Mobilitätspakt Rhein-Neckar

"Digitale Leitstelle" wird auf gesamte Region ausgeweitet

Der Mobilitätspakt muss knifflige Aufgaben lösen. Hunderte BASF-Mitarbeiter kündigen Jobticket. Es gibt einen "Brandbrief" an die Bahn.

17.09.2024 UPDATE: 17.09.2024 04:00 Uhr 2 Minuten, 50 Sekunden
Eine Visualisierung der neuen Westbrücke in Ludwigshafen. Sie gehört zum regional wichtigen Hochstraßenprojekt und soll mit einer Gesamtlänge von 445 Metern in Zukunft den Verkehr über das nördliche Gleisfeld des Hauptbahnhofs führen und die Autobahn A650 mit der künftigen Helmut-Kohl-Allee verbinden. Die straffierten Flächen gelten laut Stadtverwaltung als Entwicklungsflächen. Grafik: Stadt Ludwigshafen

Von Alexander Albrecht

Rhein-Neckar. Wenn es um die Sicherheit und Standfestigkeit der Hochstraße Nord geht, vertraut Jutta Steinruck nicht nur auf die Technik. "Ich bete jeden Tag, dass sie hält", verrät die Ludwigshafener Oberbürgermeisterin. Mindestens bis 2026. Dann soll die Hochstraße Süd wieder aufgebaut und befahrbar sein.

Steinruck erinnert sich noch gut an den 22. November 2019. Statiker hatten berechnet, dass die südliche, marode Brücke zwischen Mannheim und der Pfalz möglicherweise ihr eigenes Gewicht nicht mehr halten kann. Sie warnten vor einem Einsturz. Wenige Tage später beschlossen Steinruck und der Stadtrat, die Hochstraße abzureißen und neu bauen zu lassen. Mit Blick auf die Kritik seinerzeit, fühlt sich Steinruck heute "auch persönlich" in ihrer Ad-hoc-Entscheidung bestätigt.

Zugleich war das Brückendesaster einer der Ausgangspunkte für die Gründung des Mobilitätspakts Rhein-Neckar. Dessen Steuerungskreis – mit Vertretern aus den drei Bundesländern, den Städten Mannheim und Ludwigshafen, dem Regionalverband und dem Verkehrsverbund Rhein-Neckar, den Industrie- und Handelskammern und der BASF – hat sich am Montag im Ludwigshafener Pfalzbau zu seiner dritten Sitzung getroffen.

Das Gremium griff mit dem Teileinsturz der Carola-Brücke in Dresden auch ein aktuelles Thema auf. "Wir waren nie fahrlässig", sagt Steinruck hinsichtlich der Hochstraßen. Und das gelte nicht nur für Ludwigshafen. Allerdings sei es schwierig, "in die Brücken hineinzugucken". Wegen etlicher Sanierungsarbeiten sei im Innenleben vieles ver- und umgebaut worden, erklärt Steinruck. "Wir mussten damals in die Schächte rein."

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Zudem habe sie gelernt, dass es bedenkliche und unbedenkliche Risse gibt. Derzeit laufe bei der Hochstraße Süd alles nach Plan. Das gelte ebenso für die nördliche Trasse, die in einem zweiten, noch größeren Megaprojekt abgerissen und der geplanten ebenerdigen Helmut-Kohl-Allee weichen soll.

Am benachbarten Rathaus-Center, für das dann kein Platz mehr ist, sind die oberen Stockwerke inzwischen skelettiert und abgetragen, und vom Parkhaus des einstigen Wahrzeichens der Stadt ist ebenfalls nicht mehr viel übrig.

Gut voran geht es laut Steinruck mit den Planungen für die neue Westbrücke. Sie soll über die Bahngleise den Verkehr von der A650 Richtung Bad Dürkheim mit der künftigen Helmut-Kohl-Allee gen Mannheim verbinden.

Kleiner Wermutstropfen am Rande: Die Auffahrtsrampe von der Rheinuferstraße auf die Hochstraße Nord muss etwas länger als erwartet repariert werden. Die Fahrzeuge werden noch bis kommenden Freitag zur Konrad-Adenauer-Brücke umgeleitet.

Apropos: Wegen Rissen dürfen bis auf Weiteres keine Bahnen über diese Brücke fahren. Wie ein Damoklesschwert schwebt auch hier das Jahr 2026 über der rheinquerenden Verbindung. Dann müssen alle Straßenbahnen über die Adenauer-Brücke laufen. Müsste die Rampe im Schlossgarten gebaut werden, wäre das aus Sicht Steinrucks eine "Katastrophe" für den ÖPNV, zumal auch die Kurt-Schumacher-Brücke nur einseitig befahrbar ist.

Solche Probleme hat Regionalverbandsvorsitzender Stefan Dallinger als Landrat zwar nicht, der Rhein-Neckar-Kreis ist aber derjenige in Baden-Württemberg mit den größten Tunneln. "Auch die sperren wir jedes Quartal für Wartungsarbeiten." Hoffnungen setzen die Beteiligten des Mobilitätspakts auf einen vom rheinland-pfälzischen Verkehrsstaatssekretär Andy Becht verantworteten Arbeitskreis.

Dieser tüftelt an einer virtuellen Leitstelle, die für den Fall plötzlich gesperrter Straßen, Tunnel oder Brücken zum Beispiel vollautomatisch Ampeln umschaltet. Becht will sich dazu für die Anschaffung sogenannter Netzbeeinflussungsanlagen stark machen, mit deren Hilfe der Verkehr bei Überlastungen auf der Hauptstrecke auf weniger belastete Routen gelenkt wird.

Unterstützung bekommt der Staatssekretär von seiner baden-württembergischen Amtskollegin Elke Zimmer. Ihre Behörde ist bei der Digitalisierung weiter und verfügt über Datensätze, die eingespeist werden können. Auch der Verband Region Rhein-Neckar (VRRN) ist am Thema dran und arbeitet an einem integrierten Modell. Es soll Auswirkungen auf den Verkehr in der Region ausrechnen, wenn Straßen blockiert werden oder neue hinzukommen.

Entscheidend für den Verkehr von Weinheim und Viernheim her in die Mannheimer Innenstadt ist die BBC-Brücke. Diese ist marode und muss ersetzt werden. Für die Zeit der Bauarbeiten gibt es eine Behelfsbrücke, die jetzt errichtet wurde. Foto: Kreutzer

Zudem hat sich der Arbeitskreis vorgenommen, den Kernraum entlang der A5, A6 und A61 auszudehnen, was jedoch einige Zeit kosten wird. Wobei Dallinger darauf hinweist, dass der Pakt "nur" das Werkzeug zur Verfügung stellt, entscheiden müssen die "Vorhabenträger". Deshalb will man jetzt auf die Autobahngesellschaft des Bundes zugehen.

Die Erreichbarkeit von der ÖPNV-Haltestelle zur Firma, die "letzte Meile", testet der Pakt bei vier Gewerbegebieten, drei davon in Mannheim und eines bei Hirschberg. Alarmierende Nachrichten hat Johanna Coleman, Geschäftsführerin der BASF Wohnen und Bau GmbH, im Gepäck.

Weil das Stellwerk in Ludwigshafen – wie das in Neckargemünd – wiederholt Personalprobleme hat und deshalb S-Bahnen ausfallen, haben 900 bis 1000 Mitarbeiter des Konzerns ihr Jobticket gekündigt. Die Vertreter des Mobilitätspakts kündigen am Dienstag an, einen "Brandbrief" an die Bahn zu schreiben mit der Forderung, die Stellwerke auskömmlich zu besetzen.

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