Pandemie. Der Jurist und Dozent an der Hochschule für Rechtspflege in Schwetzingen betrachtet das Leben wie ein Theaterspiel: "Wir spielen mehrere Rollen", sagt er. "Sei es im Beruf oder im Privatleben. Und für jede Rolle haben wir eine passende Maske." Auf dieser Idee basiert auch sein erster Krimi mit dem Titel "Der Zeugenmacher". Der Roman ist so spannend, dass man immer weiterlesen möchte. Bellardita hat schon Termine für Lesungen in Essen, Düsseldorf, Freiburg, Karlsruhe, Köln, München – und Heidelberg.

Die Hauptfigur des Romans ist Francesco De Benedetti. De Benedetti hat eine sizilianische Mutter, ist Staatsanwalt und trinkt gerne Espresso. An einem ganz normalen Arbeitstag erhält der Heidelberger Jurist die Mitteilung, dass eine völlig aufgelöste Frau in der Bibliothek auf ihn wartet. "Nach einer streikenden Espressomaschine konnte nur eine aufgelöste Frau meine Stimmung vollends ruinieren", heißt es in dem Roman, der in der Ich-Form geschrieben ist. Der Staatsanwalt trifft auf die 26-jährige Jessika Morelli, ihm ein Geheimnis anvertraut. "Ich bin hier, weil ich etwas Schreckliches und Unverzeihliches getan habe", sagt die junge Frau. "Ich habe vor zwei Jahren einen Lehrer der Vergewaltigung bezichtigt. Er hat aber nichts getan, ich habe alles erfunden."

Das Geständnis der Frau bringt den Staatsanwalt auf Touren und eine Lawine an Ermittlungen in Gang. Die Untersuchungen führt hier kein Kommissar, sondern Staatsanwalt De Benedetti. "Bei Ermittlungen gilt der Grundsatz: Die Staatsanwaltschaft ist die Herrin des Verfahrens", erklärt Bellardita. Es ist normal, dass der Staatsanwalt die Ermittlungen leitet." Viele deutsche Krimiautoren hätten jedoch wenig Einblick in die Arbeit von Justiz und Polizei. "In der Folge kennen sie nur selten den realen Ablauf von Ermittlungen." Das ist bei Bellardita anders. Er kann aus einer Fülle von Erfahrungen schöpfen. Der Karlsruher Jurist ist in Sizilien geboren. Seine Eltern waren arm und suchten in Norditalien nach einem Auskommen, berichtet er.

Als sich der Vater jedoch weigerte, an einem Streik teilzunehmen, wurde er mit Gewalt bedroht. Die Familie verließ daraufhin Italien und ging nach Deutschland. Alessandro Bellardita war damals anderthalb Jahre alt. "Meine Muttersprache ist Sizilianisch", erzählt er. Erst auf der Europäischen Schule in Karlsruhe lernte er neben Deutsch als Fremdsprache auch Hochitalienisch und Englisch. Nach dem Abitur schrieb sich Bellardita für ein Psychologie-Studium in Mannheim ein und wechselte kurz vor dem Start zu Jura. Die ersten Semester waren eine Qual. "Ich habe so gut wie nichts verstanden", erinnert er sich. Doch bald merkte er, wie das Studium sein Denken veränderte und ihn immer mehr faszinierte. Nach dem zweiten Staatsexamen arbeitete Bellardita in Heidelberg – als Zivilrichter und als Staatsanwalt. Im Bereich Organisierte Kriminalität führte er als Staatsanwalt die Ermittlungen in einem umfangreichen Betrugsfall und konnte eine Kerngruppe von rund zehn Beteiligten des Versicherungsbetrugs überführen. "Es ging um Schäden in Millionenhöhe", berichtet Bellardita. Parallel dazu leitete er die Ermittlungen zu Wohnungseinbrüchen. Damals habe man in Heidelberg rund 80 ungeklärte Einbrüche pro Monat gezählt, nach einem Jahr sei diese Zahl auf zehn gesunken.

Auch interessant
Schwetzingen: Das gibt's beim Herbstprogramm der Festspiele
Schwetzingen: Neues Tourismus-Konzept soll Handel und Gastro stärken
Heidelberg/Schwetzingen: Die Oper startet mit einer Musical-Gala
Schwetzinger Schlossgarten: Konzerte, Concours und ein Lichtermeer

Auf die Idee zu dem Krimi kam der Jurist durch einen realen Fall, den er als Richter behandelte. Ein 14 Jahre altes Mädchen beschuldigte seinen Vater des sexuellen Missbrauchs. Die intensiven Befragungen deuteten darauf hin, dass die Jugendliche die Wahrheit sagte. Doch als das Mädchen den nackten Körper des Vaters nicht beschreiben konnte, wurde der Richter stutzig. Das kann passieren, wenn der Schock sehr stark ist. Bellardita sorgte zwar dafür, dass das Mädchen von der Familie getrennt wurde, ordnete aber keine Haftstrafe für den Vater an. Drei Wochen später ergab eine medizinische Untersuchung, dass das Mädchen noch keine sexuellen Kontakte gehabt haben konnte. Unter Tränen gestand die Jugendliche schließlich die Lüge.

Wie erkennen Richter und Staatsanwälte, ob ein Angeklagter oder Zeuge die Wahrheit sagt oder lügt? Und was ist überhaupt Wahrheit? In seinem Roman lässt Bellardita den Helden De Benedetti fast im Quadrat hüpfen, um diese Frage zu lösen. Während seiner Recherchen besuchte De Benedetti Cafés und Restaurants in Heidelberg. Als Leser möchte man am liebsten eine De-Benedetti-Café-Tour machen und mit Freunden oder Kollegen bei einem Espresso innehalten. Stattdessen liest man das Buch fast in einem Rutsch durch. Die gute Nachricht: Der zweite Roman ist schon fertig und wird im nächsten Jahr erscheinen.

Info: "Der Zeugenmacher" von Alessandro Bellardita ist beim Klotz Verlagshaus erschienen. Das Buch kostet 10 Euro. Am 12. November stellt der Autor sein Buch bei einer Lesung in Heidelberg vor. Sie beginnt um 19 Uhr am Italienzentrum der Uni Heidelberg (Romanisches Seminar, Seminarstraße 3). Die Organisation läuft über den Verein Volare. Der Eintritt ist frei.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.