Mannheim

Ehepaar hinterließ neun verwahrloste Katzen in einer verdreckten Wohnung

Hat das Mannheimer Veterinäramt weggeschaut? Behörde sah zuvor keine Vernachlässigung.

05.11.2019 UPDATE: 06.11.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 27 Sekunden

Foto: thinkstock

Von Wolf H. Goldschmitt

Mannheim/Schwetzingen. Dem Entrümplungskommando stockt der Atem: verdreckte Wände, Fett und Spinnweben an den Türen, schreiende Katzen, Müll, Kot und bestialischer Gestank überall. "Seit Jahren werden die Zustände in der Wohnung des Ehepaares L. bemängelt, doch weder der frühere Eigentümer Vonovia noch das Mannheimer Veterinäramt oder die städtische Ordnungsbehörde haben etwas dagegen unternommen", klagt Hausmeister Michael Würz. Jetzt wurde die heruntergekommene Zwei-Zimmer-Behausung zwangsgeräumt. Unter dem fußhohen Abfall spielte sich ein wahres Katzendrama ab. Neun verstörte Tiere versteckten sich in dem Abfallhaufen. Ein Tier sprang beim Eindringen der Reinigungsmannschaft in Panik vom Balkon in den Tod. Die Verursacher der Tragödie hatten ihre nicht genehmigte "Zucht" zurückgelassen und waren mit drei Katzen vom Stadtteil Rheinau in ein Quartier in Oftersheim gezogen.

Die "Messis", die auch nach Aussagen von Hausbewohnern illegal Katzen vermehrten und die Babys vor der Haustüre oder vor Supermärkten verkauften, hatten offenbar völlig den Überblick und die Kontrolle über ihr Leben verloren. Die eklatanten Verstöße waren ans Tageslicht gekommen, weil der Nachbar den Tierschutz informiert hatte, der wiederum beim Veterinäramt auf einen Ortstermin drängte. Dieser fand dann zwar statt, aber laut Kontrollbehörde "konnten die angenommenen Missstände nur zum Teil vorgefunden werden, so dass für eine sofortige Fortnahme der Tiere keine Grundlage bestand". Um den erteilten Auflagen nachzukommen, wird eine Frist von vier Wochen eingeräumt. Danach werde "selbstverständlich" nachkontrolliert. Sollte es dann noch Beanstandungen geben, behalte sich das Veterinäramt weitere verwaltungsrechtliche Maßnahmen vor, schrieb die Behörde im August. Der Nachbar erinnert sich anders an das Geschehen: "Das Veterinäramt kam tatsächlich einmal mit zwei Leuten. Obwohl die Familie L. hörbar zuhause war, aber nicht öffnete, zogen sie unverrichteter Dinge wieder ab."

Diese Aussage korrigiert die Stadt Mannheim auf Anfrage schriftlich: "Bei der zunächst beabsichtigten Vor-Ort-Kontrolle konnte vor Ort niemand angetroffen werden, so dass die tatsächliche Kontrolle dann erst am Folgetag stattfinden konnte. Diese wurde von der zuständigen Veterinärin und einer Sachbearbeiterin der Tierschutzbehörde durchgeführt. Zum Kontrollzeitpunkt gab es jedoch keinerlei Umstände, die eine sofortige Beschlagnahmung der festgestellten fünf Katzen hätten rechtfertigen können: Katzenfutter und Wasser war für die Tiere bereitgestellt. Die Anzahl der vorgefundenen Tiere ergab auch keine Hinweise auf eine vorliegende Zucht. Die Situation wurde im Rahmen einer Nachkontrolle am 18. September erneut vor Ort in Augenschein genommen. Auch bei dieser ergaben sich keine Grundlagen für eine Beschlagnahmung der angetroffenen Katzen." Tierschützerin Anya Telzerow von der Schwetzinger Organisation "Arche Noah" kann es nicht fassen: "Die müssen blind, taub und ohne Geruchssinn durch die Wohnung gelaufen sein. Innerhalb der vier Wochen bis zur Räumung können solche Dreckberge mit knöchelhohem Katzenkot und zentimeterdicken Fetträndern nicht entstanden sein".

Konfrontiert mit den unterschiedlichen Bewertungen, schreibt die Stadt auf erneute Anfrage: "Zum Zeitpunkt der Vorort-Kontrolle des Veterinärdienstes war keine ausreichende Grundlage für eine Beschlagnahmung der angetroffenen Katzen gegeben. Eine auch nur vorübergehende Herausnahme der Tiere hätte vorausgesetzt, dass erhebliche tierschutzrechtliche Mängel und eine Vernachlässigung der Tiere oder schwerwiegende Verhaltensstörungen nach dem Gutachten eines Amtsveterinärs vorliegen." Das sei nicht der Fall gewesen. Und so nahm die Geschichte ihren tragischen Lauf. Der neue Besitzer der ehemaligen Vonovia-Wohnung hatte keine Scheu vor juristischen Auseinandersetzungen. Er kündigte nach vergeblichen Abmahnungen dem Ehepaar L. fristlos.

Auch interessant
Mannheim: 71-jähriger Messie wurde aus seiner GBG-Wohnung zwangsgeräumt

Mit wenigen Habseligkeiten und drei Jungtieren zogen die beiden "Züchter" im Oktober nach Oftersheim ins Einzugsgebiet des Veterinäramtes des Rhein-Neckar-Kreises. Die verstörten Fellnasen kommen vorübergehend bei der "Arche Noah" unter. Ihr Schicksal und wer für die Kosten der Rettung und ärztlichen Versorgung aufkommen muss, bleibt offen. Jetzt, da man in Mannheim nicht mehr zuständig ist, gibt es allerdings gute Tipps für das Veterinäramt des Rhein-Neckar-Kreises: Die nun (!) bekannt gewordenen Umstände seien "die Grundlage für behördliche Maßnahmen gegen die Tierhalter, wie die Anregung eines Verfahrens zur künftigen Haltungsuntersagung".

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.