Gesund, stark und etwas gelassen
Nicole feiert ihre überstandene Brustkrebs-Erkrankung mit ihren Fans und vielen Hits.

Von Stefan Otto
Mannheim. Sie ist wieder "Gerne am Leben". Nach glücklich überstandener schwerer Erkrankung demonstriert das ESC-Wunder von 1982, die saarländische Schlagersängerin Nicole, im Mannheimer Capitol mit Inbrunst: "Ich bin zurück."
Als sie die Bühne betritt, ist zunächst einmal nicht Musik, sondern ein regelmäßig, gesund und munter pochendes Herz zu hören. Das dürfte für das Leben stehen, das sie zurückerobern konnte. Sie sei "zurück von einer langen Reise", erklärt die 58-Jährige verschlüsselt. Sie hat den Brustkrebs, der Ende 2020 bei ihr diagnostiziert worden war, im Sommer 2022 nach ihrer Heilung publik gemacht.
"Stark sein", singt sie, "ist das Beste, was dir bleibt, wenn der Sturm die Sicherheit vertreibt". Und im Titelsong ihres jüngsten Albums, der auch der Tournee ihren Namen gibt: "Der Weg war lang und schwer, / Er führte durch ein tiefes Tal. / Jetzt gibt’s kein Halten mehr, / Es ist ein zweites erstes Mal." Einen Text übrigens, den ihr der wortgewandte Kollege Heinz Rudolf Kunze auf den Leib geschrieben hat. "Ich bin zurück, ab jetzt zählt jeder Augenblick." Nicht zuletzt der Glaube habe ihr geholfen, war von der Katholikin zu vernehmen, die in ihrem selbst getexteten Song "Wir seh’n uns im Himmel" gleichwohl Zweifel offenbart: "Wir sehen uns im Himmel, vielleicht heut’ Nacht, vielleicht auch nie."
"Ein bisschen Frieden" auf Russisch
Die Fans jedenfalls danken ihr das Comeback ins Leben wie auf die Bühne mit viel Applaus und zahlreichen Geschenken: Blumen, Wein, Plüsch und Handarbeiten, die die Bühne bald wie einen Gabentisch oder Flohmarktstand aussehen lassen. Dazwischen: Nicole, zunächst in einem bodenlangen Mantel, der sie wie ein Kapellmeister erscheinen lässt, später in wechselnden, jeweils thematisch passenden Kostümen. An ihrer Seite: Mickey Meinert an den Gitarren, Zoran Grujovski am Bass, Achim Meier am Keyboard und Jens Carstens hinterm Schlagzeug. Von "Ich bin zurück", Nicoles vor einem knappen Jahr veröffentlichten Album, zeigten etliche Fans sich mindestens halbwegs enttäuscht. Enthält es doch neben lediglich sieben neuen Songs genauso viele nur aufgehübschte Versionen älterer Titel, die nicht nötig gewesen wären. In Mannheim stehen auf der Setlist alte wie neue Titel.
Von ihrer ersten, 1980 aufgenommenen und gleich erfolgreichen Single "Flieg nicht so hoch, mein kleiner Freund" bis zur jüngsten, "Die zweite Liebe" in der "Version 2022", die den fast drei Jahrzehnte alten Schlager noch einmal hervorholt. Als sie den Titel ankündigt, der von Liebeskummer und einer neu erwachenden Zuneigung zu einem anderen kündet, und sagt, "es gibt eben auf nichts eine Garantie und schon gar nicht auf eine Liebe, die halten soll bis in alle Ewigkeit", bekräftigt ein Zuschauer lautstark "Amen!"
Barfuß singt Nicole ihr rührseliges Anti-Apartheid-Statement "Soley, Soley, Soley" in weiß-blauer Hellenenkluft, mit einer Flasche Ouzo auf dem Tisch, ein Griechenland-Potpourri und mit Dancebeats unterlegt ein temporeiches Party-Medley einschließlich ihres Songs "Mit dir vielleicht", der abermals eine gewisse gleichgültige Gelassenheit offenbart: "Mit dir vielleicht, vielleicht auch nicht...". An die Konzerte, die sie Mitte der 1980er in der DDR geben konnte, erinnert sie mit "Papillon", der die unbeschränkten Reisefreiheiten eines Schmetterlings feiert. "Denn für dich gibt’s keine Grenzen, und dich hält niemand auf."
Der Charakter eines Liedes könne sich wandeln, wenn man es in einer anderen Sprache singt, erläutert Nicole. Auf Englisch werde es zum Popsong und auf Französisch zum Chanson, "oder man singt es auf Italienisch oder Spanisch, dann hat man das Gefühl, man ist im Urlaub, und eine Leichtigkeit überkommt einen". Ihren Über-Hit "Ein bisschen Frieden" hat sie 1982 gleich im Nachgang ihres Sieges beim Eurovision Song Contest noch einmal viersprachig eingesungen. "Ich habe dieses Lied in sieben Sprachen aufgenommen", zählt sie im Gesamten und fügt ihnen eine achte, Russisch, hinzu. "In der Hoffnung, dass irgendjemand da drüben die Botschaft versteht und die gestrandeten und geschundenen Seelen, die bei uns Hilfe suchen, das Gefühl haben, dass sie nicht alleine sind. Dass da jemand ist, der versucht, ihnen beizustehen", sagt Nicole und deutet auf sich.