Beratungsstelle "Amalie" kümmert sich seit drei Jahren um Prostituierte in Mannheim

Beim Thema Verhütung herrscht Nachholbedarf - "Amalie" bietet Ausstiegsberatung und medizinische Hilfe

18.10.2016 UPDATE: 19.10.2016 06:00 Uhr 1 Minute, 56 Sekunden

Die Gynäkologen Dr. Amadeus Hornemann und Dr. Elke Krystek kümmern sich in einem Untersuchungszimmer ehrenamtlich um die Frauen. Foto: jami

Von Jan Millenet

Seit etwa drei Jahren gibt es "Amalie", die Beratungsstelle für Prostituierte in der Mannheimer Neckarstadt-West. Der Start war nicht leicht, erinnert sich Peter Hübinger. "Wir stießen auf erheblichen politischen Widerstand, denn Prostitution ist ein Tabuthema", sagt der Direktor des Diakonischen Werks Mannheim bei der Veröffentlichung des Jahresberichts 2015. Doch in der Zwischenzeit könnten sich viele die Anlaufstelle gar nicht mehr wegdenken.

Prostituierte gelten auch heute noch als eine wenig beachtete Randgruppe in der Gesellschaft, so Hübinger. Doch die Lebensumstände der Frauen, die in diesem Gewerbe freiwillig oder unfreiwillig arbeiten, sind oft unvorstellbar. Bei "Amalie" finden sie ein offenes Ohr und Hilfe. Und ganz wichtig: "Hier erfahren sie Wertschätzung." Etwas, das den Frauen in ihrem alltäglichen Leben kaum bis gar nicht entgegengebracht werde.

Die Beratungsstelle gilt bereits als Modellprojekt für andere Städte. Allein 2015, so die Leiterin und "Amalie"-Initiatorin Julia Wege, haben man über Streetwork mehr als 320 Frauen aufgesucht und 80 intensiv beraten. Oftmals ging es um den Ausstieg aus der Prostitution. "Letztes Jahr haben wir dabei fünf Frauen begleitet", sagt Wege. Auf den ersten Blick klingt das wenig. "Doch man muss bedenken, dass uns ein Ausstieg eineinhalb bis zwei Jahre beschäftigen kann", erklärt die "Amalie"-Leiterin.

Als Beispiel nennt sie einen Fall, bei dem der Kampf um Arbeitslosengeld II vor mehrere Gerichte ging, bis die zu diesem Zeitpunkt schwangere Aussteigerin letztendlich staatliche Unterstützung zugesagt bekam. Und das, obwohl sie als legal arbeitende Prostituierte pro Tag 25 Euro Steuern zahlte.

Das kann Dr. Amadeus Hornemann nicht verstehen. "Der Staat hält die Hand auf, möchte die Frauen aber nicht unterstützen", sagt der Gynäkologe, der neben seinen Tätigkeiten im Uniklinikum Mannheim und an der Ethianum-Klinik Heidelberg seit Juli bei "Amalie" ehrenamtlich Prostituierte betreut. Deren Arbeit bezeichnet er als extreme Ausbeutung. "Amalie" möchte den Frauen zu ihren Rechten verhelfen.

Die Stelle hat zwei besondere Schwerpunkte: Ausstiegshilfe und medizinische Beratung. Bei Letzterem bestehe ein deutlicher Bedarf, erläutert Dr. Elke Krystek. Die pensionierte Gynäkologin arbeitet ebenfalls ehrenamtlich für die soziale Einrichtung, die regelmäßige Beratungs- und Untersuchungstermine für die Frauen anbietet.

Ihre Hauptaufgabe neben den Untersuchungen sieht sie vor allem in der Aufklärung beziehungsweise Gesundheitserziehung. "Beim Thema ‚Verhütung’ glauben viele der Frauen, dass sie dadurch nie mehr Kinder bekommen können", so ein Beispiel der ehemaligen Chefärztin des St. Josefskrankenhauses Heidelberg. Oftmals führe fehlende Bildung zu solch fatalen Trugschlüssen. Auch der richtige Umgang mit Medikamenten sei ein großes Problem. Das selbst auferlegte Ziel des Ärzteteams ist es, Bewusstsein zu schaffen. "Das kostet viel Energie. Aber wir bekommen das hin."

Der Großteil der Frauen, die 2015 bei "Amalie" betreut wurden, stammt aus Bulgarien (43). Elf kommen aus Deutschland und zehn aus Rumänien. Gefolgt von Ländern wie Polen, Albanien oder Nigeria. Besonders intensiv sei die Betreuung von fünf schwangeren Frauen gewesen, sagt Wege. Bei zwei Schwangerschaften waren Mitarbeiter von "Amalie" und Ehrenamtliche sogar bei der Geburt im Kreißsaal dabei.

Das Sozialprojekt hat sich, das wurde deutlich, etabliert. Und "Amalie" wird auch in Zukunft eine sehr wichtige Anlaufstelle bleiben. "Denn Prostitution wird es wohl immer geben", so Hübinger.

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