Zum Nachtwandel kamen 25.000 Besucher in den Jungbusch

Beim elften Nachtwandel im Jungbusch konnten am Freitag und Samstag man über 800 Künstlern erleben

27.10.2014 UPDATE: 27.10.2014 05:00 Uhr 2 Minuten, 46 Sekunden
Vollgepackte Straßen beim 11. 'Nachtwandel'. Am Freitag kamen 10.000 Besucher, am Samstag 15.000 Besucher in den Jungbusch, um sich vom Programm der über 800 Künstler und Teilnehmer treiben zu lassen. Die multikulturelle Atmosphäre, die fliegenden Händler und die künstlerische Vielfalt locken seit Jahren Tausende in den 'Busch'. Fotos: Alfred Gerold
Von Jan Millenet

Während die Bässe des Stands eines Technosenders durch die Böckstraße donnern, vermischt sich in einem kleinen Hinterhof, fast genau gegenüber, Grillgeruch mit Italo-Pop. Gianni Maragliano steht mit seiner musikalischen Partnerin unter einem kleinen Plastikpavillon und schmettert seine italienischen Songs in den Abend hinein. Immer wieder gesellt sich Publikum dazu, wandern andere aus dem Hof hinaus. Man spricht Deutsch, Italienisch, Türkisch, ist fein oder eher alternativ gekleidet, jünger oder älter. Es ist Freitagabend auf dem "Nachtwandel" im Mannheimer Stadtteil Jungbusch. Der elfte in Folge.

Die italienische Station mit der Nummer 46, im Programmheft des "Nachtwandels" trägt sie den Namen "Hinterhöflich", ist wohl eine der über 90 Anlaufstellen, die besonders nah an der ursprünglichen Idee des Kulturfestes dran ist. Jungbuschbewohner öffnen ihren Hinterhof, präsentieren dort ihre Kunst und ihre Kultur. Wie Gianni Maragliano, dessen Vater - so heißt es weiter - vor etwa 50 Jahren aus Italien nach Mannheim kam. Der Sohnemann wurde in der Quadratestadt geboren. Gianni singt hauptsächlich auf Hochzeiten, an diesem Freitag aber auf dem "Nachtwandel".

Und er kann es wirklich gut. So zwischen Backsteinmauer und grauen Garagentoren. Der Hinterhof ist nicht wirklich geschmückt. Vier Blumentöpfe schweben in ihren Halterungen fast über den Köpfen. Die gehören aber zu den Wohnungen, die sich über den Garagen befinden. Genauso wie die Wäschehalter, die vor den Fenstern angebracht sind. Ja, so richtig Italienisch geht's bei Nummer 46 zu. Von außen unscheinbar. Innen nett. Man fühlt sich willkommen und irgendwie irgendwo anders.

Das ist es auch, was Manuela Langer und ihr Begleiter Ralf Banf am "Nachtwandel" schätzen. "Man kommt in eine andere Welt", sagt der Kaiserslauterer. "In viele kleine Welten", ergänzt die Mannheimerin und erinnert sich: "Ich fühle mich wie im Berlin der 80er Jahre". In der Hauptstadt wurde sie geboren. Besonders beeindruckend finden die beiden die verschiedenen Musikrichtungen, die neben den vielen anderen Kunstformen auf dem "Nachtwandel" in den Kneipen, auf der Straße und den Hinterhöfen geboten werden.

Oh ja, die Musik. Beim Gang durch die Hauptstraße des "Nachtwandels" beispielsweise, die Jungbuschstraße, wird deutlich, was Manuela Langer und Ralf Banf meinen. Hier Rock, dort Elektro, da akustisch, drüben orientalisch, im Keller punkig, auf dem Balkon klassisch. Über 800 Künstler bereichern in diesem Jahr den Jungbusch mit Ausstellungen, Musik, Kunst und Kultur.

Zusammen mit dem Stimmengewirr tausender Nachtwandler ergibt das auch dieses Jahr wieder diese typische Klangkulisse, die mit den funkelnden und blitzenden Eingängen, Kneipen und Höfen zu einem großen Ganzen verschmilzt. Der Duft und Rauch der Grillstände, bei denen es riesige Fleischspieße und andere Speisen gibt, tragen ihr Übriges zur multikulturellen Atmosphäre bei, die Besucher Ralf Banf als "faszinierend und einmalig für Mannheim", Besucherin Manuela Langer als "chaotisch" - aber im positiven Sinn - ansehen. "Ich kenne mich hier aus, habe aber teilweise plötzlich keine Orientierung mehr gehabt", sagt die Wahl-Mannheimerin und lacht.

Deshalb haben sie auch den Abstecher in die zur Jungbuschstraße parallel verlaufende Kirchenstraße gemacht - zum "Runterkommen". Dort ist es ruhiger und nicht so eng. Geigen- und Akkordeonklang bahnen sich ihren Weg durch die Stille. Zwei Musiker stehen direkt vor der Hafenkirche, spielen unter anderem den bekannten "Cancan". Und wer genauer hinschaut, entdeckt ein paar weitere Anlaufstellen, die wiederum ihre Überraschungen bereithalten. In der Hafenkirche läuft unter dem Motto "Chilling Church" zum Beispiel Musik zum Entspannen, einmal mit rumänischen Klängen, einmal mit Orgel und Gesang, einmal mit Piano und Kontrabass.

Und das ist ein weiterer Punkt, der den "Nachtwandel" ausmacht. Das Überraschende, die Vielfalt, die die Bewohner mit und ohne Migrationshintergrund und Künstler des Jungbuschs jedes Jahr aufs Neue anbieten. Dabei werden die alten Bekannten wie General Schweißtropf, der jedes Jahr seine teils urkomische Lyrik aus dem Fenster des "Café Blau" hinausschreit, nicht langweilig.

Die neuen Gesichter hingegen sorgen für die wohltuende Abwechslung, die sich von Streetart über Foto- und Kunstausstellungen bis zur Musik und Walking-Acts zieht. Das definiert den "Nachtwandel" immer wieder neu. Kein Wunder, dass er jedes Jahr so beliebt ist. 10.000 Besucher sind laut Schätzungen der Polizei am Freitag zwischen 19 und 24 Uhr in den Jungbusch geströmt. Am Samstag sind es mit 15.000 Besuchern noch einmal 5000 Nachtwandler mehr. Und dazu zählen auch wieder Manuela Langer und Ralf Banf, die schon am ersten Tag des Kulturfests wissen: "Wir wollen am Samstag wieder kommen."

Fi Info: Der Nachtwandel verlief nahezu ohne Vorkommnisse, meldeten die Ordnungshüter am Sonntag. Bis auf eine Körperverletzung und eine Sachbeschädigung blieb es friedlich.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.