Hirschlanden: Ein Dorf baut seine Zukunft selbst
Bürger von Hirschlanden betreiben in Eigenregie Dorfgaststätte, Museum und Dienstzentrum - Sieg bei Landeswettbewerb

Ortsvorsteher Martin Herrmann (l.) und Dekan Rüdiger Krauth präsentieren das neue Ortsschild, das auf den Landessieg beim Wettbewerb "Unser Dorf hat Zukunft" hinweist. Foto: Casel
Von Joachim Casel
Hirschlanden. Man fühlt sich unweigerlich an das kleine gallische Dorf bei "Asterix und Obelix" erinnert, wo eine kleine unbeugsame Gruppe allen Widrigkeiten des Lebens trotzt, gemeinsam viel bewegt und am Ende immer als stolzer Sieger dasteht. Einen grandiosen Sieg errang jüngst auch das kleine Hirschlanden. Das 420-Einwohner-Dorf im Neckar-Odenwald-Kreis, ein Ortsteil der Gemeinde Rosenberg, holte sich beim Wettbewerb "Unser Dorf hat Zukunft" gegen starke Konkurrenz sensationell den Landestitel.
Mit einem stimmigen Konzept, das zahlreiche Maßnahmen beinhaltet, um dem Ausbluten des Dorfs entgegenzuwirken, überzeugte man die Jury und setzte sich am Ende souverän durch. Was macht Hirschlanden zu etwas Besonderem im Musterländle? Was macht das Dorf zur Nummer eins in Baden-Württemberg? Die Rhein-Neckar-Zeitung machte sich vor Ort auf Spurensuche.
Ortsvorsteher Martin Herrmann zeigte bei einem Rundgang "sein" Hirschlanden und die Errungenschaften, die hier in den letzten Jahren dank des enormen Einsatzes der Bevölkerung entstanden sind. Besonders stolz ist er darauf, dass sich von den 420 Bürgern 310 (!) bei verschiedenen Arbeitseinsätzen gehörig ins Zeug gelegt haben. Neben den umfangreichen Eigenleistungen (37 000 Stunden in 22 Jahren) erwirtschaftete die Dorfgemeinschaft bislang 500 000 Euro, die komplett in die Ortsentwicklung flossen. Wichtigste Finanzquelle waren hierbei neben Fördermitteln die regelmäßig von 5000 bis 10 000 Menschen besuchten Dorffeste, die aufgrund von außergewöhnlichen Wettbewerben bundesweit für Schlagzeilen sorgten - darunter die Schrei-WM, ein Dackelrennen oder der Wertstofftonnenwettlauf. Auch beim Mistgabel-Weitwurf herrscht Gaudi pur.
Der Rundgang mit dem Ortsvorsteher beginnt am Dorfgemeinschaftshaus. Und das ist sicherlich kein Zufall, denn das gänzlich selbst finanzierte und in Eigenleistung der Bürgerschaft gebaute Gebäude gilt als "Mutter" aller Baumaßnahmen in Hirschlanden. Der Bau in den Jahren 1994 bis 1996 war Initialzündung für alle weiteren Weichenstellungen im Ort. Und es ist mit Ausgaben in Höhe von insgesamt rund 800 000 Euro auch das kostenintensivste Gebäude Hirschlandens. Rund 11 000 Stunden Eigenleistung stecken in dem Bau.
Daneben steht das Jugendhaus, das fast alle Preise gewonnen hat, die es für solche Einrichtungen zu gewinnen gibt. Der tatkräftige Einsatz der Bürger ließ hier eines der schönsten Zentren für junge Leute in der Region entstehen. Ganz in der Nähe ist der Dorfplatz. Die atmosphärische Anlage mit Brunnen, Insektenhotel und Sitzgelegenheiten ist in den warmen Monaten beliebter Dorftreff.
Daran schließt sich in der Ringstraße quasi das kirchliche Leben an. Hier - mitten im Ort - begegnen wir Dekan Rüdiger Krauth, seit dem Jahr 2000 das geistliche Oberhaupt der überwiegend protestantischen Bürger im Ort. Hirschlanden ist Sitz des Kirchenbezirks Adelsheim-Boxberg der Evangelischen Landeskirche in Baden. Krauth und Herrmann sind die treibenden Kräfte für vielfältige Aktivitäten rund um das Thema "Unser Dorf hat Zukunft".
Gegenüber der Kirche mit der schmucken Barock-Orgel, die vor acht Jahren dank zahlreicher Spenden saniert werden konnte, stehen das Pfarrhaus mit Dekanatssitz und das Evangelische Gemeindehaus (für 90 000 Euro renoviert). Und hier ist auch die Wiege vieler ehrenamtlicher Dienste, die die Gemeinschaft im Ort fördern, wie ein Mittagstisch für Senioren, das Erzählcafé und der Einkaufsservice.
Der Ringstraße weiter folgend kommt man an den neuen modernen Spielplatz. Auf der anderen Seite der Straße steht das Rathaus-Museum, eines der wichtigsten Gebäude im Ort. Das frühere Verwaltungsgebäude wird heute als Museum, Gaststätte und Brauerei vielfältig genutzt. Bei dem Umbau packte die ganze Dorfgemeinschaft mit an. In der anerkannt kleinsten Zollbrauerei Deutschlands stellen die Hirschlandener ihren "Zaubertrank" her, das Hirsch-Bräu, das sich im weiten Umkreis großer Beliebtheit erfreut.
Gegenüber befindet sich derzeit noch eine Bushaltestelle. Nach den Plänen der Hirschlandener soll dort aber bereits im Frühjahr der neue Generationentreff stehen. Das an einer Seite offene Gebäude im Ortszentrum soll alle Altersschichten vereinen. Als weiteres großes Ziel möchte die Dorfgemeinschaft in den nächsten vier Jahren ein Mehrgenerationenhaus verwirklichen, mit Dorfladen, Friseur und Pflegeeinrichtungen.
Am Ortsausgang befindet sich der Kindergarten von Hirschlanden. Vor einigen Jahren war die Einrichtung noch von der Schließung bedroht, aber durch intensive Werbung und ein neues Konzept haben sich die Kinderzahlen kontinuierlich nach oben entwickelt. Heute ist der Kindergarten "Unterm Regenbogen" - nicht zuletzt wegen seiner einzigartigen Tierpädagogik - auch bei Eltern umliegender Dörfer sehr beliebt. Dank der in einem Gehege gehaltenen Ziegen lernen die Kleinen schon früh Sozialverhalten. Hier endet der Rundgang, der interessante Einblicke in das emsige Wirken einer Dorfgemeinschaft geboten hat. Unter dem Leitbild des Mehrgenerationendorfes wurde ein Prozess in Gang gesetzt, der es sich zum Ziel setzt, dass sich alle Menschen beteiligen können. Es ist beeindruckend, was hier geschaffen wurde und wie sich der Rosenberger Ortsteil für die Herausforderungen von Gegenwart und Zukunft wappnet.
Das legt den Schluss nahe, dass es Hirschlanden - genau wie das gallische Dorf - vermag, auch schwere Stürme zu überstehen und den Ort lebenswert zu gestalten. Für das im nächsten Jahr anstehende Bundesfinale des Wettbewerbs "Unser Dorf hat Zukunft" ist man jedenfalls bestens gerüstet.
Hierfür stammt das Motto aber nicht mehr aus "Asterix und Obelix", sondern aus einem anderen nicht minder bekannten Comic namens "Bob der Baumeister". Und das heißt: "Bundesfinale - Jo, wir schaffen das!"



