Mit kleinen Schritten zum großen Erfolg
Erste Integrationskonferenz des Rhein-Neckar-Kreises in Lobbach - Referenten sprachen über Chancen und Herausforderungen

Muhterem Aras
Lobbach. (alb/hab/cab) Vieles läuft richtig. Aber es gibt im Rhein-Neckar-Kreis trotzdem noch viel zu tun bei der Integration von Flüchtlingen. Alle Prozesse müssten noch mal auf ihre Schlüssigkeit hin geprüft werden - und Kommunen, Behörden und Ehrenamtliche vor Ort offen bleiben für den Dialog. Vor allem Zuhören sei gefragt, sagte Landrat Stefan Dallinger gestern in seinem Fazit zur ersten Integrationskonferenz des Rhein-Neckar-Kreises.
Unter dem Leitwort "Ankommen" tauschten sich einen Tag lang diejenigen aus, die die Flüchtlingsarbeit tragen - auf ehrenamtlicher Basis, in den Rathäusern, im Landratsamt. Im Seminarzentrum der Manfred-Sauer-Stiftung in Lobbach trugen sie zusammen, an welchen Stellen es Handlungsbedarf gibt.
Hintergrund
Aus den Arbeitsgruppen der Integrationskonferenz
Es soll heiße Diskussionen gegeben haben in den vier Arbeitsgruppen, die sich im Rahmen der Integrationskonferenz des Rhein-Neckar-Kreises in Lobbach zu vier Aspekten des "Ankommens" austauschten. Das
Aus den Arbeitsgruppen der Integrationskonferenz
Es soll heiße Diskussionen gegeben haben in den vier Arbeitsgruppen, die sich im Rahmen der Integrationskonferenz des Rhein-Neckar-Kreises in Lobbach zu vier Aspekten des "Ankommens" austauschten. Das verriet Moderator Alexander Dambach, als die Ergebnisse kurz und bündig zusammengefasst wurden. Dazu passte sein Satz: "Integration ist kein Selbstläufer". Ehrenamtliche und hauptamtliche Akteure hatten knapp drei Stunden lang beraten. Jetzt sollen ihre Anregungen in ein Integrationskonzept eingearbeitet werden, das Städten und Gemeinden als Leitlinie zur Verfügung gestellt werden soll, wie die Integrationsbeauftragte aus dem Landratsamt, Anne Kathrin Wenk, sagte. Auf sie und ihr Team dürfte dabei jede Menge Arbeit zukommen: "Wir haben viel dokumentiert." Bei der Vorstellung der Ergebnisse blieb es zunächst bei wenigen Punkten:
> "Gesellschaftlich ankommen: bürgerschaftliches Engagement stärken": Schon bei der Frage, was Ehrenamt ist und wo es anfängt, ging es offenbar kontrovers zu. Ehrenamt braucht Wertschätzung und eine Aufwandsentschädigung, sagten die einen. Anderen war das Wohlergehen der Flüchtlinge Lohn genug. Einigkeit herrschte wohl darin, dass es zur Vermittlung ehrenamtlicher Kompetenzen und Angebote eines regelmäßigen Austauschs "auf Augenhöhe" mit den Behörden bedürfe. Zudem müsse das Ankommen der Flüchtlinge eine Struktur erhalten - etwa durch Datenbanken, die über die Integrationsangebote Aufschluss geben, oder durch Erhebung von Bedarfen für die Flüchtlingsarbeit.
> "Räumlich ankommen: Wohnraum integrationsförderlich gestalten": Bei der Suche nach bezahlbarem Wohnraum dürfe es keine Bevorzugung geben, hieß es. Neiddebatten seien zu vermeiden. Zudem bräuchten Vermieter Sicherheit. Und rechtliche Aufklärung. Nachbarschaftliche Begegnungen sollten gefördert werden. Freiräume und Treffpunkte für die Begegnung seien zu schaffen. Zudem wurde über die optimale Zusammenarbeit zwischen Kommunen und Landratsamt diskutiert. Der Wunsch nach festen Ansprechpartnern in der Behörde wurden laut. Zudem müsse früher klar sein, wer kommt. Also wie sich die Gruppen zusammensetzen, die den Kommunen zugewiesen werden. Dann könne man sich vor Ort besser auf die Situation einstellen.
> "Sprachlich ankommen: Verständigung gemeinsam erreichen": Spracherwerb dürfe nicht bei den Deutschkursen enden, so ein Ergebnis dieser Arbeitsgruppe. Die Anwendung der Sprache sei wichtig und müsse in allen Bereichen möglich sein. Etwa beim Sport. Zudem seien auch hierfür Orte der Begegnung nötig.
> "Beruflich ankommen: Kompetenzen und Arbeitsmarktbedarfe zusammenbringen": Hier war der Titel der Arbeitsgruppe Ergebnis zugleich. Der Informationsaustausch zwischen den Akteuren müsse intensiviert werden, um Flüchtlinge in Lehre und Beruf zu bringen. Eine "Ausbildung nach Raster" dürfe es dabei nicht geben. Auf unterschiedliche Lerngeschwindigkeiten und Voraussetzungen, die die Bewerber mitbringen, müsse man Rücksicht nehmen. Ein "Erwartungsmanagement" vonseiten der Arbeitgeber sei ebenfalls erforderlich. (cab)
Die baden-württembergische Landtagspräsidentin, Muhterem Aras (Grüne), stimmte die rund 250 Teilnehmer eingangs auf die Konferenz ein. "Menschen, die zu uns kommen, müssen Dinge, die sie mitbringen, behalten dürfen: ihre Sprache und ihre Kultur zum Beispiel", sagte sie. Aras ließ keinen Zweifel daran, dass Heimat nur in einem Miteinander entstehen kann. Die Angekommenen sollten willkommen geheißen werden, sich aber auch den Grundwerten im Gastland Deutschland anpassen.
Das war auch bei der heutigen Landtagspräsidentin so, als sie mit zwölf Jahren als Bauernmädchen aus Ostanatolien mit ihrer Familie in einem Dorf auf den Fildern ankam. Der Kontakt mit einer befreundeten Landwirtsfamilie machte Deutschland für Aras und deren Geschwister "so nebenbei zur Heimat". Der Vater, ehemals Schafzüchter, ging nach Filderstadt in die Fabrik, die Mutter putzte bei den Freunden auf dem Bauernhof. Der Sonntag war heilig, was auch die muslimisch-alevitischen Kurden aus Anatolien schnell lernten.
Bei Ausflügen zu Museen oder zum Schnitzelessen war man immer mit dabei. Die Zuwendung der deutschen Familie wurde zu einem Integrationsprogramm für Muhterem. Und so bat Aras auch als hochrangige Politikerin mit Migrationshintergrund um eine gewisse Reifezeit, die man Neuankömmlingen zugestehen möge: "Wir wollen Heimat anbieten. Aber es müssen unsere Werte hier in Deutschland respektiert und akzeptiert werden", betonte sie.
Ein Islamunterricht in deutscher Sprache und von deutschen Lehrkräften, nicht aber von importierten Imamen, könnte bei der Integration Ziel hilfreich sein. Es müsse jedoch auch deutlich gemacht werden, "dass das Grundgesetz über allen Religionen steht".
Dass Integration Regeln brauche, betonte ebenso Landesjustizminister Guido Wolf (CDU) in seiner Rede. Von Flüchtlingen, "die kommen, um zu bleiben", dürfe man die Einhaltung des geltenden Rechts "ohne Wenn und Aber" erwarten. Unkenntnis schütze da nicht vor Strafe. Daher hat das Land eine neue Bildungsinitiative aufgelegt, die Wolf vorstellte. "Richtig ankommen - Rechtsstaat für Flüchtlinge" heißt der Kurs.
Dozenten sind Richter und Staatsanwälte, die eine entsprechende Qualifikation durchlaufen müssen. Die Volkshochschulen sind als Bildungspartner mit im Boot. Mit den ersten Kursen habe man gute Erfahrungen gemacht, so Wolf. Der Minister sieht in dem Programm auch eine Unterstützung für die Ehrenamtlichen vor Ort, die grundsätzlich der "professionellen Begleitung" in ihrer Integrationsarbeit bedürften.
Und dann gibt es noch die Integrationsmanager; für die Stellen können sich Kommunen und Landkreise in Baden-Württemberg seit gestern bewerben. "Gefragt sind Leute, die den Neuankömmlingen individuell helfen, und auch dabei, sich durch das oft unübersichtliche Dickicht an Angeboten zu kämpfen", sagte Joachim Pampel, Abteilungsleiter im Landesintegrationsministerium, bei einer Podiumsdiskussion.
Insgesamt 116 Millionen Euro stellt die schwarz-grüne Regierung für die Integrationsmanager - um die 1000 sollen es am Ende sein - in den kommenden zwei Jahren bereit. Pampel rechnet damit, dass die ersten Einstellungen im Herbst erfolgen. Jagoda Marinic, die Leiterin des Interkulturellen Zentrums in Heidelberg, wünschte sich, dass hierbei auch Menschen mit Migrationshintergrund und entsprechender sprachlicher Kompetenz zum Zuge kommen. In dieser Hinsicht sei Deutschland laut einer OECD-Studie Schlusslicht.
Die Deutsch-Kroatin blickte dabei auch in den mit Beamten, Mandatsträgern und Ehrenamtlichen gefüllten Saal. Das Auditorium sei "recht homogen" besetzt - ganz im Gegensatz zur Stadt Heidelberg, in der 45.000 Menschen mit Migrationshintergrund lebten. Ihre Generation, so die Autorin, wolle ein Teil von Deutschland sein. Und auch die Flüchtlinge - alleine 7000 sind 2015 und 2016 in den Rhein-Neckar-Kreis gekommen - sollten so gestellt werden, dass sie sich gesellschaftlich einbringen können.
Steffen Jäger vom Gemeindetag sprach mit Blick auf die Integration von einem Marathonlauf. Ob Spracherwerb oder berufliche Qualifikation - dafür brauche es Geduld. Sein Credo lautet: "Mit kleinen Schritten zum großen Erfolg." Dallinger nannte dafür einen Zeitrahmen von zehn Jahren. Schon deshalb will er die Integrationskonferenz "bei Gelegenheit" wiederholen.



