Inklusion von Bulgaren und Rumänen: Mannheim wartet weiter auf Hilfe

DieStadt braucht die Gelder dringend, um die steigende Zahl von Zuwanderern aus Bulgarien und Rumänien zu integrieren - Das Land lässt sich jedoch Zeit

21.01.2015 UPDATE: 21.01.2015 05:00 Uhr 2 Minuten, 48 Sekunden
Schon am Eingang sah es grauenhaft aus: Diese 'Problemimmobilie' hat die Stadt inzwischen aufgekauft. Sie wird nun saniert. Foto: Gerold
Von Alexander Albrecht

Die Zuwanderung von Bulgaren und Rumänen stellt die Stadt vor große Herausforderungen. Die RNZ gibt einen aktuellen Überblick:





> Die Ausgangslage:
Ende letzten Jahres waren offiziell 4763 Bulgaren und 3752 Rumänen in Mannheim gemeldet, tatsächlich geht die Verwaltung von mehr als 12.000 Migranten aus diesen Ländern aus. Damit ist die Stadt nach Angaben der Verwaltung - gemessen an der Einwohnergröße - die am zweitstärksten von der Zuwanderung aus Südosteuropa betroffene Kommune in Deutschland. Mannheim ist für die Neuankömmlinge besonders attraktiv, weil dort ein weltoffenes Klima herrscht und es in der Metropolregion viele Jobs auch für ungelernte Arbeitskräfte gibt. 82 Prozent der Bulgaren und 53 Prozent der Rumänen haben keinen Schulabschluss.

"Diese Menschen wollen bleiben. Sie sehen in ihren Herkunftsländern keine Perspektive", sagt David Linse, Fachbereichsleiter für Integration bei der Stadt. Im Vergleich zu vielen EU-Staaten sei die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland stabil. Deshalb rechnet Linse nicht damit, dass der Zuwanderungsstrom in naher Zukunft abreißt.



> Die Hilfe der Stadt:
Sie hat eine Handlungsstrategie entworfen, die eine ganze Reihe von Maßnahmen beinhaltet. Sie informiert und berät Zuwanderer in Anlaufstellen in den besonders betroffenen Stadtteilen Neckarstadt-West und Jungbusch. Die Stadt setzt alles daran, Vertrauen in die staatlichen Institutionen herzustellen. Viele Migranten haben in Bulgarien und Rumänien Erfahrungen mit Korruption gemacht. Kern der Hilfe ist ein Integrationsfonds ("siehe Hintergrund"), der verschiedene Angebote macht. Zudem sind in den Bürgerdiensten Muttersprachler eingestellt worden.



> Die Probleme:
Viele Bulgaren und Rumänen sind bei ihrer Ankunft in Mannheim arm und ohne Bildungsabschluss. Nach wie vor geraten sie häufig an skrupellose Gebäudebesitzer und Vermittler, die ihnen Matratzen in schäbigsten und überbelegten Häusern vermieten.

Mehr als 100 dieser "Problemimmobilien" gibt es in Mannheim. Drei Objekte hat die Stadt beziehungsweise ihre Wohnungsbaugesellschaft GBG mittlerweile aufgekauft. Die "Problemimmobilien" werden regelmäßig von städtischen Mitarbeitern und der Polizei kontrolliert. Auflagen werden gemacht, die Bewohner vom Mieterverein über ihre Rechte aufgeklärt.

Die Stadt wünscht sich eine gesetzliche Regelung im Land, wie sie schon in Nordrhein-Westfalen existiert. Dort können die Behörden über das Ordnungsrecht und die baurechtliche Aufsicht eingreifen, wenn Immobilien überbelegt sind. In Baden-Württemberg braucht es eine konkrete Sicherheitsgefährdung. Doch auch das NRW-Gesetz hätte die Brandkatastrophe im Februar 2013 in Mannheim mit drei toten Kindern nicht verhindern können. Das Feuer war ausgebrochen, weil die Mutter eine Stromleitung illegal angezapft hatte. Solche unzulässigen Elektroinstallationen werden immer wieder beanstandet.

Sorgen bereitet der Stadt auch die steigende Zahl von Hartz-IV-Empfängern. Hatten Anfang 2013 noch 184 Bulgaren und 126 Rumänen Sozialleistungen bezogen, waren es Ende vergangenen Jahres 888 beziehungsweise 245. Der Stadt entstanden 2014 Mehrausgaben für den kommunalen Anteil an den Kosten der Unterkunft in Höhe von insgesamt vier Millionen Euro. Kein größeres Problem stellt aus Sicht der Polizei die Kriminalität dar, die sich auf Ladendiebstähle oder Schwarzfahren reduziere.



> Die Unterstützung von Bund, Land und EU:
"Wir können die Herausforderungen unmöglich alleine schultern und brauchen die Gelder dringend", sagt Linse. Die Bundesregierung hat 2014 beschlossen, den am meisten von der Zuwanderung aus Südosteuropa betroffenen Jobcentern mit 25 Millionen Euro Soforthilfe unter die Arme zu greifen. Das Land prüft derzeit, wie die Mittel in Baden-Württemberg verteilt werden. "Noch hat es kein Cent nach Mannheim geschafft", sagte Oberbürgermeister Peter Kurz im RNZ-Jahresinterview.

Seiner Ansicht nach müsste sich die Hilfe auf drei bis vier Städte konzentrieren. Entsprechend erwartet der OB für Mannheim einen siebenstelligen Betrag. Laut Linse bräuchte die Stadt jährlich 12.000 bis 16.000 Euro pro Person, um Menschen ohne Schul- oder Berufsabschluss für den ersten Arbeitsmarkt fit zu machen.

Sicher ist, dass Mannheim rückwirkend für 2014 einmalig 600.000 Euro aus dem Programm "Soziale Stadt" bekommt, die in die Sanierung von zwei "Problemimmobilien" fließen. Beantragen will man Mittel aus einem EU-Programm für am stärksten von der Armut betroffene Personen. Circa 80 Millionen Euro sollen dabei deutschen Kommunen zur Verfügung gestellt werden. Die Stadt interessiert sich auch für einen vom Land geplanten Verfügungsfonds mit einem Gesamtvolumen von 600.000 Euro. Die Förderrichtlinien für beide Programme stehen allerdings noch nicht fest.

Linse ärgert sich darüber, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Integrationskurse in vier deutschen Städten bezuschusse, nicht aber in Mannheim. "Dabei liegt in der Sprache der Schlüssel für gesellschaftlichen und beruflichen Erfolg. Zuwanderer ohne Anspruch auf Sozialleistungen müssten einen Eigenanteil von 1,20 Euro je Integrations- beziehungsweise Sprachlernstunde zahlen. "Das sind beim 900-stündigen Integrationskurs mehr als 1000 Euro pro Migrant. Viel Geld für Menschen, die gerade so über die Runden kommen."

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