Explosion bei BASF: "Es hätte nicht passieren dürfen"
BASF informierte Ludwigshafener Bürger über das Explosionsunglück - Rolle der Fremdfirma diskutiert - Kritik an Vorstandschef Bock

Bei und nach der Explosion auf dem BASF-Gelände kamen drei Werkfeuerwehrleute und ein Matrose ums Leben. Einer der noch vier Schwerverletzten konnte jetzt das Krankenhaus verlassen. Foto: dpa
Von Alexander Albrecht
Ludwigshafen. Der Anlass des Bürgerdialogs im Bürgerhaus Oppau ist traurig, doch am Rande der Informationsveranstaltung zum Explosionsunglück bei der BASF vor knapp sieben Wochen gibt es eine gute Nachricht: Von den noch vier schwerverletzten Mitarbeitern des Chemiekonzerns hat jetzt einer das Krankenhaus verlassen können. Das sagt eine Unternehmenssprecherin gegenüber der RNZ.
Im Foyer bitten ihre Kollegen die Besucher darum, mit Hilfe von Klebepunkten die Wichtigkeit von neun vorgegebenen Fragen zu bewerten. An erster Stelle steht: Wie kam es zu dem Unfall? Die Frage wird am Donnerstagabend nicht beantwortet. Oder, wie BASF-Vorstandsmitglied Margret Suckale sagt: "Wir können uns das nicht erklären." Werkleiter Uwe Liebelt ergänzt ratlos: "Es hätte nicht passieren dürfen."
Fakt ist: Der Mitarbeiter einer Fremdfirma hat am 17. Oktober im Industriehafen Nord fälschlicherweise eine Leitung mit brennbarem Buten-Gemisch angeschnitten. "Ein sauber angesetzter Schnitt von 15 Zentimeter Länge", so Liebelt. Die Leitung brennt, die Flammen übertragen sich auf eine Ethylen-Leitung. Diese wird aus der Verankerung herausgerissen und 30 Meter nach hinten geschleudert - wo die Werkfeuerwehr gerade die Wasserwerfer postiert hat.
Drei Wehrleute der BASF und ein Matrose sterben. 29 Menschen werden verletzt, sieben von ihnen schwer. In mehreren Fragerunden fühlen die rund 350 Besucher den BASF-Verantwortlichen auf den Zahn. Zunächst geht es um die Rolle der Fremdfirma. Liebelt erklärt ausführlich das Prozedere. Danach werden die Rohrleitungsarbeiten regelmäßig fünf bis sechs Monate vorher von BASF-Managern geplant.
Es werden Dokumente und Skizzen beschafft. In dem folgenschweren Fall sei der Auftrag an eine Spezialfirma aus der Region gegangen, die vor 25 Jahren einen Rahmenvertrag mit dem Chemieriesen abgeschlossen hat und seit 75 Jahren auf dem Firmengelände beschäftigt wird.
Die beiden eingesetzten Mitarbeiter hätten Deutsch gesprochen, erklärt Liebelt. Sie sollten in dem Rohrgraben eine Propylenleitung reparieren, die zuvor von BASF-Leuten mit Stickstoff komplett geleert worden sei. Alle Leitungen seien gekennzeichnet gewesen, der erste Schnitt erfolge immer nach dem Sechsaugenprinzip. Ein erfahrener BASF-Montagekoordinator sei alle zwei bis drei Stunden lang vor Ort gewesen. Auch hätten entsprechende Arbeitserlaubnisscheine und Gefährdungsbeurteilungen unterschrieben vorgelegen.
An den ersten beiden Tagen geht alles gut. Routine. Am dritten kommt es zur Katastrophe. Sowohl die Butengemisch- als auch die Ethylenleitung neben der Propylenleitung seien nach den bisherigen Erkenntnissen durch Branddecken geschützt gewesen, sagt Liebelt. Und die Staatsanwaltschaft habe bei den bisherigen Ermittlungen keine Fehler in den Arbeitsprozessen ausmachen können. Hatte die BASF also alles richtig gemacht?
Im Publikum kommen vereinzelt Zweifel auf. Eine Frau schimpft, der Konzern setze viele Leiharbeitsfirmen ein. Gute Arbeit koste aber Geld. Suckale sagt, die Mitarbeiter der externen Spezialunternehmen bekämen mindestens Mindestlohn. Überhaupt müssten sich diese mittelständisch geprägten Firmen in einem komplizierten Verfahren erst einmal bewähren, bevor sie auf dem Gelände verantwortlich arbeiten dürften. Die Besucherin schaut mürrisch und ärgert sich wie andere darüber, dass sich der BASF-Vorstandsvorsitzende Kurt Bock nach dem Unglück kaum in der Öffentlichkeit gezeigt habe. Auch dem Bürgerdialog ist er fern geblieben. Suckale verteidigt den Chef und spricht von einer festen Arbeitsteilung. Bock sei immer präsent gewesen, habe mit Feuerwehrleuten gesprochen, eine interne Videobotschaft versandt und einen Brief an die BASF-Mitarbeiter geschrieben. Und er habe viele Nächte nicht schlafen können.
Liebelt kündigt an, das Unternehmen werde über den verstärkten Einsatz von Kaltschneidewerkzeugen nachdenken. Einerseits. Andererseits: "Irgendwann wird geschweißt." Ein Teilnehmer betont, er finde es bedenklich, dass die genaue Ursache immer noch nicht feststehe. Ein anderer nimmt den Mitarbeiter der Fremdfirma aus der Schusslinie. Der Mann wisse sicher, dass er einen großen Fehler gemacht habe, und werde mit dieser Last leben müssen. "Menschliches Versagen wird es immer geben."
Der Beschuldigte schweigt bislang zu den Vorwürfen.