Kostenloser ÖPNV spielt bei den Modellstadt-Ideen keine Rolle
Gratisnutzung des öffentlichen Nahverkehrs "ist eine Illusion" – Idee scheitere auch an den Milliarden-Kosten

Eine Straßenbahn auf den Mannheimer Planken. Dass Passagiere ein Ticket benötigen, dabei dürfte es vorerst bleiben. Foto: Uwe Anspach
Von Olivia Kaiser
Mannheim. Als in Februar bekannt wurde, dass Mannheim eine der fünf Modellstädte ist, in denen Maßnahmen zur Reduzierung der Stickoxidwerte getestet werden sollen, sorgte vor allem eine Idee für Furore: die Gratisnutzung des öffentlichen Nahverkehrs (ÖPNV). Die Nachricht, dass in den Modellstädten der kostenlose Nahverkehr getestet werden solle, verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Doch eigentlich habe das nie ernsthaft zur Debatte gestanden, erklärte Mannheims Erster Bürgermeister Christian Specht am Mittwoch bei der Vorstellung der Mannheimer Ideen.
Um drohende Fahrverbote zu vermeiden, hatte Deutschland ein Positionspapier an die EU-Kommission geschickt, das in englischer Sprache verfasst war. Darin wurden verschiedene Strategien darlegt, mit denen man für saubere Luft sorgen wolle. Es enthielt einen folgenschweren Satz - nämlich dass man unter anderem nach Rücksprache mit den Ländern überlege, kostenlosen Nahverkehr zu testen. Doch überlegen heißt eben nicht tun. "Jeder, der sich mit ÖPNV auskennt, weiß, dass das eine Illusion ist", betonte Specht. "Das habe ich auch gleich gesagt."
Zum einen scheitert so ein Vorhaben an den Kosten: "Der Bund müsste jährlich zwölf Milliarden Euro für so ein Projekt ausgeben", sagte Christian Specht. "Allein in der Metropolregion Rhein-Neckar wären es jährlich 130 Millionen und in Mannheim 80 Millionen Euro." Mit anderen Worten: Mannheim bekäme jedes Jahr den Betrag vom Bund, den es jetzt für die Sanierung des Nationaltheaters erhalten hat.
Doch mit Geld allein wäre so ein Unterfangen auch nicht zu stemmen. Keine Stadt in Deutschland verfügt über die nötige Infrastruktur. Es fehlt an Bussen, Straßen- und U-Bahnen. Bis die geliefert werden könnten, gehen mehrere Jahre ins Land. Im Juni hat die Rhein-Neckar-Verkehrsbetriebe GmbH (RNV) 80 Stadtbahnen bei der Unternehmensgruppe Škoda Transportation im tschechischen Pilsen bestellt. Das Auftragsvolumen beträgt 250 Millionen Euro. Die erste Bahn wird 2021 über Mannheimer Gleise fahren. Für einen kostenlosen Nahverkehr würde aber selbst diese riesige Bestellung wohl nicht ausreichen.
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Zudem müssten sämtliche Fahrpläne verdichtet werden. Das wiederum bedeutet, dass mehr Mitarbeiter eingestellt und ausgebildet werden müssten, die die zusätzlichen Busse und Bahnen fahren. Langfristig sei in Mannheim der Ausbau des ÖPNV geplant, betonte Christian Specht.