Wie "Amis" die Stadtgeschichte prägten
Die Dokumentation "Maemories" feierte Premiere im Atlantis-Kino.

Von Gaby Booth
Mannheim. Stanley Reams ist einer der letzten US-Soldaten, der das Benjamin-Franklin-Village (BFV) verließ. Er erinnert sich lebhaft an den Septembertag 2011, als er den Schlüssel des Kinos zur nahe gelegenen Station der Militärpolizei brachte und dort abgab. "Little America" in Käfertal war zu seiner Heimat geworden, das war jetzt vorbei. Fünf Jahre lang hatte der Sanitäter in Uniform in der amerikanischen Klinik des BFV gearbeitet und in der benachbarten Kaserne Sullivan gelebt. Heute heißt das Areal bei Käfertal Franklin. Dort entsteht ein neues Wohnquartier.
In dem Film "Maemories – amerikanische Geschichte in Mannheim" erzählt er, was ihn bewegt, wie ihn der Aufenthalt in Deutschland geprägt und verändert hat. Stanley ist einer von acht Zeitzeugen, die ihre Erlebnisse in Interviews aufarbeiten. "Ich habe geweint, als ich ankam und dann, als ich wieder gehen musste", berichtet er. "Maemories" ist ein Gemeinschaftsprojekt der MWS Projektentwicklungsgesellschaft mbH, die für die Entwicklung der Konversionsflächen verantwortlich ist, und des Marchivums. Vor Kurzem feierte der Film Premiere im Atlantis-Kino vor geladenen Gästen, die alle irgendwie mit der amerikanischen Garnison verbandelt waren. Weitere öffentliche Vorstellungen sind geplant, im Marchivum wird der Film am 23. Oktober gezeigt.
Ende März 1945 kam die 7. US-Army über den Neckar, Mannheim lag in Trümmern. In der Folgezeit entwickelte sich die Stadt zur Garnisonsstadt mit zeitweise 20.000 Soldaten und ihren Familien. Mannheim war einer der größten Militärstandorte in Deutschland. Bis 2011 in der Sportsarena die Flagge eingeholt und ein Kapitel Stadtgeschichte beendet wurde. In den fast sieben Jahrzehnten waren in BFV Schulen, Kindergärten, eine Klinik und mehrere Kirchen entstanden. Im Lauf der Zeit kam es zu vielfältigen Begegnungen mit der deutschen Bevölkerung. Bei sportlichen Treffen wie dem Albert-Schweitzer-Turnier oder den Baseball-Spielen der Tornados wurden Freundschaften geschlossen. Auch beim Deutsch-Amerikanischen Volksfest kam man sich näher. Popcorn, Coca-Cola und Rock ’n’ Roll gehörten dazu. Joy Fleming entdeckte ihr Talent und ihre Stimme in den amerikanischen Clubs. Kurzum, das Verhältnis zwischen Deutschen und ihren "Besatzern" normalisierte sich.
Die Kasernen gehörten zum Stadtbild einfach dazu. Coleman, das größte Gelände mit über 200 Hektar liegt in Sandhofen, wo die US-Armee noch immer präsent ist. Alle anderen Areale haben seit 2012 eine rasante Entwicklung erfahren. Am deutlichsten zu sehen im Benjamin-Franklin-Village in Käfertal, aber auch auf Taylor in Vogelstang, Turley in Wohlgelegen und vor allen auf dem riesigen Gelände von Spinelli in Feudenheim, wo gerade ein Grünzug und die Bundesgartenschau entstehen. Hier wurden einmal Panzer und andere Militärfahrzeuge gewartet und dann in den 1990er-Jahren über den Rheinauer Hafen in den Krieg ins ehemalige Jugoslawien geschickt. Rund 500.000 Amerikaner waren es seit 1945, die kamen und gingen. Tausende von deutschen Zivilangestellten arbeiteten für "die Amis". Die hatten ihr Theater, ihre Kinos, ihre Einkaufszentren PX und sogar ihren eigenen Soldatensender.
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Das alles ist Geschichte, sollte aber nicht vergessen werden – darum kümmern sich Verantwortliche und viele Ehrenamtliche wie der Autor Christian Führer, der mit seinem Buch "Memories of Mannheim" in einer Sonderveröffentlichung des Stadtarchivs die Vergangenheit festhält. "Maemories" erweckt die deutsch-amerikanische Geschichte wieder zum Leben, indem er Zeitzeugen ihre Geschichten erzählen lässt. Darunter Larry Scavone, den ehemaligen Baudezernenten des Militärstandorts Mannheim, der die gesamte technische Planung der Gebäude kannte. Oder Tom Jones, den ehemaligen General, der Standortkommandant der Militärgemeinde und gleichzeitig Chef der Militärpolizei war. Aber auch Christine Müller, die ehemalige Präsidentin des Deutsch-Amerikanischen Frauenarbeitskreises, Zivilangestellte und Vietnamkriegsveteranen kommen zu Wort und tragen dazu bei, dass dieser Teil der Stadtgeschichte dokumentiert bleibt.
Im nächsten Jahr wird als weiterer Baustein das "House of Maemories" in der ehemaligen Grundschule des Benjamin-Franklin-Villages eröffnet. An markanten Stellen der ehemaligen Garnison entstehen zudem überall öffentliche "Erinnerungspunkte", die informieren und Geschichte lebendig werden lassen.