Autonomes Fahren in der Region

Intelligente Autos erobern die Stadt

Testfeld startet noch in diesem Frühjahr in Karlsruhe, Heilbronn und Bruchsal - Ein Pilotprojekt

08.01.2018 UPDATE: 09.01.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 22 Sekunden

Technik ist doch (noch) nicht alles: Das Forschungszentrum Informatik (FZI) in Karlsruhe will die Fahrzeuge mit Sensoren, Kameras sowie Hard- und Software ausstatten. Trotzdem wird immer ein Fahrer an Bord sein, um in Gefahrensituationen eingreifen zu können. Foto: Naupold

Von Susanne Kupke

Karlsruhe/Bruchsal/Heilbronn. Eine Kamera hoch oben am Ampelmast. Darunter braust der Verkehr. Zu sehen ist noch nicht viel an der stark befahrenen Kreuzung Durlacher Allee/Ostring in Karlsruhe. Dabei soll hier ab April, spätestens Mai die Zukunft stattfinden. Dann soll an ausgewählten Strecken zwischen Karlsruhe, Bruchsal und Heilbronn das Testfeld "Autonomes Fahren Baden-Württemberg" starten. Ein Pilotprojekt.

Denn im Vergleich zu anderen Teststrecken in Braunschweig, an der A 9 in Bayern oder im Saarland zeichnet das hiesige Testfeld eine Besonderheit aus: Es umfasst alle Arten von öffentlichen Straßen - von der Autobahn über die Landstraße bis hin zur städtischen Hauptverkehrsachse und Wohnstraße.

Hintergrund

Beim autonomen Fahren soll im Auto auf einen Fahrzeuglenker verzichtet und alles vom Computer gesteuert werden. Die Technik dafür basiert vor allem auf Sensoren und Kameras. Sie erfassen die Umgebung und verarbeiten die Daten in Bruchteilen von Sekunden. Einparkhilfen oder

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Beim autonomen Fahren soll im Auto auf einen Fahrzeuglenker verzichtet und alles vom Computer gesteuert werden. Die Technik dafür basiert vor allem auf Sensoren und Kameras. Sie erfassen die Umgebung und verarbeiten die Daten in Bruchteilen von Sekunden. Einparkhilfen oder Stauassistenten funktionieren bereits so. Das voll automatisierte Fahren entspricht dem Autopiloten im Flugzeug - der Fahrer könnte auch auf dem Rücksitz Platz nehmen. Beim vernetzten Fahren tauschen sich Autos mit anderen Fahrzeugen aus sowie mit Ampeln und anderen Infrastruktursignalen. Das kann helfen, einen freien Parkplatz zu finden oder sich gegenseitig rechtzeitig zu warnen, um Unfälle und Staus zu vermeiden.

Voraussetzung für vernetztes Fahren ist ein extrem leistungsfähiges Mobilfunknetz, das riesige Datenpakete in Millisekunden hin und her senden kann. Autohersteller gehen davon aus, dass die Technik in den kommenden Jahren Schritt für Schritt die Kontrolle übernehmen wird. Um 2020 rechnet man mit hochautomatisiertem Fahren auf der Autobahn. Im komplexeren Stadtverkehr dürfte das länger dauern. Zu Testzwecken sind schon heute autonome Autos auf Autobahnen unterwegs. Ein Fahrer ist allerdings auch hier immer dabei; er darf die Kontrolle nie komplett abgeben. lsw

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"Autonomes Fahren wird die Zukunft des Verkehrs verändern", ist Uwe Lahl überzeugt, Ministerialdirektor im Stuttgarter Verkehrsministerium. Wie, das soll im Testfeld ausprobiert werden. Einer Art "Reallabor" für verschiedenste Mobilitätskonzepte. Vor allem kleine und mittlere Unternehmen sollen hier ihre Systeme und Geschäftsmodelle für den künftigen Milliardenmarkt erproben können.

Dabei geht es um mehr als selbstfahrende High-Tech-Flitzer: "Das Testfeld bietet die Gelegenheit, neue Mobilitätsangebote zu testen", sagt Karlsruhes Oberbürgermeister Frank Mentrup (SPD). So wollen Stadt und Region Bruchsal prüfen, ob auch Carsharing autonom funktioniert.

Erste Fahrzeuge für das Testfeld gibt es schon: Das Forschungszentrum Informatik (FZI), das federführend im Träger-Konsortium ist, hat Autos mit Sensoren, Kameras sowie intelligenter Soft- und Hardware ausgestattet. Damit können sie ihre Umgebung wahrnehmen und die gesammelten Informationen interpretieren. Äußerlich erkennbar sind die weißen FZI-Autos am Wabenmuster und dem Warnlicht auf dem Dach. Wie viele solcher Fahrzeuge von Forschungseinrichtungen und Unternehmen ab Frühjahr auf Autobahnen, Landstraßen oder in 30-Kilometer-Zonen unterwegs sein werden, kann man im FZI noch nicht sagen. Klar ist, dass mittelfristig auch Busse eingesetzt werden. Schließlich ist der Karlsruher Verkehrsverbund (KVV) Betreiber des Testfelds.

Damit die Autos kommunizieren können, müssen auch Straßen, Kreuzungen oder Parkhäuser technisch aufgerüstet werden: mit Sensoren, die Autos, Straßenbahnen, Radfahrer oder Fußgänger, aber auch Daten zum Wetter und zum Straßenzustand erfassen.

Erste Abschnitte mit einer Länge von rund 20 Kilometern sind im Aufbau. In Karlsruhe ist es eine Strecke, die über den Ostring, die Wolfartsweierer Straße sowie Teile der Haid-und-Neu-Straße und die Südtangente führt, in Heilbronn fahren Testwagen in der Karl-Wüst-Straße und der Albertistraße.

Und was passiert, wenn dem automatisierten Auto auf der Spielstraße das hinter dem Ball her rennende Kind in die Quere kommt? Im Idealfall erkennt es die Situation sofort und bremst. Doch für den Fall, dass das Forschungsfahrzeug nicht schnell genug reagiert, ist stets ein Fahrer an Bord. "Das sind ausgebildete Sicherheitsfahrer. Die haben gelernt, solche Situationen abzuschätzen und entsprechend zu reagieren", sagt FZI-Sprecherin Julia Feilen. Ein zusätzliches Risiko für andere Verkehrsteilnehmer darf nicht entstehen, betont Karlsruhes OB Mentrup.

Für Konzeption, Planung und Ausbau des Testfelds gibt das baden-württembergische Verkehrsministerium 2,5 Millionen Euro. Die Partner des im November 2016 begonnenen und für fünf Jahre geplanten 6,7 Millionen-Euro-Projektes steuern weitere Mittel und Material bei. Dafür können sie ihre neuen Fahrzeugsysteme für automatisiertes und vernetztes Fahren im realen Straßenverkehr testen. Wann die ersten selbstfahrenden Autos, Busse oder Reinigungsfahrzeuge in den Städten zum Alltag gehören, ist noch ungewiss. "Autonomes Fahren reif werden zu lassen, ist ein mühsamer Weg", weiß Fahrzeugtechnik-Professor Hermann Winner von der TU Darmstadt. Er rechnet mit ersten Pilotanwendungen um das Jahr 2020. "Bis aber 50 Prozent erreicht sind, sind eher zwei Dekaden abzuwarten."

Schließlich gilt es nicht nur technische Fragen zu klären, sondern auch solche zur Akzeptanz in der Bevölkerung, zur Wirtschaftlichkeit, Haftung bis hin zum Datenschutz.

Die größten Herausforderungen sieht der Darmstädter Hochschulexperte aber bei der Sicherheit: "Wir wissen noch viel zu wenig über die Kunst des Autofahrens." So leicht ist der Mensch als Fahrzeuglenker offenbar doch nicht zu ersetzen.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
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