Kahlschlag-Rodung Tausender Bäume ist weiterhin geplant
Spundwände sind nach wie vor nur bei Platzmangel vorgesehen. Die Rodung von Bäumen ist auf sieben Hektar geplant.

Von Olivia Kaiser
Mannheim. Schon seit sechs Jahren wird die Sanierung des Rheindamms vom Landesbetrieb Gewässer im Regierungspräsidium Karlsruhe (RP) geplant. Das marode Hochwasserschutzbauwerk – so die offizielle Bezeichnung – steht aufgrund seines schlechten Zustands ganz oben auf der Prioritätenliste. Seit Donnerstag ist die Planung des RP öffentlich. Der Damm soll auf einer Strecke von 3,6 Kilometern saniert werden, sodass er einem extremen Hochwasser standhält. Momentan soll das Projekt 2025 starten und ist auf fünf Jahre angelegt. Für die Planung wurde der Damm von Neckarau bis Lindenhof in sechs Abschnitte eingeteilt:
> Großkraftwerk: Die landseitige Böschung wird im ersten Abschnitt auf einer Länge von 350 Metern abgetragen, zwei bis drei Meter zur Wasserseite versetzt und aus verdichtetem Erdreich neu hergestellt, sodass nicht in die angrenzenden Grundstücke eingegriffen werden muss. Bäume auf dem wasserseitigen Hochufer werden innerhalb der baumfreien Zone entfernt.
> Sportanlagen: Der zweite Abschnitt ist 900 Meter lang, hat eine sehr steile Böschung und keinen Dammverteidigungsweg. Von der Landseite her reichen Sportanlagen bis direkt an den Damm. Aufgrund der beengten Platzverhältnisse ist laut RP eine "Sonderbauweise" vorgesehen. Das bedeutet, dass eine Spundwand eingesetzt wird. Es handelt sich allerdings nicht um eine selbsttragende Spundwand (Hochwasserschutzwand), sondern um ein "verstärkendes Element im Erdbauwerk". Der Dammverteidigungsweg kommt auf die Dammkrone. Eine baumfreie Zone von zehn Metern wasser- und landseits ist laut RP nötig. Auf deren äußeren sechs Metern an der Wasserseite sollen niedrige Gehölze gepflanzt werden. Die Bootsschuppen am Damm müssen weichen. Sie werden aber an anderer Stelle in Abstimmung mit Kanu-Sport-Club wieder aufgebaut.
> Dammbegradigung: Im dritten Abschnitt wird der Damm auf einer Länge von 600 Metern in Erdbauweise neu errichtet, wobei so weit wie möglich Material des alten Damms verwendet werden soll. Der Dammverteidigungsweg kommt auf die Landseite. Der Damm wird vom Rhein abgerückt, die Kurven werden begradigt. Auf der Wasserseite erfolgt kein Eingriff in den Baumbestand. Auf der Landseite muss jedoch Wald für die neue Dammtrasse gerodet werden.
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> Kleingärten: Abschnitt 4 ist in einen südlichen und nördlichen Bereich mit einer Länge von je 550 Metern unterteilt. Im Süden wird zum Erhalt des "Allee-Charakters" ein neuer, mit einer Spundwand verstärkter Damm neben dem alten gebaut und mit diesem verbunden. Der Dammverteidigungsweg wird auf der neuen Dammkrone angelegt. Wasserseitig erfolgt kein Eingriff in den Baumbestand. Im nördlichen Bereich hingegen ist ein Neubau in Erdbauweise vorgesehen. Die Dammtrasse ist dabei ein wenig in Richtung der Kleingärten abgerückt. Der Dammverteidigungsweg wird auf der Berme, also einem Absatz in der Böschung, geführt. Das Regierungspräsidium sieht auch in diesem Abschnitt eine baumfreie Zone von zehn Metern auf beiden Seiten des Damms vor und betont: "Bäume auf dem Damm können nicht erhalten werden." Ein Waldsaum aus niedrigen Gehölzen ist auf den äußeren sechs Metern der baumfreien Zone an der Wasserseite geplant. Die Kleingärten bleiben erhalten.
> Wohnbebauung: Im fünften (650 Meter) und sechsten Abschnitt (280 Meter) liegt die Wohnbebauung direkt am Damm, der bis zur Krone mit Bäumen bewachsen ist. Der sechste Abschnitt liegt im Zuständigkeitsbereich der Stadt, wird jedoch im Zuge der Gesamtmaßnahme mit ertüchtigt. Aufgrund beengter Platzverhältnisse sieht das RP hier ebenfalls die "Sonderbauweise", also die Variante mit Spundwand, vor. Auch hier ist eine baumfreie Zone von zehn Metern auf beiden Seiten geplant. Auf deren äußeren sechs Metern an der Wasserseite sollen niedrige Gehölze gepflanzt werden. Der Eingriff in die Privatgrundstücke beschränkt sich auf die Herstellung der baumfreien Zone.
Baumschützer hoffen auf Unterstützung der Bürger
Es hatte sich angedeutet: Die Planungsunterlagen des Regierungspräsidiums Karlsruhe (RP) zur Sanierung des Rheindamms weichen kaum von dem Sanierungskonzept ab, das das RP seit 2019 verfolgt. Eine durchgängige Hochwasserschutzwand ist demnach nicht vorgesehen, die Rodung Tausender großer und kleiner Bäume ist weiterhin geplant.
Die Bürgerinteressengruppe (BIG) Lindenhof hat ohnehin nicht mit einer Kehrtwende des RP gerechnet: "Wie vermutet, hält das Regierungspräsidium an seiner ursprünglichen Planung fest und möchte den Damm auf der ganzen Strecke abtragen und die Bäume roden, ohne sie anschließend zu ersetzen", erklärt Marc-Oliver Kuhse, vom Vorstand der BIG.
Man habe eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben und viele Beispiele aus allen Bundesländern zusammengetragen, die zeigten, dass eine Sanierung mit Baumerhalt machbar und zeitgemäß sei. "Bayern zum Beispiel saniert Bestandsdämme überwiegend mit selbsttragenden Spundwänden. Auch die grün-geführte Landesregierung in Baden-Württemberg solle umdenken und den Kahlschlag mit erheblichen Folgen für Mensch und Tier durch Umsetzung moderner und technisch erprobter Alternativen vermeiden. Damit könnte auch erheblichen Sicherheitsbedenken für die lange Zeit der Bauphase und danach begegnet werden", sagt er.
Laut Auffassung der BIG stehen die Pläne dem 2021 geschlossenen Koalitionsvertrag in Baden-Württemberg entgegen, in dem vereinbart worden sei, dass das Land wegen des drohenden massiven Waldsterbens führende Klimaschutzregion werden soll. "Die Naturschutzstrategie, zu der auch verstärkte Bemühungen zum Erhalt der FFH- und Vogelschutzgebiete zählen, soll konsequent fortgesetzt werden. In Bezug auf die geplante Rheindammsanierung scheinen diese Versprechen aber in Vergessenheit geraten zu sein", moniert Kuhse. Für die Eingriffe in den Baumbestand ist ein Ausgleich, also neue Baumpflanzungen, vorgeschrieben. Die Flächen liegen jedoch im Norden der Stadt bei Kirschgartshausen – also weit weg vom Waldpark. Für Olivier Kuhse macht das nur wenig Sinn.
Seit Donnerstag liegen die Planungsunterlagen des RP zur Rheindammsanierung offen. Bürgerinnen und Bürger können bis 21. November im Technischen Rathaus oder online Einblick nehmen. Bis zum 21. Dezember können sie in schriftlicher Form Einwendungen gegen die Projektplanung vorbringen. Daher appelliert Kuhse an die Mannheimerinnen und Mannheimer, genau das zu tun: "Denn es geht um den Erhalt mehrerer Tausend Bäume." Die BIG will nach Rücksprache mit Experten einen eigenen Einwand formulieren.
Dafür wirbt auch der SPD-Landtagsabgeordnete Boris Weirauch, der sich dafür einsetzt, dass so viele Bäume wie möglich erhalten werden können: "Es liegt jetzt an uns Bürgerinnen und Bürger, mit Einwendungen im Planfeststellungsverfahren klar zu machen, dass wir damit nicht einverstanden sind", kündigte er weiteren Protest an und betont: "Die Landesregierung lehnt eine Spundwandlösung ab und favorisiert trotz eines von einem breiten Bündnis getragenen Protests die Variante, der Tausende Bäume zum Opfer fallen würden. Dieser Kahlschlag wäre ein unumkehrbarer Eingriff in Umwelt und Natur."
Die Stadtverwaltung äußerte sich nicht zu den Plänen des RP. Umweltbürgermeisterin Diana Pretzell will das Ergebnis des von der Stadt in Auftrag gegebenen Gutachtens abwarten. Die Kommune hat in dem Verfahren zwei Rollen: Sie ist Planfeststellungsbehörde und muss das Vorhaben genehmigen. Sie ist aber auch Trägerin öffentlicher Belange und kann in dieser Rolle Einwände vorbringen.
Ein weiterer interessanter Punkt dürften die Kosten des Mammutprojekts sein. Diese gibt das RP, wie bereits im September 2019, mit 16 Millionen Euro netto an. An die aktuelle Krisensituation wurden sie nicht angepasst. "Eine laufende Fortschreibung ist nicht zielführend und auch nicht üblich", sagte eine Sprecherin auf RNZ-Anfrage.




