Matrazenburgen sanieren, ohne jemanden "rauszuekeln"
Marcel Hauptenbuchner kauft Problem-Immobilien in der Neckarstadt-West und saniert sie. Ein Rundgang durchs Quartier.

Von Olivia Kaiser
Mannheim. Mit der mintgrünen Fassade sticht das Haus Lutherstraße 25 unter den Klinkerbauten heraus. Im Erdgeschoss ist ein Café untergebracht, die Fassade ist begrünt. Das Gebäude am Neumarkt gehört der Immobilienfirma Hildebrandt und Hees, die baufällige Wohnhäuser in der Neckarstadt-West aufkauft, renoviert und dann vermietet. Deshalb ist das Unternehmen im Stadtteil nicht unumstritten. Der Vorwurf: Durch diese Praxis werden alteingesessene weniger solvente Mieter verdrängt, Wohnraum mit Trendgastronomie ersetzt.
Marcel Hauptenbuchner, Geschäftsführer von Hildebrandt und Hees, führt das Gebäude in der Lutherstraße als Gegenbeweis an. Vor zwei Jahren habe er das Haus gekauft, erzählt er. Bewohner im herkömmlichen Sinn habe es nicht gegeben. "Das Haus war an einen Bauunternehmer vermietet. In jedem Zimmer lagen vier Matratzen, es gab keine Heizung und keine funktionstüchtigen Badezimmer. Der Müll im Hinterhof reichte bis zum ersten Stock." Jetzt ist das Haus grundsaniert. Unter anderem sind eine junge Familie, ein Pärchen und eine WG eingezogen.
Nicht immer steht die erworbene Immobilie leer, wie im Fall Lutherstraße 25. "Wir machen keine Luxussanierungen", betont Marcel Hauptenbuchner, "und wir ekeln niemanden raus." Meist würden die Wohnungen nach und nach renoviert, mit den alten Mietern eine Lösung gefunden. Natürlich ist der Mietpreis einer sanierten Wohnung höher: "Wir erhöhen die Miete im gesetzlichen Rahmen", so Hauptenbuchner. "Familien bekommen einen günstigeren Preis."
Circa 50 Immobilien besitzt die Firma in der Neckarstadt-West. "Wir kaufen gezielt Problemhäuser", erklärt Hauptenbuchner. Dabei handelt es sich auch um Häuser, die ähnlich wie die Lutherstraße 25 als Matrazenburgen dienten – Häuser, in denen wohl freiwillig niemand langfristig leben möchte. Nicht selten befindet sich im Erdgeschoss eine Automaten-Spielhalle. In diesem Fall wird der laufende Mietvertrag nicht mehr verlängert oder eine Ablöse bezahlt.
Auch interessant
Vor ein paar Jahren war die Spielhallen-Dichte in der Neckarstadt-West enorm. Vor allem Familien mit Kindern waren mit dieser Entwicklung nicht zufrieden, immer mehr Anwohner fühlten sich unsicher. Seit ein paar Jahren kauft neben Hildebrand und Hees auch die städtische Wohnungsbaugesellschaft GBG gezielt solche Häuser im Quartier. Mittlerweile ist die Veränderung sichtbar. Für Hauptenbuchner ist das genau die richtige Entwicklung: das Viertel für die Bewohner attraktiv machen, aber auch neue Menschen in den Stadtteil bringen. Zur Attraktivität gehören für ihn auch Cafés, Restaurants, Geschäfte und Kultureinrichtungen – so wie das Improtheater, das vor Kurzem in der Elfenstraße 22 eingezogen ist.
Natürlich gelte es Wohnraum zu schaffen, so Marcel Hauptenbuchner, aber eben auch die dazugehörige Infrastruktur. "Das Viertel ist bunt und kreativ, das soll auch so bleiben. Das wird nie zweite Oststadt", betont er. "Aber manches muss sich ändern, beispielsweise die Spielhallen oder die illegale Prostitution in so manchem Hinterzimmer."
Maik Rügemer, Mitglied der Bürgerinitiative Neckarstadt, sieht das ebenso. Er wohnt seit 14 Jahren in einem Gebäude, das mittlerweile Hildebrandt und Hees gehört. "Als Mieter bin ich froh", sagt er. "Wenn jetzt etwas im Haus gemacht werden muss, dann passiert das auch. Das war früher nicht so." Dass die Miete gestiegen ist, kann er verstehen. "Aber es wird ja alles teurer."
Ende vergangenen Jahres hat Hildebrandt und Hees das Haus Elfenstraße 26 gekauft. "Ein echter Härtefall", wie Emiliano Trujillo erzählt, der sich für das Unternehmen um die Hausverwaltung einiger Objekte kümmert. Vor einigen Jahren war das Haus wegen mehrerer Razzien in den Schlagzeilen – es ging um die Suche nach Diebesgut und Überbelegung. 2011 waren circa 150 Personen unter der Adresse gemeldet.
Aufgrund selbstgelegter Elektroleitungen habe es zudem vor einigen Jahren gebrannt, weiß er. Im Keller und im Hinterhof stapelte sich der Müll, es wimmelte von Ratten und Kakerlaken. "20 Kubikmeter Sperrmüll haben wir abholen und das Ungeziefer beseitigen lassen", sagt Trujillo. Die ganze Nachbarschaft habe unter den Zuständen gelitten. "Ist das der Wohnraum, der in der Neckarstadt-West erhalten bleiben soll?", fragt Marcel Hauptenbuchner mit Blick auf die Kritik an seinem Geschäftsvorgehen.
Mittlerweile steht die Elfenstraße 26 so gut wie leer. Wenn für die verbliebenen Bewohner andere Wohnungen gefunden sind, soll die Komplettsanierung starten. In der Pflügersgrundstraße dagegen ist die Sanierung fast abgeschlossen. Gerade hat Emiliano Trujillo mit der Hausgemeinschaft begonnen, den Hinterhof umzugestalten. "Wir wollen Urban Gardening machen", sagt er. Ein riesengroßer Rosmarinbusch ist schon da.