Eine Ordensschwester stellt sich den mächtigen Kirchenmännern
Schwester Philippa Rath sprach im Wendelinushaus über die Gleichstellung von Mann und Frau sowie notwendige Reformen in der Katholischen Kirche.

Von Sandra Kettenmann
Reilingen. Philippa Rath ist eine mutige Ordensfrau, die sich gegen die mächtigen Bischöfe stellt und für Reformen in der katholischen Kirche kämpft. Die Benediktinerin setzt sich für die Gleichstellung ein, ist Mitglied der Vollversammlung des Synodalen Weges sowie des Frauenforums (siehe unten) und ist überzeugt davon, noch die erste katholische, geweihte Frau erleben zu dürfen.
Der Frauenanteil in der katholischen Kirche beträgt weltweit etwa 52 Prozent. Das sind rund 800 Millionen weibliche Gläubige. Die Institution hat aktuell eine der größten Austrittswellen zu verzeichnen. Missbrauch und Diskriminierung lassen die Glaubwürdigkeit immer weiter sinken und das Misstrauen in der Bevölkerung wachsen.

Die Benediktinerin glaubt aber an die Zukunft der katholischen Kirche. Das betonte sie mehrfach bei ihrem Impulsvortrag beim katholischen Bildungswerk in Reilingen am Freitag, 14. Juli, im Wendelinushaus. Hierfür hatten sich etwa 70 Interessierte angemeldet. Alle wollten die Reformerin im Ordensgewand sehen und ihr zuhören.
Philippa sprach über ihre beiden Bücher. Das erste "Weil Gott es so will" beinhaltet Schreiben von Frauen, die ein geweihtes Amt (wie Diakonin oder Priesterin) als ihre Berufung sehen. Diese Ämter sind in der katholischen Kirche ausschließlich Männern vorbehalten.
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Das Buch entstand aus einem Streitgespräch, das die Benediktinerin mit zwei Bischöfen führte. Sie behaupteten, dass Frauen kein Interesse an diesen Ämtern hätten. Philippa sah das anders, ging an die Öffentlichkeit und erhielt viel Resonanz von Frauen und auch Männern. "350 Menschen schrieben mir. Bis auf fünf waren alle positiv", berichtet sie.
150 der Lebenszeugnisse von Frauen hat sie in ihrem ersten Buch veröffentlicht. Laut Rath sind von ihnen vier aus der Kirche ausgetreten, vier weitere haben die Konfession gewechselt. Sie alle "lieben die Kirche und leiden so unendlich an ihr". Sie lud alle Frauen zu einem Zoom-Meeting ein, hier sahen sie sich zum ersten Mal. "Ich dachte, ich bin eine Exotin", zitiert Rath eine der Frauen und ergänzt: "Nein. Hier hat man gesehen, dass wir ein großes Rudel sind."
Ihr zweites Buch "Frauen ins Amt! Männer der Kirche solidarisieren sich" lässt die Männer der Kirche zu Wort kommen. Das Buch beinhaltet 100 persönliche Erfahrungsberichte, darunter auch die von 12 Bischöfen, die sich für eine Kirche mit geweihten Frauen aussprechen. Für die Kirchenmänner kein einfaches Unterfangen, weshalb einige Berichte auch anonymisiert werden mussten.
Um die Tragweite eines solchen Bekenntnisses zu definieren, erklärt Rath, dass es bei den Bewerbungsverfahren für das Bischofsamt einen Fragebogen gebe. Hier werde unter anderen auch die Frage nach der Einstellung des Bewerbers zu Frauen im geweihten Amt gestellt. Wer sich an dieser Stelle positiv äußern würde, mindere seine Chancen auf das Amt, so die Ordensfrau.
Bei der Synodalversammlung, dem obersten Organ des Synodalen Weges, war Philippa Rath eine von 230 Delegierten – darunter 80 Frauen. Die Versammlung wurde in vier Foren aufgeteilt: Macht, Rolle der Frau, Sexualmoral und priesterliche Lebensform. Die Benediktinerin wurde mit weiteren 31 Personen in das dritte Forum, das Frauenforum, gewählt. Die Bischöfe konnten sich einem Forum selbst zuteilen. Laut Rath lehnen etwa 20 Prozent der deutschen Bischöfe eine Reform ab, dazu würden die Männer auch Rückhalt aus Rom erhalten. Das mache die Veränderung zu keinem leichten Unterfangen.

Sie berichtet vom Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer. Er hatte sich in der Vergangenheit bereits mehrfach gegen die Weihe von Frauen ausgesprochen und sich dem Frauenforum auf der Synodalversammlung zugeteilt. Philippa erklärte, dass es die Zwei-Drittel-Mehrheit der Bischöfe benötigt, damit ein Reformentwurf genehmigt wird. Weshalb der Passus über die Weihe von Frauen zur Priesterin zwar Erwähnung findet, aufgrund der Gegenstimmen jedoch gestrichen werden musste.
Ein weiterer Ansatz des Forums für Sexualmoral der Synodalversammlung ist die Abschaffung des verpflichtenden Zölibates. Für Rath notwendig, denn es sei eine Zumutung für jeden Priester, der alleine in seinem Pfarrhaus säße. "Wir haben in den Klöstern wenigstens einander und vereinsamen nicht", weshalb für sie die freiwillige Ehelosigkeit ein weiterer Schritt in Richtung Zukunft ist.
Bei all den Hürden und dem Widerstand aus den Bischofsreihen zeigt sich die Ordensfrau trotzdem kämpferisch und für die Zukunft zuversichtlich. Denn für sie sind Veränderungen bereits im Kleinen zu sehen. Durch den Priestermangel und den Verlust der Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche stehen immer mehr Frauen in den Gotteshäusern, in den Gemeinden und in kleinen Glaubensgruppen. Sie predigen und greifen dort ein, wo kein Pfarrer mehr verfügbar ist.
Im Gespräch verriet die Benediktinerin, dass sie als Kind Bundeskanzlerin werden wollte. Von ihrer Lehrerin hätte sie für diese Wunschäußerung eine schallende Ohrfeige erhalten, weil ein solches Amt als Frau undenkbar sei. In Reilingen erzählte sie von den Messdienern, die früher alle männlich waren und Frauen bei den Ministranten nicht zugelassen wurden.
Ein Blick in die Gotteshäuser zeigt heute ein anderes Bild und Angela Merkel als frühere Bundeskanzlerin, dass die Lehrerin Unrecht hatte und es doch möglich ist. "Für viele ist Tradition eine Betonsäule", erklärt die Ordensfrau, "das ist so bequemer". Aber Tradition sei nicht statisch, sondern dynamisch, ist sich Philippa Rath sicher: "Es wird Zeit, neue Traditionen zu schaffen."
Der Synodaler Weg
Der Synodale Weg hat am 1. Advent 2019 begonnen und soll Antworten und Lösungen für die Situation der katholischen Kirche aufzeigen. Auslöser war die Studie über "Sexuellen Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige". Der Synodale Weg wird von der Deutschen Bischofskonferenz und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) verantwortet. Die Synodalversammlung setzt sich aus den Mitgliedern der Deutschen Bischofskonferenz und aus dem ZdK gewählten Mitgliedern sowie Vertreterinnen und Vertretern weiterer Personen- und Berufsgruppen zusammen. Alle Beschlüsse können unter www.synodalerweg.de nachgelesen werden.
Über Schwester Philippa Rath
Sie ist Benediktinerin der Abtei Sankt Hildegard in Rüdesheim-Eibingen. Die Theologin und Politikwissenschaftlerin war vor ihrem Ordensleben Journalistin und Verlagslektorin. Sie ist Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) und der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs im Bistum Limburg. Als Delegierte im Synodalen Weg ist sie Teil des Synodalforums "Frauen in Diensten und Ämtern der Kirche". Ende 2019 wurde sie mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.




