Häme und Buh-Rufe für Sanierungs-Planer
Bei der Bürgerinfo schlug dem RP Feindseligkeit entgegen - Emotionen kochten hoch

Die Bürgerinfo-Veranstaltung im John-Deere-Forum war so gut besucht, dass nicht alle der etwa 350 Anwesenden einen Sitzplatz fanden. Foto: Gerold
Von Olivia Kaiser
Mannheim. Als bekannt wurde, dass für die Ertüchtigung des Mannheimer Rheindamms mindestens 1000 Bäume gefällt werden müssen, waren vor allem die Anwohner der betroffenen Stadtteile Lindenhof, Almenhof und Neckarau schockiert. Denn der Waldpark ist eins von Mannheims schönsten Naherholungsgebieten.
Schnell formierte sich Widerstand in Form der Bürgerinteressengemeinschaft (BIG) Lindenhof. Bereits 20.000 Unterschriften haben sie in einer Petition gesammelt. Bei der Bürgerinfo-Veranstaltung am vergangenen Freitag im John-Deere-Forum stellten die Planer des Regierungspräsidiums (RP) Karlsruhe die Planungen zur Sanierung vor, und die circa 350 anwesenden Bürger hatten Gelegenheit Fragen zu stellen. Dabei ging es hoch emotional zu, die vierstündige Veranstaltung drohte mehrfach aus dem Ruder zu laufen.
Warum ist der Widerstand so massiv? Viele Anwohner befürchten, dass das RP bei der Sanierung den einfachsten Weg wählt und deshalb so viele Bäume der Axt zum Opfer fallen sollen. Sie werfen dem RP zudem vor, ein Klima der Angst zu verbreiten und Dinge zu verdrehen. So wurde bei der Präsentation ein Damm in Neuss gezeigt, aber das Folgefoto mit umgestürzten Bäumen zeigte - unschwer zu erkennen - Düsseldorf.
"Das trägt nicht zur Vertrauensbildung bei", betonte Wolf-Reiner Lowack von der BIG. Viele Bürger können nicht verstehen, dass jahrelang auf dem Damm Bäume gepflanzt wurden, die nun schädlich sein sollen. Andere befürchten, dass sich die Luftqualität in Mannheim verschlechtern könnte.
Auch interessant
Im RP hat man mit Gegenwind gerechnet, doch die offene Feindseligkeit, die den Planern von manchem Besucher entgegen schlug, war erschreckend. Sichtlich wohlsituierte Bürger im besten Alter störten mit Zwischenrufen die Präsentation, obwohl viel Raum für Fragen eingeplant war.
Versuchten die Planer dann auf gestellte Fragen zu Antworten, schnitt man ihnen erneut das Wort ab. Ihre Ausführungen wurden hämisch kommentiert, es gab Buh-Rufe. Die Moderatorin hatte ihre liebe Mühe die Ordnung zu wahren und musste die Besucher gar ermahnen, dass es ein Gebot der Höflichkeit sei, dem Gegenüber den nötigen Respekt zu zollen, auch wenn man nicht seiner Meinung sei.
Was ist so besonders am Mannheimer Rheindamm? Der Rheindamm beginnt am Großkraftwerk in Neckarau und führt auf einer Länge von circa 3,5 Kilometern bis zur Speyerer Straße im Stadtteil Lindenhof. Im Lauf der Zeit ist ein Auenwald entstanden, der am Rhein normalerweise so nicht vorkommt.
Bei der Untersuchung durch den Landesbetrieb Gewässer im RP Karlsruhe im Jahr 2015 stellte sich heraus, dass der Damm marode ist. Er steht mit zwei Dämmen in Karlsruhe ganz oben auf der Prioritätenliste des Hochwasserschutzes. Es geht in Mannheim um die Abwägung zwischen Hochwasser- und Naturschutz.
Was sagt das RP? Die Verantwortung liegt beim Landesbetrieb Gewässer im RP Karlsruhe. Referatsleiter Armin Stelzer war mit seinem Planungsteam am Freitag nach Mannheim gekommen. Er wisse um die besondere Bedeutung des Waldparks für die Mannheimer, betonte er. Man wolle nicht einfach leichtfertig die Bäume abholzen.
Allerdings sei in Mannheim aufgrund der Bevölkerungsdichte und der Industrieanlagen ein besonders hoher Schutzgrad einzuhalten. Sollte der Damm brechen "wären die Auswirkungen fatal", so Stelzer. "Neckarau stünde in kurzer Zeit vier Meter unter Wasser.
Was ist geplant? Der Damm soll so ertüchtig werden, dass er die Stadt für die nächsten 80 bis 100 Jahre vor Überflutungen schützt. Die Dammstrecke wurde in sechs Bauabschnitte aufgeteilt: Großkraftwerk (1), Sportanlagen (2), Dammbegradigung (3), Kleingärten (4), Wohnbebauung (5) und Stadt Mannheim (6). Der Damm wird so stabil gemacht, das er den Wassermassen trotzen kann. Dort wo er nicht hoch genug ist, wird entsprechend aufgeschüttet.
Zudem wird ein durchgängiger Dammverteidigungsweg auf der Landseite gebaut, der heute nur teilweise existiert und oft viel zu schmal ist. Im Fall einer Flut wird auf diesem Weg sämtliches Sicherungsmaterial wie beispielsweise Sandsäcke transportiert. Zudem muss eine baumfreie Zone eingerichtet werden.
Wie viel Bäume müssen gefällt werden? Die genaue Zahl steht zum jetzigen Planungszeitpunkt noch nicht fest. Zunächst lautete die Auskunft aus dem Regierungspräsidium, dass es sich um etwa 1000 Bäume handle. Bei der Info-Veranstaltung gab Jan-Christoph Walter, Referent Dammertüchtigung, jedoch zu, dass es sich um 1000 großstämmige Bäume handelt.
Das bedeutet, dass es insgesamt mehrere Tausend Bäume sein können, die nach dem Willen des RP weichen müssten. Die Dammbegradigung soll helfen, Bäume zu erhalten.
Müssen die Bäume wirklich gefällt werden? Die Experten des RP sagen, dass neue Erkenntnisse, die durch die starken Hochwasser der vergangenen Jahre gewonnen wurden, zeigen, dass Bäume den Damm destabilisieren können. Lowack führte Experten an, die sagen, dass die Baumwurzeln den Damm stabilisieren. Das RP hat zwar das Institut für Boden- und Felsmechanik des Karlsruher Instituts für Technik beauftragt, ein Gutachten zu erstellen, allerdings ist es ein geologisches und kein Baumgutachten.
Da viele Bürger die Befürchtung haben, ein Gutachten des RP sei nicht neutral, fordern sie einen externen Gutachter, der bestimmen soll, ob die Baumwurzeln dem Damm schaden. "Das würde ich dann auch akzeptieren", betonte Lowack. Bei der Sanierung kommen auch Spundwände zum Einsatz, um steilere Böschungen zu ermöglichen - vor allem nahe von Wohnbebauung.
Mit mehr Spundwänden könnten mehr Bäume stehen bleiben, aber: Die normale Bauweise des Damms ist ein Erdbauprofil und kostet 2600 Euro pro Meter. Eine Spundwand sei 2000 Euro teurer, gab Stelzer zu und verwies auf die Pflicht seiner Behörde zur Sparsamkeit.
Was sagt die Stadt Mannheim? "Dass der herrliche Auenwald leidet, treibt uns alle um", erklärte Umweltbürgermeisterin Felicitas Kubala (Grüne). Die Stadtverwaltung ist in die Planungen nicht involviert. Allerdings muss das RP den Antrag auf Planfeststellung bei der Stadt Mannheim einreichen. Kubala bremste die Erwartung des RP, dass der Antrag dieses Jahr noch gestellt werden könne.
Für sie sind auch nach der Informationsveranstaltung einige Fragen offen - vor allem was die Spundwände und die baumfreien Zonen angehe. Gegebenenfalls werde man Gutachten in Auftrag geben. "Gründlichkeit geht hier vor Schnelligkeit", betonte Kubala.



