Mannheim

Riechtest, Kautest, Schnelltest - Konzert-Testlauf im Rosengarten

Veranstalter erprobt Test-Strategien für Konzerte und größere Events - 250 Probanden

08.03.2021 UPDATE: 09.03.2021 06:00 Uhr 2 Minuten, 5 Sekunden
Riechtest, Kautest, Schnelltest: Das alles wäre für Konzertbesucher möglich. Foto: Gerold

Von Wolf H. Goldschmitt

Mannheim. Der Rückweg zu einem Kulturereignis mit Publikum ist noch steinig und schwer. Doch Bastian Fiedler von der Mannheimer Kongressgesellschaft m:con hat den ersten mutigen Schritt in diese Richtung gemacht. Sein Haus steht einen Tag lang als Labor für die notleidende Eventbranche zur Verfügung. Im Rosengarten ist untersucht worden, ob Konzertveranstaltungen unter Einhaltung einschlägig bekannter Hygieneregeln, einer penibel ausgearbeiteten Teststrategie sowie mit einer funktionierenden Lüftungsanlage sicher und mit sehr geringem Infektionsrisiko machbar sind.

Wer am Montag den Eingangsbereich des Traditionshauses betritt, braucht ein Smartphone, um über die digitale Schwelle im Foyer zu kommen. Eine Registrierung über verschiedene Apps ist Pflicht für die freiwilligen "Versuchskaninchen" zwischen 20 und 50 Jahren. Ein Heilsbringer nennt sich "Luca". Die Idee dahinter: den Aufwand zur Kontaktnachverfolgung nach Konzertbesuchen oder im Restaurant für alle Seiten einfacher zu machen.

Wie kann eine coronakonforme „Präsenzveranstaltung“ mit geringem Infektionsrisiko funktionieren? Die Mannheimer Kongressgesellschaft m:con hat es im Rosengarten mit wissenschaftlicher Begleitung ausprobiert. Foto: Gerold

Diese App soll die bisherige Zettelwirtschaft ablösen – die nicht zuletzt wegen unleserlicher oder ausgedachter Kontaktadressen oft wenig hilfreich ist. Mit "Luca" kann der Rosengarten seine Besucher mit einem sogenannten QR-Code in Empfang nehmen, den sie auf ihr Handy scannen, und schon sind sie erfasst. Im Fall einer Infektion können ihre Daten direkt und verschlüsselt an Gesundheitsämter übermittelt werden.

Wer diesen Test auf Verträglichkeit mit moderner Informationstechnologie bestanden hat, erfährt in der medizinischen Abteilung des Eventhauses Neues über seine Sinne. Der Schnelltest zeigt beispielsweise, wie tief ein Röhrchen in den Nasenraum gehen kann. Nach heftigem Kitzeln und 15 Minuten steht fest, ob eine Infektion mit dem Virus vorliegt.

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Aber es geht auch schneller – beim Kautest. Hier knabbern die Probanden auf einem Probeschwämmchen herum, das sich mit Speichel vollsaugt. Die Auswertung mittels PCR-Methode im CoVLAB-Truck der Baden-Württemberg-Stiftung liegt nach wenigen Minuten vor.

Riechtest, Kautest, Schnelltest: Das alles wäre für Konzertbesucher möglich. Foto: Gerold

Bei der dritten Gesundheitskontrolle handelt es sich um einen neuartigen Riechtest, der wiederum an eine App und eine Schnüffelkarte gekoppelt ist. Klingt kompliziert und ist es auch. Alle drei Studien des Großversuchs mit 250 Probanden aus der Studenten- und Eventszene sind laut Professor Michael Neumaier, dem Direktor des Instituts für Klinische Chemie am Universitätsklinikum Mannheim, wegweisend für die Zukunft des Unterhaltungsgeschäfts: "Da Antigenschnelltests in der symptomfreien Bevölkerung infizierte Personen nicht sicher erfassen, gibt die parallele PCR-Testung im Rosengarten vergleichende Auskunft über die Zahl übersehener Infektionen erstmals unter den Realbedingungen einer öffentlichen Veranstaltung".

Auch die Kongressgesellschaft hat ihre Hausaufgaben gemacht, um "nach einem Jahr gefühltem Berufsverbot schnellstmöglich die Arbeit auch wieder in Präsenz ausüben zu können", sagt m:con-Geschäftsführer Fiedler.

Im Anschluss an die medizinischen Tests gehen alle negativ Getesteten mit FFP-2-Masken auf zugewiesene Plätze im Mozartsaal. Das Auditorium ist im Schachbrettmuster besetzt. Zu hören allerdings gibt es keine Musik, sondern lediglich das Zischen eines Burschen namens "Oleg", ein Dummy des Fraunhofer Instituts. Die Puppe verbreitet durch einen Schlauch aus Mund und Nase genau definierte Mengen feine Nebelschwaden und CO2. Der Weg dieser Aerosole durch die Zuschauerreihen wird gemessen und analysiert.

Nach Auswertung aller technischen Daten werden freilich Fragen bleiben. Wie schnell gehen die Testungen? Wann müssen die Zuschauer anreisen und wie lange müssen sie warten, bis es grünes Licht für den Konzertbesuch gibt? Wie kommen Menschen ohne Smartphone in den Genuss von Kulturveranstaltungen? Und wird es renommierte Künstler geben, die vor halbvollen Arenen und für halbe Gagen spielen wollen? Bastian Fiedler und seine zahlreichen Unterstützer haben noch einen weiten Weg vor sich.

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