Mannheimer Marchivum

Stadtgeschichte lagert hinter dicken Mauern

Eröffnung am Freitag im sanierten Ochsenpferchbunker – Tag der offenen Tür am Sonntag

15.03.2018 UPDATE: 16.03.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 3 Sekunden

Sicher, trocken und wohl temperiert: Im Ochsenpferchbunker ist das Archivmaterial der Stadt Mannheim gut behütet. Foto: Gerold

Von Olivia Kaiser

Mannheim. Im Erdgeschoss werden gerade die letzten Arbeiten erledigt. Er wird fleißig gebohrt und geschraubt. Auch im Außenbereich ist noch einiges zu tun: Der Parkplatz muss noch den letzten Schliff bekommen. Doch wenn sich am Samstag, 17. März, die Türen zu Mannheims neuem Stadtarchiv offiziell öffnen, soll alles fertig sein, verspricht Ulrich Nieß, der Direktor des Marchivums. Er fühlt sich im umgebauten Ochsenpferchbunker in der Mannheimer Neckarstadt direkt an der Jungbuschbrücke schon heimisch, das ist ihm anzumerken. Und er ist stolz.

Der Umzug von insgesamt 13 Kilometer Archivmaterial vom Collini-Center in den Ochsenpferchbunker innerhalb nur drei Monate verlief reibungslos. "Es heißt, man ist erst ein richtiger Archivar, wenn man mit seinem Archiv einmal umgezogen ist", erklärt er schmunzelnd. Zudem sei der Bezug eines Bunkers einzigartig im deutschen Archivwesen.

Hintergrund

Samstag, 17. März, 11-15 Uhr: Das Marchivum wird mit einem Festakt für geladene Gäste eröffnet. Es sprechen Mannheims Oberbürgermeister Peter Kurz und Markus Eltges, der stellvertretende Direktor des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung. Im

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Samstag, 17. März, 11-15 Uhr: Das Marchivum wird mit einem Festakt für geladene Gäste eröffnet. Es sprechen Mannheims Oberbürgermeister Peter Kurz und Markus Eltges, der stellvertretende Direktor des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung. Im Anschluss findet ein Podiumsgespräch zum Thema"Archiv und Städtebau: Mission impossible?" statt.

Sonntag, 18.März, 11-20 Uhr: Die Bürger sind zu einem Tag der offenen Tür ins Marchivum eingeladen. Das gesamte Gebäude inklusive der neuen Stockwerke und der Magazine ist geöffnet, es gibt Führungen durch das Haus sowie digitale Präsentationen. Auf großen Leinwänden werden zudem alte Filme und Fotoaufnahmen aus dem Stadtarchiv gezeigt. oka

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Dabei eignet sich so ein Bauwerk eigentlich optimal. Die Magazine befinden sich im zweiten, dritten und vierten Stockwerk. Dort lagert das Archivmaterial hinter Mauern, die zwischen 1,10 und 1,40 Meter dick sind. Um die ideale Temperatur von 16 Grad und eine Luftfeuchtigkeit von 40 bis 50 Prozent zu erreichen, bedarf es nur eines geringen Energieaufwands. Die Energie wird aus Abwasser gewonnen, oder- wie Nieß es ausdrückt - "aus Mannemer Dreck". Im ersten Obergeschoss soll das NS-Dokumentationszentrum entstehen, im Erdgeschoss die stadtgeschichtliche Ausstellung; beide werden 2019 eröffnet.

Im Zug der Sanierungsarbeiten wurde der Hochbunker um zwei Stockwerke mit moderner Glasfassade aufgestockt. Dort befinden sich die Büros, das Digitalisierungszentrum und der Friedrich-Walter-Saal, in dem Vorträge, Workshops und Tagungen abgehalten werden können - ein fantastischer Rundumblick auf Mannheim und Ludwigshafen inklusive. Während mache Büros noch nicht ganz eingerichtet sind, wird im Digitalisierungszentrum schon gearbeitet. Auch die Leseräume sind bereits fertig. Hier könnten Interessierte dann beispielsweise sämtliche Bauakten ab 1945 einsehen oder aber alle Protokolle der Ratssitzungen ab 1661.

Die Idee, das Stadtarchiv im Ochsenpferchbunker unterzubringen, stammt vom Architekt Andreas Schmucker, an den sich Ulrich Nieß gewandt hatte, als er ein neues Domizil suchte, weil im Collini-Center langsam aber sicher der Platz ausging. Womit ein weiterer Vorzug des Ochsenpferchbunkers zum Tragen kommt: Es gibt Platz für weitere sieben Kilometer Akten. In einem Ausweichquartier können noch einmal sechs Kilometer untergebracht werden. "Wir könnten noch 35 Jahre so weiter wachsen wie bisher, doch ich denke, bald wird die digitale Akte Standard", schätzt Ulrich Nieß.

2014 stimmte der Gemeinderat den Schmuckerschen Plänen zu, zwei Jahre später begannen die Arbeiten. "Wir haben die geplante Bauzeit eingehalten und sind im Kostenrahmen geblieben", betonte Bürgermeister Michael Grötsch. "Das ist heute bei Großprojekten eine Seltenheit." Etwa 20 Millionen Euro hat der Umbau gekostet, sechs Millionen steuerte der Bund bei.

Der 17. März ist kein willkürlich gewähltes Eröffnungsdatum: Am 17. März 1606 startete der Bau der Festung Friedrichsburg auf der Gemarkung des Dorfs Mannheim. "Es ist der Beginn der Stadtgeschichte", betont Mannheims oberster Archivar. Doch das neue Domizil hat für ihn auch Symbolcharakter. "Der Bunker steht für eine dunkle Zeit in unserer Geschichte, jetzt ist er ein helles Zentrum des Forschens, Lernens und Erlebens."

Das Marchivum stehe allen Bevölkerungs- und Altersgruppen offen. Doch Ulrich Nieß hofft, dass vor allem junge Menschen sich mit der Geschichte ihrer Stadt befassen - auch mit den unangenehmen Seiten, die das neue NS-Dokumentationszentrum beleuchten wird. "Ein Ort des historischen Erinnerns ist notwendiger denn je, gerade in Zeiten eines erstarkten Rechtspopulismus’."

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