Oftersheim/Ketsch

Landwirte befürchten, den Spargel nicht los zu werden

Nicht nur die fehlenden Erntehelfer bereiten den Landwirten Kopfzerbrechen - Auch der Absatz des Gemüses wird ohne Hotels und Restaurants schwieriger

23.03.2020 UPDATE: 24.03.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 46 Sekunden
Müssen Erntehelfer aus dem Ausland nach der Einreise in Quarantäne? Zahlt die Krankenversicherung bei Ansteckung? Die Bauern haben viele Fragen in diesen Tagen. Einfach auf Studenten oder junge Mitarbeiter aus der Gastronomie zu setzen, halten sie für schwierig. Es dauere eine Zeit, bis man sich an die schwere körperliche Arbeit gewöhnt habe, sagen sie. Foto: len

Von Rolf Kienle

Oftersheim/Ketsch. Die ersten Spargel sind schon da; bei den derzeit niederen Temperaturen lassen sie sich allerdings noch reichlich Zeit. Ein, zwei Wochen dürfte es schon noch dauern. Den Spargelbauern in der Region kommt die kühle Phase fast wie gerufen. Denn kaum einer ist in den Zeiten von Corona wirklich gut auf die Spargelernte vorbereitet. Und wenn die Stangen dann geerntet sind, stellt sich vielen die Frage, wohin damit.

"Ich habe nur einen Teil der nötigen Erntehelfer", sagt Landwirt Christian Gieser aus Oftersheim. Einen hat er vergangene Woche in der Pfalz abgeholt, wo dieser bis eben beschäftigt war. Auch Andreas Spilger, Spargelbauer in Schwetzingen und Ortsobmann im Bauernverband, hofft noch auf Arbeitskräfte aus Rumänien. Seine Ketscher Kollegin Heike Gress, die ihren Spargel gleich hinter dem Schlossgarten anbaut, ist ebenfalls dabei, sich um Erntehelfer zu bemühen. Mit einem Mann aus Rumänien ist sie in Kontakt. "Er hat alle Papiere zusammen, und ich könnte ihm einen Flug buchen."

Die gewohnte Fahrt mit dem Auto oder dem Bus scheidet derzeit aus: Ungarn und Österreich haben die Grenzen dichtgemacht. Da kommt keiner durch. Ein kleiner Teil der rumänischen Erntehelfer ist bereits im Land. Sie haben anderswo in der Landwirtschaft einen Job und könnten demnächst zur Spargelernte wechseln. Aber die Zahl der Erntehelfer reicht bei Weitem nicht aus. Aus Polen kommt ohnehin kaum einer mehr.

Andreas Spilger, der vier Hektar Spargelfelder bewirtschaftet, ist einigermaßen ratlos: "Ich weiß nicht, wie das dieses Jahr laufen soll", sagt er. Er hat zwar Kontakte, und die Rumänen wollen auch kommen. Aber man müsse erst mal abwarten. Bisher kamen sie durchweg auf dem Landweg nach Deutschland und blieben zwei, drei Monate. Beim Flug gibt es ein paar Unsicherheiten, erklärt Heike Gress. "Muss der Erntehelfer bei der Einreise möglicherweise in zweiwöchige Quarantäne?"

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Die nächste Frage ist die der Krankenversicherung – zahlt sie, wenn der rumänische Erntehelfer sich hier ansteckt, zumal dann der ganze Betrieb still stünde? "Es gibt viel Wenn und Aber", sagt sie, bleibt jedoch beim Plan A. Das ist der mit den rumänischen Erntehelfern. Sie hat ihnen Arbeit zugesagt und will bei ihrem Versprechen bleiben.

Ihr Plan B liegt eigentlich auf der Hand: Seit junge Leute vor allem aus der Gastronomie keine Arbeit mehr haben, bewerben sie sich auch als Erntehelfer in der regionalen Landwirtschaft. Sowohl Christian Gieser als auch Heike Gress haben "etliche Angebote" von Interessierten aus der Region bekommen. Gieser ist skeptisch. "Das ist körperlich harte Arbeit", gibt er zu bedenken. Er weiß aus eigener Erfahrung, dass es eine Weile dauert, bis man sich an sieben, acht Stunden Bücken jeden Tag gewöhnt hat. Für Heike Gress ist es vorstellbar, dass sie junge Leute fürs Spargelstechen einstellt.

Aber auch da ist wohl noch einiges in der Schwebe. Denn: Junge Helfer gegen ein Taschengeld einzusetzen, stoße auf rechtliche Hürden, sagt Simon Schumacher vom Verband Süddeutscher Spargel- und Erdbeerbauern in Bruchsal. Taschengeld sei nicht als Betriebsausgabe absetzbar, und Praktikanten sind nur unter bestimmten Bedingungen vom Mindestlohn ausgenommen. Um Mindestlohn aber tatsächlich wirtschaftlich zahlen zu können, sind nach den Worten Schumachers ab sechs Uhr früh zehn Stunden harte Arbeit auf dem Feld erforderlich. Die Landwirtschaftsverbände seien jedenfalls im Gespräch mit der Bundesregierung.

Größer ist die Befürchtung der Landwirte, dass sie zwar Erntehelfer bekommen, dann aber auf dem geernteten Spargel sitzen bleiben, weil jene Restaurants geschlossen haben, die sonst zu den Hauptabnehmern gehören, wie Christian Gieser sagte. "Gegessen wird immer", meint er zwar ganz zuversichtlich, aber er hat Sorgen, dass er nichts oder nur wenig Spargel an Restaurants verkaufen wird. Andreas Spilger hatte ebenfalls eine feste Abnehmergruppe aus der hiesigen Gastronomie, auf die er vorerst kaum setzen kann. Auch Heike Gress macht sich keine Hoffnungen, dass die Restaurants wie gewohnt bei ihr kaufen werden. "Die sind ja erst mal weggebrochen", sagt sie und ärgert sich, dass die Discounter bereits wieder Spargel aus dem Süden oder gar aus Peru im Angebot haben.

Heike Gress denkt im Moment darüber nach, ob sie ihren Hofladen schon vor dem ersten Spargel aufmacht und Kartoffeln und Salat anbietet. Hofläden dienen der Grundversorgung und dürfen im Moment auch sonntags von 12 bis 18 Uhr öffnen, wie das Schwetzinger Rathaus dazu mitteilte. Ein Landwirt aus dem Nordbadischen hatte befürchtet, dass der Betrieb von Hofläden ausgesetzt werden könnte. Christian Gieser betreibt ebenfalls einen Hofladen, Schwerpunkt: Spargel, Melonen und Artischocken. Die ersten Artischocken haben die Giesers bereits geerntet.

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