Abfall vermeiden, "grüne Welle" für Radler
Der Gemeinderat entscheidet am Donnerstag über den Klimaschutzaktionsplan. Es geht um 81 Einzelmaßnahmen in verschiedenen Bereichen.

Von Alexander Albrecht
Mannheim. Das Ziel ist klar formuliert, der Weg dorthin aber beschwerlich – und vor allem bleibt dafür nicht mehr viel Zeit. Bis 2030 sollen in Mannheim fast keine CO₂-Emissionen mehr in die Luft gelangen. Damit das gelingt, hat die Stadt in eineinhalb Jahren unter Beteiligung sämtlicher relevanter Akteure einen mehr als 180-seitigen Klimaschutzaktionsplan mit 81 Einzelmaßnahmen ausgearbeitet. Moderator und wesentlicher Ideengeber in dem Prozess war das Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt und Energie. Ein paar ausgewählte Maßnahmen.
> Photovoltaik: Offensive für Anlagen auf bislang ungenutzten Dachflächen, zum Beispiel Parkhäusern oder Garagen.
> Windkraft: Mögliche Standorte im Mannheimer Norden und auf der Friesenheimer Insel.
> Fernwärme: Versorgung auf Basis thermischer Abfallbehandlung, Biomasse, Flusswärmepumpe oder Tiefengeothermie.
> Privates Wohnen: Leerstands- und Brachflächenkataster; Eigentümer bei Sanierung unterstützen; energie- und ressourceneffiziente Neubauten.
> Ernährung und Konsum: Abfall vermeiden; Angebote regionaler und ökologischer Produkte stärken.
> Industrie: Energiesparpotenziale nutzen; Einsatz und Ausbau erneuerbarer Energien; Plattform zum Tausch von "Restprodukten" zwischen lokalen Unternehmen.
> Stadtverwaltung: Kommunale Liegenschaften klimaneutral sanieren beziehungsweise neu bauen; Beschaffung nachhaltigen Materials; Überwachung des Energieverbrauchs.
> Öffentlicher Raum: Energieverbrauch an Gebäuden mindern, zum Beispiel Dauerbeleuchtung reduzieren und überflüssige Beleuchtungsanlagen zurückbauen; Straßenbeleuchtung schneller auf LED umstellen.
> Kreislaufwirtschaft: Bauteile länger nutzen und wiederverwerten; Gebäudebestand dient als Rohstofflager.
> Flächennutzung: Verbrauch senken, Grün- und Erholungsflächen ausbauen und erhalten; Wohn- und Gewerbegebiete flächenschonend entwickeln.
> Neue Grünanlagen: Ehrenhof des Schlosses und Pkw-Parkplätze entsiegeln; Begrünung von Schulhöfen; Förderung von Urban Gardening.
> Wasser: "Schwammstadt Mannheim": Durch Entsiegelung kann Regenwasser ober- und unterirdisch zurückgehalten und Hitzeinseln vorgebeugt werden.
> Verkehr: Finanzielle Anreize für Verzicht aufs Auto; Citymaut für Pkw-Fahrer; Parkgebühren erhöhen; Taktung und Geschwindigkeit des ÖPNV steigern, Stadtrandlagen besser anbinden und Ticketpreise attraktiver gestalten; verbesserte Wege für Radler und Fußgänger; "grüne Welle" für Radfahrer; Tempo 30 auf allen Straßen.
Eigentlich sollte kürzlich der Umwelt- und Technikausschuss über den Aktionsplan abstimmen und dem Gemeinderat eine Empfehlung geben. Doch die Abstimmung platzte. Verschiedene Fraktionen störten sich an der Formulierung in der Sitzungsvorlage, wonach der Rat das Dokument lediglich "zustimmend zur Kenntnis" nehmen solle.
Die kritischen Stadträte wollten der Verwaltung jedoch keinen "Blankoscheck" ausstellen, wie es FDP-Mann Volker Beisel auf den Punkt brachte. Inzwischen ist die Vorlage geändert worden. "Die Umsetzungen stehen unter dem Beschluss- und Finanzierungsvorbehalt des Gemeinderates", heißt es nun darin. Der Rat tagt an diesem Donnerstag, die Zustimmung gilt als sicher.
Von den 81 Maßnahmen hat die Stadt 34 mit "Top-Priorität" ausgezeichnet. Diese sollen bereits ab dem kommenden Jahr umgesetzt werden. Was es kosten würde, alle Projekte zu verwirklichen, kann niemand genau beziffern. Oberbürgermeister Peter Kurz (SPD) schätzt, dass zur Erreichung der Klimaneutralität Mannheims ein zweistelliger Milliardenbetrag notwendig ist. Die Stadt hat es selbst nicht in der Hand. Sie könne auf ein Drittel der Maßnahmen Einfluss nehmen, sagte Agnes Schönfelder, Leiterin der kommunalen Klimaschutzagentur, dem "Spiegel". Für ein weiteres Drittel seien Entscheidungen von EU, Bund und Land notwendig. Den Rest müssten Bürger und Unternehmen beisteuern. Von der EU kann Mannheim Hilfe erwarten, gehört die Metropole doch wie Heidelberg zu den 100 ausgewählten Modellstädten, die bis 2030 klimaneutral werden sollen. Für ausgereifte Projekte gibt es Zuschüsse aus Brüssel. Punkten will Mannheim – mit dem Klimaschutzaktionsplan.




