Hitzige Debatte in Schwetzinger Asylunterkunft

Landtags-Grüne, ehrenamtliche Helfer und Vertreter des Rhein-Neckar-Kreises tauschten sich in Schwetzingen aus.

14.01.2015 UPDATE: 14.01.2015 05:00 Uhr 2 Minuten, 47 Sekunden
Afrikaner bereiteten während des Besuchs eine Mahlzeit zu. Fotos: Lenhardt
Von Alexander Albrecht

Schwetzingen. Vor den Containern sind fröhliche Kinderstimmen zu hören. Ein Mädchen umkurvt mit ihrem Roller die Besucherschar, ein paar Jungs kicken, und drüben tollen die Kleinen im Sandkasten. Wenigstens sie haben ein wenig Spaß - ganz im Gegensatz zu ihren Eltern, die unter Krieg und Verfolgung gelitten haben. Menschen, die aus politischen oder religiösen Gründen ihre Heimatländer verlassen mussten und in Deutschland auf einen Neuanfang hoffen. Zunächst in Schwetzingen.

Der Arbeitskreis Integration der Grünen-Landtagsfraktion will mit ehrenamtlichen Helfern sowie Vertretern der Stadt und des Rhein-Neckar-Kreises die Situation in der Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge auf dem Parkplatz der ehemaligen Kilbourne-Kaserne unter die Lupe nehmen. Aktuell sind dort 337 Menschen untergebracht, Platz ist für maximal 353. Der Tross begibt sich in den sogenannten Verwaltungstrakt, wo vier Verwaltungskräfte, drei Sozialarbeiter und zwei Hausmeister ihre Büros haben. Exakt 31 Stellen habe der Rhein-Neckar-Kreis in den vergangenen beiden Jahren in den Asylunterkünften geschaffen, berichtet Landrat Stefan Dallinger. Und alleine 2014 zwei Millionen Euro für die Unterbringung der wachsenden Zahl von Flüchtlingen "draufgesattelt".

Manfred Both von der Schwetzinger Freiwilligenagentur überzeugen die Zahlen nicht. "Vor ein paar Wochen bin ich richtig krank gewesen. Hätte ich hier gelebt, wäre ich heute wahrscheinlich tot", sagt er. Both stört sich daran, dass alle sanitären Einrichtungen in einem Container konzentriert sind. Kranke Bewohner und Kinder müssten tagsüber und vor allem nachts bis zu 80 Meter und teilweise durchs Freie laufen, um sich zu waschen oder auf die Toilette zu gehen.

Kein Bewohner habe fließend Wasser im Zimmer. Sagt Both und blickt auf einen Afrikaner, der lediglich mit einem Handtuch um die Hüfte von der Sanitäranlage zum gegenüberliegenden Container trottet. Dallinger lehnt bauliche Veränderungen ab: "Das würde eine Riesenbaustelle geben." Stefan Becker, der Ordnungsamtsleiter des Rhein-Neckar-Kreises, kündigt an, dass die Container bald durch Zwischendächer miteinander verbunden werden sollen.

Und im Sommer wird es voraussichtlich einen Zugang zu der zwischen der früheren Kaserne und der Unterkunft gelegenen Grünfläche geben. Vor dem Container mit dem zweimal pro Woche geöffneten Tafelladen fegt ein als Ein-Euro-Jobber "angestellter" Bewohner den Hof. Drinnen ist der Boden dreckig. "Normalerweise sollte heute die Reinigungsfirma vorbeikommen, aber sie war offensichtlich noch nicht da", sagt Stefan Becker.

Durchweg freundlich empfangen die Bewohner die Gäste, manche von ihnen zeigen ihre kargen Zimmer. Letzte Station des Rundgangs ist einer von zwei Sozialräumen. Die Teilnehmer nehmen Platz - und sprechen Klartext. Und wieder ist es Both, der die aus seiner Sicht menschenunwürdige Situation in der Unterkunft anspricht. Dallinger verweist auf den Druck, den der Rhein-Neckar-Kreis beim Aufbau der Anlage hatte. Lediglich ein halbes Jahr sei dafür Zeit gewesen. Währendessen konnte der Kreis den Großteil der Flüchtlinge in der Ladenburger Alten Martinsschule unterbringen. Dallinger räumt aber auch ein, dass die Struktur des Schwetzinger Asylbewerberheims nicht ideal sei. Der Kreis setze normalerweise "andere Standards". Die Unterkunft ist bis Ende des Jahres befristet. Eine Nachfolgelösung soll laut Dallinger in den nächsten Monaten erarbeitet werden. Die Ehrenamtler gehen jedoch davon aus, dass die Flüchtlinge länger in dem Containerdorf untergebracht werden.

Der Vorsitzende des Grünen-Arbeitskreises, der Landtagsabgeordnete Daniel Lede Abal, meint: "Aus meiner Erfahrung mit dem Thema Asyl weiß ich, dass Provisorien meist länger bleiben als geplant." Vor diesem Hintergrund fordert Jutta Fischer-Fritsch, Parlamentarische Beraterin der Grünen-Landtagsfraktion, vom Landrat ein Konzept, wie es im Rhein-Neckar-Kreis weitergehen soll und moniert, dass in Schwetzingen manche Dinge schiefgegangen seien.

Dallinger geht an die Decke. "Jetzt muss ich doch mal dazwischengrätschen", zürnt er. Ob Fischer-Fritsch überhaupt wisse, wie die Landkreise arbeiteten. Die würden erst sehr kurzfristig erfahren, wann und wie viele Flüchtlinge sie aufnehmen müssten. Nicht zu vergessen die Verhandlungen mit den Kommunen, die die rechtlichen Voraussetzungen für den Bau von Unterkünften in die Wege leiten würden.

Die Debatte ist hitzig und leidenschaftlich. Both und andere Freiwillige lassen nicht locker. Sie kommen auf die Ärzte zu sprechen, die in der Unterkunft eine Sprechstunde anbieten wollten, was ihnen das Landratsamt untersagte. Dallinger kann Both nicht entgegenkommen und lehnt den Wunsch aus haftungsrechtlichen Gründen weiterhin ab. Außerdem müssten sich die Flüchtlinge in der Gesellschaft zurechtfinden, eigenständige Arztbesuche inklusive. Und es sei ja nicht so, dass Mediziner bei Bedarf nicht aufs Gelände dürften. Becker sekundiert: "An anderen Standorten im Kreis ist das kein Problem."

Einig wird man sich zwar nicht, trotzdem finden es am Ende alle Beteiligte gut, miteinander gesprochen zu haben. Immerhin.

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