Drei Bürgermeister-Abwahlen auf einen Schlag - aber warum?
Bürgermeister aus dem Rhein-Neckar-Kreis rätseln über die Gründe ihrer Niederlagen - Experte sieht "nicht so dramatischen" Trend

Wechsel in Meckesheim: Hans-Jürgen Moos (l.) und Wahlsieger Maik Brandt Fotos: Alex (2), len
Von Alexander Albrecht und Christoph Moll
Rhein-Neckar. Das hat es im Rhein-Neckar-Kreis noch nie gegeben und sucht bundesweit seinesgleichen: Bei den letzten drei Bürgermeisterwahlen haben - innerhalb einer Woche - die Amtsinhaber ihren Posten verloren. Müssen jetzt sämtliche Rathauschefs in der Region vor den kommenden Wahlen Blut und Wasser schwitzen? Tatsächlich habe die Bereitschaft zugenommen, Bürgermeister abzuwählen, sagt der Tübinger Politikwissenschaftler Hans-Georg Wehling. "Aber es ist noch nicht so dramatisch."
Hintergrund
Kommentar von Alexander Albrecht
Noch vor wenigen Jahren saß ein Bürgermeister im Südwesten sicher im Sattel - wenn er sich in seiner Amtszeit nichts Großes zuschulden kommen ließ. So gesehen hätten zumindest Horst Althoff in Neckargemünd und Jürgen Schmitt in
Kommentar von Alexander Albrecht
Noch vor wenigen Jahren saß ein Bürgermeister im Südwesten sicher im Sattel - wenn er sich in seiner Amtszeit nichts Großes zuschulden kommen ließ. So gesehen hätten zumindest Horst Althoff in Neckargemünd und Jürgen Schmitt in Plankstadt wiedergewählt werden müssen. Sie haben im Gegensatz zu ihrem Meckesheimer Kollegen Hans-Jürgen Moos nie polarisiert.
Doch die Zeiten haben sich geändert, die Bürger sind kritischer geworden und schauen genauer hin. War der Rathauschef beim Vereinsfest oder verschanzt er sich in seinem Dienstzimmer und lässt sich nur während des Wahlkampfs blicken? Nimmt er die Sorgen der Menschen ernst oder argumentiert er oberlehrerhaft? Ist er sympathisch und glaubwürdig?
Oft wiegen bei Bürgermeisterwahlen menschliche Charakterzüge schwerer als die konkrete Sachpolitik. Eine Studie kommt zu dem Schluss: Die Wähler wollen sich mit dem Stadt- oder Gemeindeoberhaupt identifizieren, gleichzeitig braucht er Anführerqualitäten - ohne überheblich zu wirken.
Und selbst, wer diese Voraussetzungen mitbringt, hat den Sieg noch längst nicht in der Tasche. Denn oft gehen viele zufriedene Menschen erst gar nicht zur Urne, getreu dem Motto: Dem Bürgermeister kann ja sowieso nichts passieren. Und dann siegt möglicherweise der Gegenkandidat - aus Protest oder weil er den Wählern tatsächlich als der Bessere erscheint.
Althoff und Schmitt haben die Wechselstimmung offenbar nicht oder zu spät gespürt, vielleicht "Warnsignale" überhört oder nicht für voll genommen. Das kann passieren: Bürgermeister haben einen kräftezehrenden Job, der kaum Zeit zum Reflektieren lässt.
Moos dagegen hat sich mit seinen Kapriolen immer weiter von "seinen" Meckesheimern entfernt. Er kandidierte für andere Ämter und gab in der "Gewerbesteueraffäre" keine gute Figur ab. Über 600.000 Euro an Steuern gingen der Gemeinde verloren, der Ex-Kämmerer wurde verurteilt. Dass auch Moos jetzt seinen Job los ist, sollte ihn nicht wundern.
Wenn die Bürgermeister allerdings den Kontakt zum Volk verlören, sei das fatal. Diesen Schuh will sich Horst Althoff nicht anziehen. Seine Wahlniederlage in Neckargemünd hatte sich schon im ersten Wahlgang angedeutet, als er nur 43 Prozent erhielt. So konnte sich mit Frank Volk (Freie Wähler) der Herausforderer des CDU-Politikers durchsetzen, obwohl dieser auf harte Bandagen verzichtet hatte. Althoff war sein Amt los - nach 16 Jahren. Und trotz der Unterstützung von drei der vier Parteien.
Beobachter meinten, dass der 53-Jährige im Wahlkampf zu wenige Emotionen gezeigt habe. "Gegen mich war eigentlich keiner", hält Althoff dagegen. "Die Leute haben mich nicht abgewählt, weil sie unzufrieden sind, sondern weil sie ein neues Gesicht wollten." Vielleicht täuscht sich der Jurist aber auch. "Wenn jemand so lange im Amt ist, trauen sich die Menschen meist nicht mehr, ihm etwas Kritisches zu sagen. Die Bürgermeister wissen dann nicht, ob und wie sie in der Bevölkerung ankommen", weiß Wehling.
Althoff sagt, er habe sich nichts vorzuwerfen und im Wahlkampf alles versucht: "Erstwähler- und Bürgerbrief, Vor-Ort-Termine, Plakate, Flugblätter - mehr kann man nicht machen." Wer sich einer Wahl stelle, müsse mit jedem Ergebnis rechnen. "So ist das halt eben, das ist völlig okay." Mit seinem Abschneiden könne er "erhobenen Hauptes" das Rathaus verlassen. Möglicherweise habe sich Althoff zu sehr auf seine Leistungsbilanz in den vergangenen 16 Jahren verlassen, glaubt Wehling. "Die Bürger interessiert viel mehr, was er für Ideen in der Zukunft hat", ist der Politologe überzeugt.
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Althoffs abgewählter Plankstadter Kollege Jürgen Schmitt hatte es nie sonderlich einfach. Er bekam es im Laufe der Jahre mit einem zerstrittenen Gemeinderat zu tun, der mitunter vorher getroffene Absprachen torpedierte. Darin sieht er auch einen Grund für seine Niederlage: "Ich glaube, man hat mir den häufigen Knatsch angelastet."
Übel nahm ihm ein Teil der Plankstadter zudem, dass er in Wiesloch wohnte und sich als stellvertretender Landesvorsitzender der Freien Wähler engagierte. "Manchmal entsteht dann der Eindruck, der Bürgermeister vernachlässige den eigenen Ort", sagt Wehling. Schmitt hatte nach eigenen Angaben im Endspurt des Wahlkampfs rund 600 Haushalte besucht. Eine Wechselstimmung sei nicht spürbar gewesen. Und doch entschieden sich die Plankstadter am Ende anders und wählten unter fünf Bewerbern bereits in der ersten Runde den von SPD und CDU unterstützten Kreiswirtschaftsförderer Nils Drescher zum neuen Bürgermeister.
In Meckesheim machten gerade einmal 100 Stimmen den Unterschied. In der Elsenztalgemeinde hatten die Bürger die Wahl zwischen zwei völlig unterschiedlichen Charakteren: auf der einen Seite der rastlose Amtsinhaber Hans-Jürgen Moos (SPD), auf der anderen der ruhige Herausforderer Maik Brandt (CDU) aus Reichartshausen. Die beiden lieferten sich vor allem in der Woche vor der Wahl einen harten Wahlkampf.
Letztlich entschied sich eine knappe Mehrheit für einen anderen Stil an der Rathausspitze. Auch Moos macht sich keine Vorwürfe: "Ich habe im Wahlkampf viele Register gezogen und gezeigt, dass ich Lust habe, weiterzumachen." Entscheidend seien wohl die Hausbesuche seines Herausforderers gewesen, meint Moos. Aber auch der "Stuss", der über ihn verbreitet worden sei. Und vielleicht seien auch seine Kandidaturen bei anderen Wahlen im Nachhinein ein Fehler gewesen.



