"Es geht uns nicht ums Kasse machen"
Zwei Landesminister übergaben Polizeipräsidium neuen Blitzer-Anhänger - Gerät kann gleichzeitig Tempo auf drei Spuren messen

Von Alexander Albrecht
Rhein-Neckar. Das futuristisch wirkende Gebilde mit seinen grauen, stählernen Platten könnte auch als Exponat der Kasseler documenta für zeitgenössische Kunst durchgehen. Ein roter Blitzer-Schlitz verrät aber die eigentliche Bestimmung des Geräts: Es handelt sich um einen Anhänger, der mit Hightech zu schnell fahrende Fahrzeuge erfasst.
Innenminister Thomas Strobl (CDU) und Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) haben jetzt an der A6 den sogenannten Enforcement-Trailer an das Mannheimer Polizeipräsidium übergeben. Aktueller Standort des Blitzer-Anhängers ist die Raststätte Hockenheim West, wo er das Tempo in Richtung Karlsruhe überwacht. Es ist der mittlerweile sechste im Land, bis Ende nächsten Jahres soll in Baden-Württemberg das Dutzend voll gemacht werden. Zwölf Geräte kontrollieren dann die großen Ost-West- und Nord-Süd-Achsen auf Geschwindigkeitsverstöße. Ein Gerät kostet 150.000 Euro.
"Es geht uns nicht ums Kasse machen", betont Strobl. Zweck der Anschaffung sei vielmehr, Leben zu retten. 179 Menschen sind nach Angaben des Ministers im vergangenen Jahr auf den baden-württembergischen Straßen gestorben, weil ein Verkehrsteilnehmer zu schnell gewesen war. "Das bedeutet, jeden zweiten Tag ein Toter. Jeden zweiten Tag unermessliches Leid für Familien und Freunde", sagt Strobl. "Das ist einfach zu viel."
Zwar gebe es heute deutlich weniger Verkehrstote als noch vor zehn, 20 Jahren zu beklagen, ergänzt Hermann, "aber die Zahlen gehen immer langsamer nach unten". Grund genug zu handeln. Der Grünen-Politiker weiß aus seinem Bekanntenkreis: "Viele geben offen zu, dass sie erst vorsichtiger fahren, wenn ihnen klar ist, dass sie überwacht werden."
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Also gelte es, den Kontrolldruck zu erhöhen. Beide Minister haben sich ein hochambitioniertes Ziel auf die Fahnen geschrieben: die "Vision Zero". Das heißt ein Straßenverkehr ohne Getötete und Schwerverletzte. Der Mannheimer Verkehrspolizeichef Alexander Ulmer verrät einige technische Details des Enforcement-Trailers. So könne dieser circa 14 Tage rund um die Uhr auf drei Spuren gleichzeitig die Geschwindigkeit messen. "Das ist für uns eine enorme Entlastung", so Ulmer, "denn bislang hätten wir dafür fast 100 Beamte einsetzen müssen, und da darf keiner krank sein oder Urlaub machen".
Die moderne Lasertechnik kann zudem Autos, Laster oder Motorräder voneinander unterscheiden, sodass auch in Abschnitten mit verschiedenen Tempolimits Messungen möglich sind. "Gerade an den derzeit vielen Baustellen mit ihren engen Spuren ist hohe Geschwindigkeit sehr gefährlich", erklärt Ulmer. "Ich bin froh, dass ich dort keine Beamte mehr postieren muss." Gerade einmal eine halbe Stunde dauert es, bis der Enforcement-Trailer aufgebaut ist, etwa alle zehn Tage müssen die Akkus ausgetauscht werden. Die auf USB-Sticks gespeicherten Daten und Fotos werden direkt an die Bußgeldstellen weitergeleitet.
"Dadurch entfällt bei uns die Schreibarbeit", freut sich Ulmer über einen weiteren Vorteil der Blitzer-Anhänger. Die Geräte lassen übrigens Vandalen verzweifeln. "Die Enforcement-Trailer sind schusssicher und mit mehreren Alarmanlagen ausgestattet. Die Beamten sind nach einem Zerstörungsversuch wenige Minuten später vor Ort", sagt der Verkehrspolizeichef.
Auch wenn Strobl immer wieder betont, dass Geld keine Rolle spiele – im Landeshaushalt gibt es für die Gebühreneinnahmen einen Etat, der laut Minister der Arbeit der Ordnungshüter zugutekommen soll. Ulmer und sein Team haben indes insgesamt 16 Einsatzstellen im Bereich des Mannheimer Präsidiums zwischen Sinsheim, Kronau, Speyer und Hemsbach vorbereitet, an denen das Gerät aufgestellt werden kann.
Darunter ist auch die A5 bei St. Leon-Rot. Am Rosenmontag 2018 waren dort eine dreiköpfige Familie und ein Mann am Stauende ums Leben gekommen. Sie hatten in den Autos gegen die Wucht der aufprallenden Laster nicht den Hauch einer Chance. Die Walldorfer Bürgermeisterin Christiane Staab nahm den schweren Unfall zum Anlass, um wenige Tage später einen "Brandbrief" an die damalige Regierungspräsidentin Nicolette Kressl zu schreiben und verschiedene Maßnahmen zu fordern.
"Ich bin froh, dass sich etwas tut. Der Enforcement-Trailer ist ein wichtiger Baustein, damit solche Kollisionen vielleicht künftig vermieden werden", meint Staab.