Abgeschobener Afghane

Nazaris Unterstützer bleiben dran (Update)

Der grüne Landtagsabgeordnete Uli Sckerl versucht die Einreisesperre des aus Ladenburg abgeschobenen Afghanen zu verkürzen. Auch der Verein "Intakt" setzt sich ein.

27.01.2021 UPDATE: 18.06.2021 20:00 Uhr 5 Minuten, 41 Sekunden
Mostafa Nazari in Kabul. Dieses aktuelle Foto stellte die Ladenburger Flüchtlingshelferin Petra Fuhry der RNZ zur Verfügung. Fotos: Dorn/privat

Ladenburg. (cab) Wie steht es eigentlich um die Rückkehr des Afghanen Mostafa Nazari, der im Januar 2020 unter umstrittenen Umständen in seine Heimat abgeschoben worden war? Anlässlich des "Welttags der Flüchtlinge" am Sonntag fragte die RNZ beim Grünen-Landtagsabgeordneten des Wahlkreises Weinheim, Uli Sckerl, nach.

Dieser hatte im vergangenen Januar angekündigt, für Nazari im Stuttgarter Innenministerium ein "humanitäres Hilfsgesuch" zu starten. Offenbar gab es seitdem keine Wende, denn Sckerl sagte am Freitag, dass noch immer Menschen aktiv seien, um dem Afghanistan-Flüchtling eine Rückkehr zu ermöglichen. Auch er selbst gehöre dazu. Nazari galt seinerzeit in Ladenburg als bestens integriert. Er war berufstätig. Er war allerdings auch im Juni 2016 nach einem Streit wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. Sckerl vertrat schon im Januar die Ansicht, Nazari habe für seinen Fehler gebüßt.

Am Freitag sagte der Abgeordnete, es gehe nach wie vor darum, eine Verkürzung der Einreisesperre "auf sehr deutlich unter 30 Monate" zu erreichen: "Ich werbe zudem dafür, Herrn Nazari, der ein hoch qualifizierter Straßenbauer ist und hier sofort wieder einen Arbeitsplatz einnehmen könnte, im Wege der Zuwanderung mit einem Visum zur Arbeitsaufnahme eine Chance zu geben". Arbeitskräfte wie Nazari würden händeringend gesucht.

Aber: "Schnelle Entscheidungen gibt es auf diesem Feld nicht", so Sckerl. Man müsse Hartnäckigkeit und Ausdauer mitbringen. Beides habe auch der Verein "Intakt" um die Ladenburger Flüchtlingshelferin Petra Fuhry. Sckerl sagte, er sei optimistisch, dass in den nächsten Monaten entscheidende Schritte nach vorne gelingen.

Update: Freitag, 18. Juni 2021, 20.08 Uhr

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Grünen-Innenpolitiker Sckerl will Mostafa Nazari helfen

Ladenburg. (cab) Die Zukunft des Afghanen Mostafa Nazari beschäftigt auch den Weinheimer Grünen-Landtagsabgeordneten und innenpolitischen Sprecher der Landtagsfraktion, Uli Sckerl. Auf Anfrage der RNZ teilte Sckerl mit, dass er "in diesen Tagen beim Innenministerium ein humanitäres Hilfsgesuch starten" werde. Sckerl will erreichen, dass Nazaris 30-monatige Einreisesperre aufgehoben wird, um diesem die Wiedereinreise nach Deutschland zu ermöglichen.

Nazari, der zuletzt in Ladenburg lebte und als bestens integriert galt, war im Januar 2020 abgeschoben worden. Das Regierungspräsidium Karlsruhe hatte einen Antrag auf Verkürzung der Einreisesperre am 13. Januar abgewiesen. "Die Abschiebung vor Jahresfrist war ein schwerer Fehler", so Sckerl. "Es bestand und besteht öffentliches Interesse an seinem Aufenthalt, weil er sich als Tiefbaufacharbeiter bestens bewährt hat, weil er sich sehr gut integriert hat und weil es hier eine Firma gibt, die händeringend Fachkräfte sucht und ihn sofort wieder einstellen wird", sagte Sckerl. Die Firma ist das Mannheimer Bauunternehmen Diringer & Scheidel.

Bezüglich der Verurteilung Nazaris zu einer Bewährungsstrafe im Juni 2016 wegen gefährlicher Körperverletzung sagte Sckerl, Nazari habe einen Fehler gemacht. Dafür habe er gebüßt und daraus gelernt. Er habe wie jeder Mensch eine zweite Chance verdient.

Sckerl sagte, er habe viele Abschiebungen des RP in den vergangenen Jahren miterlebt und halte die dahintersteckende Politik für falsch. "Ermessensspielräume werden nicht genutzt. Gerade junge Menschen, die sich für ihre Integration schier ein Bein ausgerissen haben, werden gnadenlos abgeschoben, auch wenn sie eine sehr gute Perspektive haben."

Es gehe dem RP um Abschreckung, aber nicht darum festzustellen, ob und wie in solchen Fällen geholfen werden kann, "und zwar dem Flüchtling und seinem Arbeitgeber", so Sckerl. "Wir müssen daraus endlich eine Win-Win-Situation machen". Einmal für die Gesellschaft, die gut integrierte Fachkräfte brauche, zum anderen für den Flüchtling selbst.

"Wir bilden einen Tiefbaufacharbeiter mit Steuergeldern und auf Kosten des Unternehmens aus. Er wird sogar Jahrgangsbester. Dann schieben wir ihn nach Jahren erfolgreicher Integration ab. Jetzt muss er in Kabul sehen, wie er Bombenanschlägen entkommt. Wie absurd ist das?", so der Abgeordnete. Dieser sprach sich gegenüber der RNZ erneut für einen Kurswechsel für bessere Integration und für mehr Chancen der Zuwanderung von Fachkräften aus.

Update: Donnerstag, 28. Januar 2021, 20.14 Uhr


Mostafa Nazari hat kaum noch Chancen auf eine Rückkehr

Von Carsten Blaue

Ladenburg. Es sollte ein Routinebesuch im Landratsamt des Rhein-Neckar-Kreises sein. Die Ladenburger Flüchtlingshelferin Petra Fuhry hatte am 10. Januar 2020 einen Termin in der Ausländerbehörde. Und sie war davon ausgegangen, dass es wieder um die Duldungsverlängerung ihres Schützlings Mostafa Nazari geht. Der damals 26-jährige Afghane war dabei, wurde zum Entsetzen Fuhrys im Büro von Polizisten festgenommen und vier Tage später in seine Heimat abgeschoben. Fuhry war danach wie traumatisiert: "Jetzt hole ich ihn eben wieder zurück. Die Energie werde ich auch noch aufbringen", sagte sie damals im RNZ-Gespräch. Gut ein Jahr später ist Fuhry frustriert. Nazari lebt jetzt unter widrigsten Bedingungen in Kabul. Und das Regierungspräsidium Karlsruhe (RP) hat den Antrag auf Verkürzung der 30-monatigen Einreisesperre am 13. Januar abgelehnt.

Zum Zeitpunkt seiner Abschiebung galt Nazari als bestens integriert. Er lebte in Ladenburg, engagierte sich im örtlichen Sportverein, bei den Ringern des ASV, und hatte feste Arbeit als Tiefbaufacharbeiter und Rohrleitungsbauer beim Mannheimer Unternehmen Diringer & Scheidel. Allerdings hatte das Amtsgericht Mannheim den Afghanen im Juni 2016 nach einem Streit unter Alkoholeinfluss wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer zehnmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt, die auf zweijährige Bewährung ausgesetzt war.

Ehrenamtlich engagierte sich Mostafa Nazari (l.) bei den Ringern des ASV Ladenburg. Foto: ASV Ladenburg

Nazaris Asylantrag wurde im Mai 2017 abgelehnt. Seit April 2019 galt der Vorbestrafte als "vollziehbar ausreisepflichtig" und musste jederzeit mit seiner Abschiebung rechnen – aller Integration zum Trotz. Nazari hatte sich auch nie wieder etwas zu schulden kommen lassen. Das betonen auch heute alle, die man dazu fragt: Fuhry, die Firma Diringer & Scheidel, die Nazari lieber heute als morgen wiederhaben möchte, oder Nazaris Anwalt Martin Heiming. Dieser hatte am 26. Juli 2020 bei der Ausländerbehörde des Kreises den Antrag gestellt, Nazari schon nach zwölf Monaten wieder einreisen zu lassen. Das Landratsamt leitete den Antrag ans RP "zwecks Erteilung der erforderlichen Zustimmung" weiter, wie eine Sprecherin des Kreises bestätigt. Doch Heiming blitzte beim RP ab. Die RNZ fragte die Karlsruher Behörde nach den Gründen.

"Knallhart, was die machen"

Es überwiege das öffentliche Interesse, den Ausländer aus dem Bundesgebiet fernzuhalten, so eine RP-Sprecherin in ihrer Antwort. Alleine die Aussicht auf Beschäftigung sei kein Grund für eine Verkürzung. Außerdem gehe es um eine "generalpräventive Zielrichtung". Andere Ausländer sollten davon abgehalten werden, ihre Ausreisepflicht zu missachten, zu umgehen oder zu verzögern. Laut RP sei Heiming überdies zur Erstattung der Abschiebungskosten in Höhe von 6850 Euro angehört worden.

Der Heidelberger Rechtsanwalt betreut Nazari seit etwa fünf Jahren. Er stellte mit ihm den Asylantrag und verteidigte ihn auch im Prozess. Die Antwort des RP sei zwar nicht verkehrt, so Heiming. "Aber ich finde knallhart, was die machen." Er glaubt auch, dass der Rhein-Neckar-Kreis mitgezogen hätte – was das Landratsamt auf gezielte Anfrage allerdings offen lässt.

Heiming jedenfalls ist grundsätzlich nicht einverstanden, wenn es um "Generalprävention" geht. "Das ist reine Theorie. Wie will man denn dadurch andere Flüchtlinge abschrecken? Sie erfahren ja nicht mal davon." In der Bewährungszeit hielt sich Nazari an alles. Seine Strafe sei also längst erlassen und er resozialisiert gewesen, als er abgeschoben wurde, so der Anwalt. Und er sei in Deutschland erfolgreich ausgebildet worden.

Unternehmen ist sehr enttäuscht

Nazari gehörte zu den Besten in seiner Lehre als Tiefbaufacharbeiter und wurde 2019 mit dem Verbandspreis der Bauwirtschaft ausgezeichnet. Daran erinnert sein Unternehmen Diringer & Scheidel. Doch auch der geschäftsführende Gesellschafter, Heinz Scheidel, kam jetzt nicht weiter. Eine Unternehmenssprecherin sagt, er habe sich persönlich im Stuttgarter Innenministerium für Nazaris Rückkehr eingesetzt und sich auch im ganzen Verlauf der Prüfung bis zur Ablehnung durch das RP engagiert. Die starre Haltung der Behörde und des Ministeriums "enttäuscht uns als Unternehmen sehr", so die Sprecherin. Sie sagt, Nazari habe aus seinem Vergehen und der Verurteilung Lehren für sein Leben gezogen und sich "absolut positiv" entwickelt. "Kann man sich noch besser integrieren als er es getan hat", fragt sie. Bei Diringer & Scheidel bleibe Nazari "in seinem Ansehen ein Teil der Belegschaft", betont die Sprecherin.

Sie weist schließlich noch auf den Fachkräftemangel in der Bauwirtschaft hin: "Es erscheint paradox. Denn nach dem neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz hätte Mostafa Nazari sofort seine Arbeit bei uns wieder aufnehmen können. Er erfüllt alle Kriterien. Unser dahin gehender Antrag wurde nur wegen der nicht aufgehobenen Einreisesperre abgelehnt." Auch Nazaris Schicksal lässt das Unternehmen nicht kalt: "Wir sind in Sorge um ihn", sagt die Sprecherin.

Fuhry hat ihm in Kabul eine Arbeitsstelle in einem Entwicklungshilfeprojekt der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) besorgt. Hier macht er vieles, was gerade anfällt. Fuhry, deren Ladenburger Flüchtlingshilfe inzwischen unter dem Namen "Int.Akt" ein eingetragener Verein ist, berichtet von katastrophalen Zuständen in Kabul. Nazari sei mehrfach ausgeraubt worden und zwei Bombenattentaten entkommen. Sie unterstütze ihn von Deutschland aus weiter finanziell, "da er sonst nicht hätte überleben können." Familie hat er in Kabul nicht. Zu den Brüdern im Umland kommt er nicht hin. Nazari haust in einem heruntergekommenen Zimmer.

Wenn er nach der Einreisesperre wieder nach Deutschland will, braucht er neben guten Gründen auch ein Visum, wie aus Angaben des RP hervorgeht. Den Antrag müsse er bei der deutschen Auslandsvertretung vor Ort stellen. "Die Visastelle der Botschaft Kabul bleibt bis auf Weiteres geschlossen", heißt es auf der Homepage der deutschen Vertretung in Afghanistan.

Noch immer „in seinem Ansehen ein Teil der Belegschaft“: Mostafa Nazari als Mitarbeiter der Mannheimer Bauunternehmensgruppe Diringer & Scheidel. Foto: Diringer & Scheidel
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