Warum Robert Habeck den Klinikverbund retten könnte
Das Kartellamt sagt wohl Nein zu den Plänen. Die Hoffnungen ruhen auf dem Wirtschaftsminister.

Von Alexander Albrecht
Mannheim/Heidelberg. Es ist ein herber Dämpfer, das voraussichtliche Nein des Bundeskartellamts zum geplanten engen Verbund der Universitätsklinika Heidelberg Mannheim – retten könnte das Projekt nun Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Mit einer Art Ausnahmegenehmigung.
Warum ist das Kartellamt überhaupt zuständig? Das liegt an der ungewöhnlichen Organisationsstruktur des Mannheimer Uniklinikums. Im Gegensatz zu den Standorten in Heidelberg, Freiburg, Tübingen und Ulm wird das Haus von der Stadt getragen. Nur die Kosten für die Medizinische Fakultät (Lehre und Forschung) – die wiederum formal zu Heidelberg gehört – zahlt das Land.
Somit gibt es zwei unterschiedliche Rechtsträger und einen sogenannten Zusammenschluss-Tatbestand, den die Behörde prüfen muss. So absurd es auch klingen mag: Wollten die Unikliniken Freiburg und Ulm gemeinsame Sache machen, hätte das Kartellamt nichts zu sagen.
Woran stört sich die Behörde? Vorab: Das Kartellamt nimmt Projekte wie den Verbund lediglich rein wettbewerbsrechtlich unter die Lupe. Typischerweise wird davon ausgegangen, dass ein Unternehmen eine marktbeherrschende Stellung einnimmt, wenn es einen Marktanteil von mehr als 40 Prozent hat. Nach RNZ-Informationen liegt Mannheim im dafür relevanten Umkreis von bis zu 40 Kilometern knapp darunter.
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Die Kartellrechtler machen jedoch keinen Unterschied zwischen Grundversorgern, wie zum Beispiel den GRN-Kliniken im Rhein-Neckar-Kreis, und der Spitzenmedizin. Sie gehen von einem einheitlichen Klinikmarkt aus, werfen, salopp gesprochen, die schwierige Herztransplantation und die routinemäßige Blinddarm-OP in einen Topf.
War’s das für den Verbund? Nein. Die Beteiligten – das Land, die Stadt Mannheim und die Uniklinik Heidelberg – können nun zwei Wege beschreiten. Erste Möglichkeit ist eine Beschwerde beim zuständigen Oberlandesgericht in Düsseldorf. Davon wird nach Informationen dieser Zeitung wohl abgesehen. Das Wettbewerbsrecht sieht aber noch eine zweite Option vor: einen Antrag auf Ministererlaubnis beim Bundeswirtschaftsministerium. Die Habeck-Behörde untersucht auch andere Argumente und kann sich über die Entscheidung des Kartellamts hinwegsetzen.
Welche Argumente sind das? Der Verbund, so sagen es die Beteiligten, will gar nicht mit den kleineren Häusern in der Region konkurrieren, sondern sich als "Leuchtturm" national und international mit den großen Kliniken messen. Davon könnten andere Krankenhäuser in der Metropolregion sogar profitieren, weil sie mehr Fälle in der Grundversorgung erhalten und ihre Einnahmen steigern können. Zudem findet ja kein Preiswettbewerb statt, der in der privaten Wirtschaft eine große Rolle spielt.
Zu Themen wie der Medizinerausbildung, Finanzierung, Forschung und Krankenversorgung darf das Kartellamt gar keine Einschätzung abgeben – das Ministerium dagegen schon. Ebenfalls nicht berücksichtigt hat die Behörde deshalb die "Health & Life Science Alliance", die sich um den beabsichtigten Verbund herum mit Forschungseinrichtungen wie dem DKFZ und dem EMBL oder Mannheimer ZI gegründet hat.
Wie prüft das Ministerium einen solchen Antrag? Zunächst einmal ist es an die wettbewerbsrechtlichen Feststellungen des Kartellamts gebunden. Das Ministerium folgt einem geordneten Verfahren, führt Gespräche mit anderen Krankenhäusern, Krankenkassen oder auch der Kassenärztlichen Vereinigung. Eine Entscheidung muss innerhalb von vier Monaten erfolgen.
Da das Hauptprüfverfahren im Bundeskartellamt wahrscheinlich erst Ende Juli abgeschlossen ist und noch ein Antrag für die Ministererlaubnis formuliert werden muss, verschiebt sich auch der Start des Verbunds, der für den 1. Januar 2025 vorgesehen war, auf frühestens das erste Quartal nächsten Jahres.
Wie stehen die Chancen auf eine Ministererlaubnis? In der Geschichte der Bundesrepublik gab es 23 Anträge auf eine Sondergenehmigung, davon sind zehn bewilligt worden. Was Hoffnung macht: 2008 gab das Ministerium grünes Licht für eine Fusion der Uniklinik Greifswald mit dem Kreiskrankenhaus Wolgast, um die universitäre Forschung zu erhalten.
Welche Rolle spielt Franziska Brantner? Die Heidelberger Grünen-Bundestagsabgeordnete ist Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium, einflussreiche Strippenzieherin und steht bekannterweise einem Verbund positiv gegenüber. Die Verantwortlichen in der Kurpfalz und in Berlin werden jedoch alles unternehmen, um den Vorwurf einer Mauschelei nicht aufkommen zu lassen. Abgesehen davon liegt das Kartellrecht nicht in Brantners Zuständigkeitsbereich.
Wenn Habeck Nein sagt, wie geht es dann weiter? Die Heidelberger Uniklinik kann so weiterarbeiten wie bisher, auch die Forschungsallianz bliebe davon wohl weitgehend unberührt. Mannheim droht dagegen der Verlust der Marke "Universitätsklinikum" mit allen weiteren Folgen. Im schlimmsten Fall müsste dann das "Städtische" privatisiert werden oder würde in die Insolvenz rutschen.
Seit dem Hygieneskandal 2014 schreibt das Haus tiefrote Zahlen. Deshalb muss der Mannheimer Gemeinderat Jahr für Jahr Zuschüsse in zweistelliger Millionenhöhe absegnen, um den Betrieb am Laufen zu halten. Das hatte der frühere Oberbürgermeister Peter Kurz (SPD) zum Anlass für einen "Brandbrief" an Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) genommen. Der regte eine Kooperation zwischen Heidelberg und Mannheim an – daraus entsprang in der Region die Idee einer Fusion.
Den Zusammenschluss lehnte das Land neben kartellrechtlichen Erwägungen vor allem deshalb ab, weil die "Neue Mitte" – praktisch ein neues Krankenhaus auf dem Uniklinikgelände – nicht förderfähig gewesen wäre. Daher der Verbund mit einem Mutter-Tochter-Modell unter Heidelberger Führung. Sicher ist: Der Gemeinderat kann nicht ewig die Klinik stabilisieren.
Und das wird auch das Land nicht tun wollen, das derzeit und in Erwartung eines Verbunds, 60 Prozent der Defizite übernimmt. Andererseits: Mannheim bildet aktuell 2200 Studierende aus. Diese und das akademische Personal können nicht ohne Weiteres schnell auf andere Standorte verteilt werden.
Zumal der Mannheimer Studiengang in Rankings hervorragend abschneidet und die Uniklinik in der Forschung zum Beispiel mit einem neuen Helmholtz-Zentrum für Herzmedizin oder dem DKFZ-Hector-Krebsinstitut durchaus Erfolge feiert. Sollte sich das Land zurückziehen, stünde womöglich auch die "Neue Mitte" mit einem Investitionsvolumen von rund 1,3 Milliarden Euro auf der Kippe.