"Bugas sind Garanten für Lebensqualität"
Mannheims Bundesgartenschau-Chef, Michael Schnellbach, über Heilbronn, die Ziele und die Liebe zu Gartenschauen im Ländle

Vergleichbar und auch wieder nicht: Die Mannheimer "U-Halle" (Grafik) ist drei mal so groß, wie der "Fruchthallenschuppen" in Heilbronn. Grafik: Lenzen
Von Carsten Blaue
Mannheim/Heilbronn. Michael Schnellbach ist beeindruckt davon, was sein Kollege Hanspeter Faas mit seinem Team in Heilbronn auf die Beine gestellt hat. Im Interview verrät Schnellbach, der Geschäftsführer der Bundesgartenschau Mannheim 2023 gGmbH, was ihm an der Buga2019 besonders gut gefällt, was Mannheim von Heilbronn lernen kann und warum es gleich zwei Bundesgartenschauen hintereinander in Baden-Württemberg gibt.
Herr Schnellbach, wie sah der Austausch zwischen Mannheim und Heilbronn in Sachen Buga aus und wann hat das begonnen?
Grundsätzlich organisiert die Dachgesellschaft der Bundesgartenschauen, die Deutsche Bundesgartenschaugesellschaft, pro Jahr mehrere Treffen der verschiedenen aktuellen Gartenschauen. Dies waren bei meinem "Einstand" im Jahr 2014 Geschäftsführungen aus der Havelregion, aus Berlin, Heilbronn und Erfurt. Konkret haben wir uns hinsichtlich der verschiedenen Förderszenarien bei der Unterstützung durch das Land ausgetauscht.

Michael Schnellbach. Foto: Gerold
Weiterer Schwerpunkt war die in Heilbronn sehr positive Bürgerresonanz. Was daran liegt, dass sich dort alles auf dem Gelände abspielt. Der Umgang mit der Halle in Heilbronn, dem "Fruchthallenschuppen", war ein Thema. Diese hat durchaus Ähnlichkeiten mit unserer "U-Halle", die allerdings fast drei mal so groß ist. Ein weiteres Thema war das innovative Vergabeverfahren für den Städtebau dort. Heilbronns Buga-Geschäftsführer Hans-peter Faas ist ja mit seiner Erfahrung aus sechs Landes- und drei Bundesgartenschauen nicht nur für mich ein viel gefragter "Mentor" bei den unterschiedlichsten Problem- und Fragestellungen.
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Was kann Mannheim von derBuga2019 lernen, und was kann Mannheim besser?
Mannheim und Heilbronn sind sowohl gesellschaftlich als auch strukturell durchaus vergleichbare Städte. Dennoch sind die Aufgabenstellungen beider Bugas doch sehr unterschiedlich. Lernen können wir absolut vom Emotionalisierungsprozess in Heilbronn, der mich bereits Anfang 2015 bei einer Bürgerversammlung stark beeindruckt hat. Lernen können wir aber auch vom Mut und der Stringenz, die Stadt und Politik dort zur Realisierung ihrer Ziele an den Tag gelegt haben. Ich maße mir gar nicht an, dass wir etwas besser machen werden oder können. Schließlich hat Heilbronn das erfahrenste Gartenschauteam. Wir werden aber sicherlich mit dem ersten innerörtlichen Radschnellweg und - davon gehe ich aus - mit unserer Seilbahn, die die beiden Ausstellungsgelände Spinelli-Park und Luisenpark verbinden wird, zwei Projekte mit weit überregionaler Strahlkraft haben. Diese werden uns deutlich von Heilbronn unterscheiden.
Was gefällt Ihnen an der Buga2019-Konzeption besonders gut?
Den Mut den Stadt und Politik aufgebracht haben, eine Bundesstraße zurück zu bauen, um das Gartenschaugelände und damit den neuen Stadtteil "Neckarbogen" an die Heilbronner Innenstadt direkt anzuschließen. Die dortige Stimmung und der Rückhalt für die Gartenschau sind schon faszinierend. Heilbronn hat es sehr früh geschafft, seine Bürger hinter die Gartenschau zu bekommen.
Hintergrund
Die Mannheimer und ihre wechselhafte Einstellung zur Bundesgartenschau in vier Jahren
Ein Boot der Gondoletta, die Originalkostüme vom "Jäger aus Kurpfalz", historische Liegestühle, ein Modell vom Aerobus, Plakate, Fotos, Filme und Souvenirs: Hinter
Die Mannheimer und ihre wechselhafte Einstellung zur Bundesgartenschau in vier Jahren
Ein Boot der Gondoletta, die Originalkostüme vom "Jäger aus Kurpfalz", historische Liegestühle, ein Modell vom Aerobus, Plakate, Fotos, Filme und Souvenirs: Hinter den dicken Mauern des Marchivums im Ochsenpferchbunker blüht die Bundesgartenschau 1975 in Mannheim bei einer Ausstellung neu auf. Die Großveranstaltung lockte damals mehr als acht Millionen Besucher in die Stadt.
Doch für Mannheim bedeutete die Buga weit mehr. Sie leitete einen "gewaltigen Modernisierungsschub" ein, "eine Generalüberholung der Stadt", wie Oberbürgermeister Peter Kurz sagt: zwei Stadtparks, die Multihalle, der Fernmeldeturm oder auch das Wohngebiet Herzogenried entstanden in dieser Zeit. Und die Planken wurden aus Anlass der Buga zur Fußgängerzone umgewandelt.
In vier Jahren trägt Mannheim wieder eine Bundesgartenschau aus. Und genauso wie 1975 erhofft sich Archiv-Direktor Ulrich Nieß ein "Wir-Gefühl", das durch die Stadt zieht. "Das ist das, was wir noch erreichen müssen." Denn noch hat sich weder große Begeisterung oder Vorfreude auf die Buga eingestellt.
Heute würde niemand mehr über das Mega-Projekt sprechen, wenn sich die Mannheimer bei einem Bürgerentscheid im September 2013 gegen die Bundesgartenschau gestellt hätten. Am Ende behielten die Befürworter mit gerade einmal 1953 Stimmen mehr die Oberhand. Deutlicher hätte wohl niemand die Spaltung der Stadt bei diesem Thema in Worte fassen können.
Die Gegner bemängelten, das Projekt sei zu teuer - Mannheim könne sich keine Buga leisten. Vor allem aber stießen sie sich an den Planungen, dass das Landschaftsschutzgebiet Feudenheimer Au neben der ehemaligen US-Militärfläche Spinelli Teil des Gartenschaugeländes wird. Dieser Streit tobte auch nach dem Bürgerentscheid munter weiter und erreichte Mitte November 2015 einen neuen Höhepunkt, als sich der Gemeinderat nach monatelangem Streit gegen die Verlegung der Straße Am Aubuckel entschied, die das geplante Areal zwischen Au und Spinell durchschnitten hätte und über die täglich rund 20.000 Fahrzeuge rollen.
OB Kurz hatte sich für diese Variante stark gemacht, um damit ein viel wichtigeres Ziel zu erreichen: einen durchgehenden Grünzug mit rund 230 Hektar Fläche, der die Stadt mit Frischluft versorgt. Die Buga kommt trotzdem, ohne die Feudenheimer Au zwar, aber stärker an den Luisenpark angebunden. Verbindendes Element könnte eine Seilbahn sein. Vor wenigen Wochen haben auf dem Spinelli-Gelände zwischen Käfertal und Feudenheim die Abbrucharbeiten begonnen. Rund 75 Prozent der Fläche werden begrünt und auch nach der Buga unbebaut bleiben. Im nördlichen Teil des Areals entstehen 1800 Wohneinheiten, ein Drittel davon soll preisgünstig vermietet werden. (alb)
Wie ging das?
Die Bürger haben sehr früh den Mehrwert für ihre Stadt verstanden. Selbst bei einem ersatzlosen Rückbau einer Bundesstraße.
Sind Sie manch-mal etwas neidisch, dass die Vorbereitung in Heilbronn vergleichsweise geräuschärmer war als in Mannheim?
Neidisch weniger, vielmehr stark beeindruckt. Aber das liegt auch wesentlich daran, dass Heilbronn mit Ausnahme der Brücke und dem Straßenrückbau auf dem ehemaligen Bahngelände agiert. Wir müssen die beiden Parks verbinden. Durch den Radschnellweg und einhergehend mit der ökologischen Überarbeitung der Feudenheimer Au müssen wir viele andere Interessengruppen mitnehmen. Außerdem hat Heilbronn bereits seit vielen Jahren mit der Schwarz-Stiftung einen sehr verlässlichen Partner, der sicherlich einiges vereinfacht und ermöglicht hat.
Welche Ziele muss eine Bundesgartenschau heute verfolgen?
Bundesgartenschauen haben in den letzten fast sieben Jahrzehnten ihres Bestehens neben farbenprächtigen Gartenausstellungen auch unterschiedlichen Fokus auf eine integrierte Stadt- und Regionalentwicklung gelegt. Vom Wiederaufbau nach den Kriegsjahren, über Erweiterung und Renovierung von Bestandsparks, über die Umnutzung von Militär- und Industriebrachflächen im Osten nach der Wende, bis hin zum heutigen Schwerpunkt, der Umwandlung und Entwicklung innerstädtischer Brach- und Konversionsflächen in grüne, lebenswerte Quartiere. Bundesgartenschauen initiieren heute nachhaltige Planungsprozesse, die eine zukunftsfähige grüne Infrastruktur schaffen. Sie sind Garanten für mehr Lebensqualität inmitten unserer Städte. Sie sind beispielgebend in vielerlei Hinsicht - ökologisch und klimatologisch zum Beispiel. Und sie sind heute mehr, denn je, generationenübergreifend.
Gut 40 Jahre gab es in Baden-Württemberg keine Buga. Jetzt gleich zwei hintereinander. Ist das Zufall oder ein Erfolg der Konzepte?
Ich glaube, es hat mehrere Gründe. Zum einen ist es sicherlich ein gewisser Zufall, dass unmittelbar nach Freiwerden der Industriebrache in Heilbronn die Amerikaner Mannheim verlassen und rund 500 Hektar Konversionsfläche zurückgelassen haben. Zum anderen sind die süddeutschen Bundesländer - und hier allen voran Baden-Württemberg und Bayern - für ihre Gartenschau-Affinität bekannt. Dies zeigt sich auch darin, dass die beiden Länder im Gegensatz zu den meisten anderen Bundesländern alle zwei Jahre eine Landesgartenschau durchführen und landeseigene Gesellschaften hierfür haben. Baden-Württemberg veranstaltet sogar in den Jahren zwischen zwei Landesgartenschauen noch weitere "Kleine Gartenschauen", die sogenannten "Grünprojekte", wie zum Beispiel im Jahr 2005 in Ladenburg.