Schnelles Internet: "Große Chance für den ländlichen Raum"

Zwischen Euphorie und Sorgen: Gesprächsrunde mit Bundestagsabgeordneten und Bürgermeistern zum Thema "Schnelles Internet"

22.01.2015 UPDATE: 23.01.2015 06:00 Uhr 2 Minuten, 13 Sekunden

Der Rhein-Neckar-Kreis rüstet sich für die "High-Speed-Zukunft". Foto: Hebbelmann

Von Sabine Hebbelmann

Zuzenhausen/Rhein-Neckar. "Mein Sohn ist jetzt drei Jahre alt - wenn er 18 ist, wird er mit Gigabyte durchs Netz surfen." Nils Drescher, Projektleiter des frisch gegründeten Zweckverbands High-Speed-Netz Rhein-Neckar, strahlte bei einer öffentlichen Gesprächsrunde in Zuzenhausen zum Breitbandausbau Optimismus und Tatkraft aus.

Alle 54 Städte und Gemeinden des Kreises sind an dem Verband beteiligt. Ziel ist, dass jedes Gebäude im Rhein-Neckar-Kreis über einen eigenen Glasfaseranschluss verfügt. Der Ausbau soll über KfW-Kredite finanziert werden. "Wir wollen freie Hand auf der Infrastrukturebene haben", betonte Drescher. Der Vorstoß von EU-Kommissar Günther Oettinger, Netzbetreibern im ländlichen Raum für Investitionen in den Ausbau Vertragslaufzeiten von drei bis vier Jahren zu garantieren, stimme ihn bedenklich, sagte er.

Bei nur 18 Gegenstimmen hätten sich über 1000 Mandatsträger im Rhein-Neckar-Kreis für das High-Speed-Netz ausgesprochen, berichtete Drescher. "Jetzt wollen wir loslegen." Dass der Ausbau im Rhein-Neckar-Kreis als einem der wichtigsten IT-Standorte in Deutschland nicht nur überfällig ist, sondern auch vor den kleinen Dörfern nicht haltmachen dürfe, machte er deutlich. Als Beispiel nannte er den SAP-Mitarbeiter, der in Zuzenhausen wohnt und das Angebot bekommt, vom heimischen PC aus zu arbeiten.

Zuzenhausens Bürgermeister Dieter Steinbrenner verglich den High-Speed-Start mit der Einführung der S-Bahn. Ein Vergleich, den der SPD-Bundestagsabgeordnete Lars Castellucci aufgriff. Zum Wahlkreistermin hatte er Parteifreundin Christina Kampmann eingeladen, die als Mitglied des 2013 gegründeten Bundestagsausschusses "Digitale Agenda" aus Berlin berichtete.

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Ziel sei, dass bis 2018 alle Bürger in Deutschland mit einer Bandbreite von 50?Mbit/s an das Internet angebunden sein sollen, berichtete Kampmann. Dass es sich dabei nur um ein Zwischenziel handelt, machte die Politikerin deutlich. "Bis 2025 sind 100?Mbit/s flächendeckend geplant."

Beim Ausbau sei eine enge Zusammenarbeit zwischen Kommunen, Land, Bund und Wirtschaftsunternehmen nötig. Zehn Milliarden Euro wolle Schäuble in den Ausbau der Infrastruktur in Deutschland stecken. "Wir jungen Abgeordneten fordern, davon fünf Milliarden in den Breitbandausbau zu investieren."

Kampmann äußerte die Befürchtung, dass die Netzallianz Qualitätsklassen einführen und so die Netzneutralität aufweichen könnte. Die gleichberechtigte Übertragung von Daten im Internet dürfe aber auf keinen Fall der Finanzierung des Breitbandausbaus geopfert werden. Knackpunkt beim Ausbau in ländlichen Regionen sei die geringere Nutzung bei vergleichsweise hohen Anschlusskosten. Glasfaser gehöre aber zur Daseinsvorsorge und sei ein Standortfaktor wie die Kinderbetreuung. Auch für Landwirte sei das schnelle Internet wichtig, bemerkte Kampmann, die auf einem Bauernhof aufwuchs. Der optimale Zeitpunkt der Besamung, die Steuerung der Melkmaschine - "viele Kühe hängen am weltweiten Netz".

Es sei ein großer Vorteil, wenn sich große und kleine Kommunen zusammentäten, bemerkte Sven Butler vom Breitbandbüro in Berlin, das Workshops für Bauamtsleiter anbietet. Dabei gehe es darum, bei Bauvorhaben gezielt nach Synergien zu suchen, Leerrohre zu finden oder zu verlegen und die Verhandlungsposition gegenüber dem Netzbetreiber zu stärken. Sinsheims Oberbürgermeister Jörg Albrecht sprach von einem Vorzeigekreis und lobte Drescher, der für seine Ausführungen "Begeisterungsklopfen" geerntet hatte.

"Wir laufen Gefahr, dass wir den Wettlauf mit den Städten verlieren", befürchtete dagegen der Bürgermeister von Epfenbach, Joachim Bösenecker. Auch seinen Eberbacher Kollege Peter Reichert trieben angesichts der topografischen Lage und des felsigen Untergrunds Sorgen um. "Wie soll eine finanziell nicht so gut ausgestattete Kommune das finanzieren?" Dagegen sah Meckesheims Bürgermeister Hans-Jürgen Moos große Chancen für den ländlichen Raum und sprach gar von einer "Revolution", die das Gefälle zwischen Stadt und Land ausgleichen könne. Das Geld ist billig, die schwarze Null schon ein Jahr früher da. Er sah die Bundespolitiker in der Pflicht. "Wenn nicht jetzt, wann dann?"

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