Berufstierrettung Rhein-Neckar hilft in der Türkei (plus Video)
Sie waren bereits 2021 im Ahrtal im Einsatz. Jetzt ist Michael Sehr mit weiteren Helfern in die Türkei geflogen. Ihr Einsatzgebiet liegt rund um die Millionenstadt Adana.

Von Stefan Hagen und René Priebe
Rhein-Neckar/München/Adana. Das verheerende Erdbeben in der Türkei und Syrien der Stärke 7,8 hatte sich am Montag vergangener Woche ereignet und zahlreiche Gebäude zum Einsturz gebracht. Bislang wurden mehr als 35.000 Todesopfer gezählt, davon 31.643 in der Türkei und mindestens 3688 in Syrien, meldete die Nachrichtenagentur AFP am Dienstag.
Unter den Trümmern in der Erdbebenregion sind demnach immer noch Menschen verschüttet. Den Überlebenden machen die Kälte, die unzureichende Versorgung mit Trinkwasser und Lebensmitteln sowie der Mangel an sanitären Anlagen zu schaffen.
Jetzt versuchen auch Tierschützer "so gut, wie es geht", auch Tieren in den betroffenen Regionen zu helfen. Das berichtet die Organisation Berufstierrettung Rhein-Neckar auf ihrer Facebook-Seite. Demnach müssten unzählige eingeschlossene, verletzte und unversorgte Tiere geborgen und gesichert werden.
Viele dieser Geschöpfe benötigten eine medizinische Versorgung oder müssten anderweitig untergebracht werden. Das Umsiedeln und Füttern Tausender Haus- und Nutztiere stelle alle Tierretter vor eine riesige Herausforderung, berichtet Michael Sehr, Chef der Berufstierrettung Rhein-Neckar. Das tatsächliche Ausmaß dieser Katastrophe könne man derzeit nur erahnen.
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Sehr und sein Team haben schon reichlich Erfahrungen mit der Rettung von Tieren bei Naturkatastrophen gesammelt. 2014 in Serbien und 2021 im Ahrtal war man in Hochwassergebieten im Einsatz. "Es sind Bilder wie aus einem Kriegsgebiet, einfach schockierend", hatte Sehr damals der RNZ aus dem Ahrtal berichtet. Überall seien herrenlose Hunde und Katzen hilflos umhergeirrt.
Die Besitzer, selbst auf der Flucht vor dem Unwetter, hätten keine Zeit mehr gehabt, sich um ihre Tiere zu kümmern. So seien unzählige Kleintiere zurückgeblieben. Größere Vierbeiner wie Pferde seien durch das Öffnen der Ställe sich selbst überlassen worden und meist jämmerlich ertrunken.
Im Ahrtal gab es viele traurige Erlebnisse für die Tierfreunde, aber auch Lichtblicke in der Katastrophe. "Wir konnten eine Katze aus ihrer Notlage auf dem Baum neben einem reißenden Fluss retten", berichtete Sehr.
Nach längerer Suche habe man auch den Besitzer ermittelt können. Dieser sei überglücklich, gewesen, dass sein Haustier das Hochwasser überlebt habe. "Ganze sieben Tage musste die Katze im Baum ausharren. Nach ihrer Rettung wurde sie gleich tierärztlich versorgt", erinnert sich Sehr.
Jetzt hofft man, auch in der Türkei viele Tiere noch retten und versorgen zu können. Es sei gelungen, "in kurzer Zeit ein Netzwerk mit Tierschutzvereinen und Tierrettungsdiensten zu schaffen, die uns bei der Logistik und der Koordination unterstützen", schreibt Sehr auf Facebook. Vor Ort gebe es Kontakte zum türkischen Tierschutz und Unterstützung aus Adana, um im Einsatzgebiet eine schnelle, effektive und vor allem koordinierte Hilfe gewährleisten zu können.
Am Dienstag sind nun also sieben Tierretter von der Berufstierrettung Rhein-Neckar, der Tierrettung Südbaden, der Tierrettung Niederbayern sowie der Tierhilfe Gusental aus Österreich von München aus zunächst nach Istanbul und dann weiter nach Adana geflogen. Hier werden die Helfer von türkischen Kräften abgeholt. Rund um die Millionenstadt soll das Einsatzgebiet der Truppe liegen.
Nach letzten Informationen sollen sich in dieser Gegend wohl über 1000 Tiere in akuter Notlage befinden und verletzt beziehungsweise schwer verletzt sein. Lohnt sich denn der Einsatz so viele Tage nach dem Beben noch? "Tiere können länger ohne Essen und Wasser auskommen als Menschen", merkt Sehr dazu an.
Vor dem Abflug nennt der Chef der Tierrettung noch einige Daten. So habe man rund 1,5 Tonnen an Material mitnehmen wollen. Der Transport hätte mit Hin- und Rückflug jedoch rund 80.000 Euro gekostet. Jetzt habe man an medizinischen Sachen und kleinen technischen Geräten "nur das Minimalste" im Gepäck. Der Rest würde dann später per Lkw nachgeliefert.
Man sei vorgewarnt worden, dass es vor Ort sehr belastend werden könne, ergänzt der Tierretter. "Das ist uns bewusst", sagt Sehr. Man werde im Einsatzgebiet in Zelten schlafen, denn man wolle "nah an der Einsatzstelle sein". Essen und die weitere Versorgung der Tierretter seien gewährleistet.
Sehr weiß natürlich auch, dass es wie bei jedem Einsatz gewisse Risiken gibt. In diesem Zusammenhang erwähnt er, dass man von Polizei und Militär bewacht werde. "Wir bleiben erst einmal zehn Tage vor Ort", blickt Sehr voraus. Nach dieser Zeitspanne werde man weiterschauen.
Und was passiert mit den gefundenen beziehungsweise geretteten Tieren? "Wenn wir Tiere finden, egal ob verletzt oder nicht, werden diese ins Zentrum gebracht. Und es werden alle Tiere in der Türkei bleiben", versichert der Tierretter. "Sachspenden können aktuell durch die zerstörte Infrastruktur noch nicht angenommen werden, und viele Hilfsgüter können erst vor Ort in der Türkei beschafft werden", bittet Sehr abschließend um Geldspenden, auch um die Flüge und den Transport des Hilfsmaterials zu finanzieren.
Paypal-Adresse: berufstierrettungrheinneckar@gmail.com
Spendenkonto: DE58 1101 0100 2162 4818 02 (Stichwort Türkei)