Ministerin Bauer im Interview: "Ich weiß das hohe Engagement in Mannheim zu schätzen"

Die Wissenschaftsministerin über den Reformprozess an den Musikhochschulen, die Zukunft der Popakademie und Studiengebühren für Nicht-EU-Ausländer

10.02.2014 UPDATE: 10.02.2014 05:00 Uhr 4 Minuten, 5 Sekunden
Ministerin Bauer und die Hochschulen wollen sich in einem Dialogprozess annähern. F: dpa
Von Alexander Albrecht

Mannheim. Die baden-württembergische Wissenschaftsministerin Theresia Bauer hat mit ihren Reformplänen zur Neuordnung der Musikhochschulen im vergangenen Jahr für viel Unmut in Mannheim und der Metropolregion gesorgt. Im RNZ-Interview macht die Grünen-Politikerin der Quadratestadt Hoffnung, dass die Klassiksparte in der Hochschule erhalten bleibt.

In Sachen Musikhochschulen startet in diesem Jahr ein breit angelegtes Dialogverfahren. Was ist da genau geplant und wie sieht der weitere Fahrplan aus?



Die Reformideen haben im vergangenen Jahr zu intensiven Debatten geführt, insbesondere in Mannheim und Trossingen. Manche Beteiligten und Bürger fürchteten, es ginge darum, Musikhochschulen zu schließen. Doch das war nie der Plan des Ministeriums. Im Gegenteil: Mit dem Konzept wollten wir die relativ kleinen Musikhochschulstandorte im Land zukunftsfest machen. Die Sorgen und die Empörung haben uns veranlasst, zu sagen: Wir nehmen uns die Zeit, die wichtigsten Fragen noch einmal in einer größeren Öffentlichkeit zu diskutieren.

Wann geht's los?



Wir starten am 15. Februar im Mannheimer Schloss mit einer Veranstaltung unter dem Titel "Das Musikstudium im Kontext der beruflichen Perspektiven". Da geht es um Fragen wie: Wie sehen die Beschäftigungsmöglichkeiten von Musikern aus und wie haben sie sich in den vergangenen Jahrzehnten verändert? Welche Fähigkeiten müssen Absolventen haben, um für ein nicht einfaches berufliches Umfeld gerüstet zu sein? Dazu muss man wissen: Nur ein kleiner Teil der Abgänger bekommt tatsächlich auch eine Planstelle in einem Orchester oder wird Solist. Mit dieser Realität müssen sich die Musikhochschulen und unsere Studierenden auseinandersetzen.

Was passiert dann?



Es werden bis 21. Juli an allen Standorten weitere dieser Foren stattfinden. Wir versuchen bis dahin, alle relevanten Fragen zu diskutieren. Wir hinterfragen, wie gut die Musikvermittlung in den Musikhochschulen abgedeckt ist. Wir wollen uns auch speziell die Aufgabe der Schulmusik anschauen und bei einer weiteren Veranstaltung bewerten, wie gut Pop, Jazz und Weltmusik in unserem Musikhochschulangebot abgedeckt werden. Und schließlich werden wir noch einmal die Frage diskutieren, wie breit eine Musikhochschule aufgestellt sein muss, um einerseits Spitzenqualität in der Orchesterausbildung zu sichern und andererseits den wachsenden pädagogischen Anforderungen gerecht zu werden.

Wann wird entschieden?



Wir werden im Sommer an die Auswertung gehen. Die Regierungsfraktionen haben bereits beschlossen, dass die Qualitätssicherung und -entwicklung im Vordergrund steht und die Hochschulen einen Konsolidierungsbeitrag von vier bis fünf Millionen Euro sukzessive erbringen müssen. Wir werden sehen, inwiefern wir schon im Sommer zu einer Lösung kommen. Dass wir uns gemeinsam verständigen, wäre natürlich das Beste. Wenn wir das nicht schaffen, wird man in einem stufenweisen Verfahren vereinbaren müssen, was im nächsten Doppelhaushalt und was im Solidarpakt geregelt wird. Bis Sommer werden die Eckpunkte stehen und bis Jahresende die Details festgelegt.

Der Konsolidierungsbeitrag ist ein Eckpunkt. Sie waren sich mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann zudem vor Monaten darüber einig, dass 500 Studienplätze gestrichen und die fünf Hochschulen im Land Schwerpunkte bilden sollen. Bleibt's dabei?



Die Devise ist: Das Vollangebot muss in Baden-Württemberg insgesamt garantiert werden, aber nicht an jeder Musikhochschule. Dabei sind höchste Qualitätsansprüche anzulegen. Die Gewichtung von Kernangebot und sinnvoller Profilbildung - das ist eine der wirklich kniffligen Fragen. Was die Zahl der Studienplätze angeht, will ich dem Dialogprozess nicht vorweggreifen.

Sie lehnen Einsparungen bei den fünf Musikhochschulen nach dem Rasenmäherprinzip ab, wie es der Rechnungshof vorgeschlagen hat. Läuft aber womöglich genau darauf ein möglicher Kompromiss hinaus, wenn sich alle irgendwie einbringen dürfen?



Nein, das glaube ich nicht. Wir führen die Diskussion entlang inhaltlicher Schwerpunkte und Qualitätsfragen. Ich möchte aber noch einmal betonen: Von Anfang an hat unsere Konzeption einen Prozess angestoßen, der alle angeht und der alle Standorte verändern wird.

Das kam in Mannheim anders an. Ihre ursprünglichen Pläne sahen den Wegfall von 300 Studienplätzen und praktisch der gesamten Klassikausbildung vor, was einen Proteststurm in der Metropolregion entfachte. Mannheim und auch Trossingen fühlten sich einseitig belastet und überfahren.



Es war ja nicht eine Konzeption, die an meinem Schreibtisch im Ministerium erarbeitet wurde, sondern im Gespräch mit allen fünf Rektoren und externen Experten. Ich habe mich da punktuell eingemischt und auch überzeugen lassen. Die Mehrheit der Rektoren war der Meinung, das ist ein richtiger Pfad. Insofern war das nicht eine Kopfgeburt einer Ministerin gegen die Musikhochschulen, sondern Ergebnis eines gemeinsamen Prozesses. Gerade die Rektoren hatten die Sorge, dass der Rechnungshof ein falsches Signal setzt und seine Vorschläge insgesamt zu Qualitätseinbußen führen. Dennoch ist mir klar gewesen, dass der Vorschlag ein sehr, sehr weitgehender war und in manchen Bereichen an die Identität der Musikhochschulen heranging.

Können Sie Mannheim Hoffnung machen, dass die Klassiksparte an der Musikhochschule erhalten bleibt?



Ich weiß das außergewöhnlich hohe Engagement sehr zu schätzen, das es rund um das Thema Klassik gab. Und der Stolz der Mannheimer auf die Mannheimer Schule ist ja auch beeindruckend. Insofern denke ich in der Tat, dass wir in diesem Bereich Signale setzen werden. Übrigens: Ich war schon immer überzeugt, dass eine gute Jazzausbildung nicht ohne eine gute Instrumental- und Klassikausbildung funktioniert.

Bestehen Sie darauf, dass die Popakademie unter das Dach der Mannheimer Musikhochschule schlüpft?



Die Popakademie ist eine Erfolgsgeschichte. Ich habe ein Interesse daran, sie stärker in die Hochschullandschaft zu integrieren. Daran halte ich fest. Für die Zukunft spielt auch das Thema Geld eine Rolle, denn die Popakademie ist nicht nachhaltig finanziert, was ich ändern will. Wie schnell die Schritte hin zu einer vollwertigen Hochschule erfolgen sollen, werden wir sehen. Es gibt verschiedene Optionen, wie die Konstruktion der Popakademie am Ende aussieht. Ich bin da sehr offen und will schauen, was sinnvoll und machbar ist.

Der Anteil der ausländischen Musikstudenten ist sehr hoch. Gibt es Überlegungen, diese Menschen in Form einer Gebühr an den Kosten ihres Studiums zu beteiligen?



Zunächst: Studierende, egal welcher Nationalität, die in Deutschland ihre Hochschulzugangsberechtigung erworben haben, sind Bildungsinländer und wie Deutsche zu behandeln, das gilt genauso für EU-Ausländer. Insofern geht es um die Frage: Soll man Nicht-EU-Ausländer, die zum Zwecke des Studiums nach Deutschland einreisen, anders behandeln als die anderen? Diese Frage wird momentan einer rechtlichen Prüfung unterzogen. Dabei wird eigens zu bewerten sein, was eine solche Gebühr im Wettbewerb mit anderen Staaten und Bundesländern bedeuten und wie sie sich auf unsere internationale Attraktivität auswirken würde.

Sie fürchten eine abschreckende Wirkung?



Wissenschaft, aber gerade auch unsere Musikhochschulen leben von ihrer Internationalität. Der Zugang zu unseren Hochschulen darf nicht mit sozialen Hürden verbunden sein. Jenseits davon bin ich bereit, darüber nachzudenken, ob es Formen von Eigenbeteiligungen gibt, die nicht die falschen Signale aussenden.

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