Eberstadts Tropfsteinhöhle ist für sie fast wie ein zweites Zuhause

"Was die Natur fertigbringt, das fasziniert mich ganz arg": Irene Prokosch führt seit 40 Jahren die Besucher durch den unterirdischen Hohlraum in Eberstadt.

29.09.2014 UPDATE: 29.09.2014 06:00 Uhr 2 Minuten, 6 Sekunden
Ihr Markenzeichen ist die rote Jacke: Irene Prokosch in 'ihrer' Höhle. Foto: Anspach
Von Christine Cornelius

Buchen. Wenn Irene Prokosch die Tropfsteinhöhle betritt, die kühle Luft einatmet und die glitzernden Gebilde betrachtet, ist sie noch immer überwältigt. Fast wie beim ersten Mal vor mehr als 40 Jahren. Seither führt die heute 75-Jährige Besucher durch die Touristenattraktion in einem stillgelegten Steinbruch im Buchener Stadtteil Eberstadt.

"Was die Natur fertigbringt, das fasziniert mich ganz arg", sagt sie. "Der Mensch ist eine Eintagsfliege gegen die Natur hier." Die Höhle sei inzwischen fast wie ein zweites Zuhause für sie. Prokosch macht jeden Dienstag Führungen und springt auch bei Bedarf ein. Inzwischen denkt sie hin und wieder ans Aufhören, aber der Gedanke schmerzt. "Ich hab' die Höhle ins Herz geschlossen und deshalb bin ich noch da."

Kulturamtschef Wolfgang Mackert möchte nur ungern auf Prokosch verzichten: "Sie ist die gute Seele der Tropfsteinhöhle." Ihr Markenzeichen ist die rote Jacke. "Das ist mein Höhlenanorak, den habe ich schon ewig." Draußen trage sie ihn nie. Ein etwa 600 Meter langer Weg schlängelt sich durch die Tropfsteinhöhle, vorbei an Prokoschs Lieblingsstelle: Ehrfürchtig steht sie vor der weißen rund vier Meter hohen Tropfsteinform, die wegen ihres Aussehens "Hochzeitstorte" genannt wird. "Sie soll fast eine Million Jahre alt sein", erzählt die Höhlenführerin. Einmal habe sie die Torte mit einer Bürste von Algen befreit. "Nur mit Wasser, wir haben kein Mittel reingetan", versichert sie schnell. Fachleute schätzen das Alter der Tropfsteinhöhle auf ein bis zwei Millionen Jahre. Ihre Entdeckung war 1971 reiner Zufall: Eine Routinesprengung legte damals in der Steinbruchwand unerwartet eine größere Öffnung frei.

Prokosch erinnert sich noch genau: "Die Begeisterung war riesig. 16 Eberstädter haben die Höhle in 7000 Arbeitsstunden ausgebaut." Als junge Mutter sei sie damals mit dem Kinderwagen in die Höhle vorgedrungen. "Jeder wollte mal rein." Sie habe stundenweise Zeit gehabt und so sei schnell klar gewesen, dass sie Führungen übernehmen könne, erzählt Prokosch. "Ich kannte mich damit nicht aus, aber ich habe mich informiert."

Der Landesverband für Höhlen- und Karstforschung Baden-Württemberg zählt im Südwesten 14 Schauhöhlen, nach Verbandsangaben mehr als in jedem anderen Bundesland. Das Eberstadter Exemplar zeige besonders schöne Tropfsteine, sagt der Geologe Matthias Franz vom Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau. "Für die Region ist es eine der herausragenden Höhlen." Sehr viele Tropfsteinhöhlen im Land seien nicht öffentlich zugänglich, weil der Einstieg problematisch sei. Kulturamtschef Mackert zufolge kommen jährlich rund 70.000 Besucher in die Höhle. Einen Helm muss hier niemand tragen. "Weil wir nachweisen können, dass hier noch nie etwas runtergekommen ist."

Für beeindruckende Höhlen ist im Südwesten ansonsten vor allem die Schwäbische Alb bekannt. Dort gibt es mehr als 2000, die schönsten sind für Besucher zugänglich. Mit 587 Metern gilt die Charlottenhöhle in Giengen an der Brenz (Kreis Heidenheim) als längste begehbare Tropfsteinhöhle der Alb. Etwa 40.000 Touristen bewundern dort jedes Jahr die Tropfsteinformationen.

In Buchen bleibt Irene Prokosch vor der "Höhlenorgel" stehen. "Hören Sie mal, sie klingen", sagt sie und klopft mit dem Fingerknöchel gegen die Tropfsteine, die von der Decke herunterhängen, die sogenannten Stalaktiten. In der ruhigen Höhle entfaltet der Klang eine ganz besondere Wirkung.

Neben der Ruhe genießt Prokosch die gute Luft, die auch eine gesundheitsfördernde Wirkung haben soll. Mackert sagt schmunzelnd: "Was meinen Sie, warum Irene noch so fit ist?"

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