Tina Nailor koordiniert Ideenwettbewerb zu Erneuerbaren Energien
Für die Buga zurück in die alte Heimat: Sie kennt noch die frühere Kasernenwelt.

Von Marco Partner
Mannheim. Manchmal bestimmen Zufälle den weiteren Lebensweg. Tina Nailor ist mindestens zweimal Tyche – der griechischen Göttin des Schicksals – über den Weg gelaufen. Sie erlebte einen unglaublichen und einen unvergesslich kuriosen Moment. Ein Zufall hat mit einem Mann, der andere mit ihrer beruflichen Rückkehr nach Mannheim zu tun. Die gebürtige Viernheimerin lebt seit zwei Jahrzehnten in den USA. Die Bundesgartenschau 2023 aber bedeutet für die 48-Jährige eine Art Heimkehr. Als Projektkoordinatorin eines Ideenwettbewerbs zu Erneuerbaren Energien ist sie ganz unmittelbar an der Großveranstaltung beteiligt. Vor allem die alte Kasernenwelt hat sie noch in lebhafter Erinnerung.
Geboren wird Tina Nailor (Geburtsname Amerine) im März 1973. Ihr Vater ist als US-Soldat in den Coleman-Baracks in Mannheim stationiert, ihre Mutter ist eine waschechte Viernheimerin. So wächst sie zweisprachig auf, einen starken Bezug hegt Nailor zur Großmutter, die mit der Mönchhofsklause eine gerade bei den Amis beliebte Kneipe führt. Als Kind und Jugendliche steht auch Klein-Tina gern am Tresen, zapft Bier und lauscht den Gesprächen. Ob Sohn eines Öl-Tycoons aus Texas oder einfacher Farmerjunge aus Alabama: In der Viernheimer Kneipe sind sie alle gleich. "So kam viel amerikanische Kultur in unser Leben", erklärt sie, in den USA selbst aber ist sie auch als Jugendliche nie.
Als Heranwachsende hat sie Spaß, ihren Klassenkameraden die Songs von Michael Jackson und Co. zu übersetzen. Aber sie muss auch mit Vorurteilen kämpfen. "Ich bin groß geworden als Halb-Amerikanerin und Halb-Deutsche. Bis ich irgendwann im Konsulat gesagt bekam: Niemand ist halb-halb, du bist Voll-Deutsche und Voll-Amerikanerin. Das war wichtig für meine Identität, wie ich mich selbst sehe. Ich kann nach Hause gehen, in beide Richtungen", betont sie. Und das macht sie auch.
Als gelernte Zahntechnikerin zieht sie als 25-Jährige ganz bewusst in die USA, zu ihrem Vater nach Tennessee, um dort zu arbeiten. Die Einöde von Murfreesboro jedoch ist nicht unbedingt das, was sie sich unter dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten vorgestellt hat. Und so reist sie nach einem Jahr wieder weiter und arbeitet unter anderem als Tauchlehrerin auf Zypern. Eine Begegnung in der Kneipe ihrer Oma aber geht ihr nicht aus dem Kopf. 1991 verirrt sich ein US-Pilot namens John Nailor in das kleine Lokal. John und Tina verbringen viel Zeit zusammen, doch als er nach Korea muss, verlieren sie sich aus den Augen.
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"Jahre später steht er auf einem Konzert von Aerosmith in Nashville auf einmal vor mir", sagt die 48-Jährige über den schönsten Zufall ihres Lebens. Ein paar Jahre und Umzüge gehen noch ins Land, doch als John Nailor in Ramstein stationiert ist, besucht er seine große Liebe in Viernheim und fragt, ob sie nicht fest in die USA ziehen möchte. "Wir hatten uns immer im Herzen behalten, es war die beste Entscheidung", sagt sie fast 20 Jahre später.
So lange lebt sie nun schon in Amerika. Aufgrund des Militärlebens ihres Mannes mal in Tennessee, mal in New York und nun in Tacoma im Bundesstaat Washington ganz im Nordwesten. Nailor wird zweifache Mutter, mit Ausbruch der Pandemie packt sie der Ehrgeiz, noch mal zu studieren.
Seitdem ist sie in der Stadtforschung tätig. So kommt es zur zweiten Begegnung mit der griechischen Göttin Tyche. Als bei einem Online-Meeting von einem Projekt in Mannheim die Rede ist, hat es im wahrsten Sinne Zoom gemacht. "Sie haben gesagt, dass sie noch einen lokalen Projektmanager suchen. Ich habe in meinem kleinen Zoom-Fensterchen gesessen und wie wild gewunken und fast geschrien: Ich bin von da!"
Jetzt ist sie als Projektkoordinatorin von Lagi (Land Art Generator Initiative) beschäftigt, die auf der Bundesgartenschau kunstvolle Nachhaltigkeitsprojekte realisieren möchte (die RNZ berichtete). Bei einem Besuch im Oktober erkennt sie das zur Wohnsiedlung umgebaute Franklin-Areal kaum wieder. Hier war auch ihr damaliger Freund und jetziger Ehemann John stationiert.
"Das war ein bittersüßes Erlebnis, diese Veränderungen zu sehen. Für mich kommt da ganz viel zusammen. Das Spinelli-Gelände oder auch Benjamin-Franklin-Village kenne ich ja noch als Militärgebiete der Amis. Wir sind dort einkaufen gegangen oder ins Kino. Aber die Gates mit ihren Stacheldrähten empfand ich auch als befremdlich. Ich finde es schön, wenn die Vergangenheit als Teil der Identität sichtbar bleibt, aber nun auch neues Leben einzieht", betont sie.
Stillstand hat schließlich auch ihr bewegtes Leben nicht geprägt. Vieles hat sich verändert, auch die Kneipe ihrer Oma gibt es nicht mehr. Wenn nicht gerade Pandemie ist, fliegt Tina Nailor einmal im Jahr nach Hause, um ihre Mutter und ihren Bruder zu besuchen. Für 2022, und vor allem für das Bundesgartenschau-Jahr 2023, hat sie jedoch schon ein paar Tage mehr eingeplant.



