Mannheims OB Peter Kurz ist "dann mal weg"
Beim Festakt zur Verabschiedung gab es emotionale Worte an seine Frau, einen Appell an die Gäste und den Ausblick: "Mit einer Rückkehr ist zu rechnen!"

Von Alexander Albrecht
Mannheim. Es müssen nicht immer Meisterdenker wie Richard Sennett oder Roger Willemsen sein, die Literaturkritikerin Insa Wilke in ihrer Festrede mehrfach anführt – Oberbürgermeister Peter Kurz, selbst ein Intellektueller, hält es bei seiner Verabschiedung mit Hape Kerkeling und seinem Buch "Ich bin dann mal weg." Im Gegensatz zu dem Komiker will der scheidende Verwaltungschef – er ist noch bis 3. August im Amt – aber nicht auf dem Jakobsweg pilgern, sondern etwas zeitlichen und räumlichen Abstand zum Rathaus und der Stadt gewinnen.

"Ich bin dann mal weg" heiße aber auch: "Mit einer Rückkehr ist zu rechnen. Und ich hoffe, dass darin niemand eine Drohung sieht", meint Kurz grinsend zum Schluss eines unterhaltsamen Festakts am Donnerstag im voll besetzten Gustav-Mahler-Saal des Rosengartens. Genau dort, wo der SPD-Politiker 16 Jahre zuvor in sein Amt eingeführt wurde. Und ankündigte, "nicht nur verwalten, sondern gestalten" zu wollen, erinnert sein Nachfolger und (noch) Erster Bürgermeister Christian Specht (CDU), der den Redereigen eröffnet.
Er würdigt Kurz’ "stetiges Streben nach Veränderung" und bescheinigt ihm "unglaubliche Detailkenntnis", "großartige analytische Fähigkeiten" und einen "ungeheuren Anspruch an sich selbst". Specht zitiert zudem dessen Frau Daniela Franz: "Mannheim ist sein liebster Ort." "Diese intrinsische Motivation war die wohl wichtigste Quelle ihrer schier unermüdlichen Schaffenskraft", lobt der Erste Bürgermeister. "Es geht eine Ära zu Ende."
Die Gehirnzellen der 750 geladenen Gäste beansprucht Insa Wilke, die Leiterin des Mannheimer Lesen.Hören.Festivals. Kurz hatte sich die Berlinerin als Festrednerin und als Thema die "geistigen Dimensionen der Stadt" gewünscht. Was viel aussagt, über die Gedankenwelt des Oberbürgermeisters. Wilke gelingt die "Quadratur des Kreises", so der Titel ihres Vortrags, die Herzen erreicht sie damit aber nicht.
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Ganz anders Markus Lewe. Der Oberbürgermeister von Münster und Präsident des Deutschen Städtetags sagt in einer der vielen Videobotschaften: "Lieber Peter, Du bist ein wunderbarer, toller Mensch mit feinem Humor und bescheiden – aber nicht, was Deine Stadt angeht." Denn in Mannheim habe Kurz Großes geleistet: die Umwandlung ehemaliger Flächen des US-Militärs, eine Digitalisierungsstrategie oder die Bundesgartenschau.
Ein Mann, der nicht nur Ziele definiert, sondern verwirklicht habe. Kurz’ Errungenschaften sind auch in einem Streifen des Filmemachers Philipp Kohl zu sehen: 16 Minuten für 16 Jahre. Der Gelobte scherzt später, neben allen fachlichen Dimensionen des Austauschs und der Interessenvertretung habe der Städtetag "eine nicht unwichtige Funktion als Selbsthilfegruppe für Oberbürgermeister".

Musik darf in der "City of Music" nicht fehlen. Das türkische Trio Engin, Absolventen der Popakademie, besingen ein Kiosk im Jungbusch; mit Claus Boesser-Ferrari, Alexandra Lehmer und Erwin Ditzner erweisen drei Jazz-Größen aus Mannheim und der Region dem leidenschaftlichen Jazz-Liebhaber Kurz ihre Referenz. Sie interpretieren den Jimi-Hendrix-Klassiker "Third stone from the sun" auf ungewöhnliche Weise.

In seiner Rede wählt Kurz offene und emotionale Worte, die man selten von ihm hört. Der größte Dank geht an seine Frau Daniela Franz. Sie habe ihm in all den Jahren nicht nur den Rücken freigehalten, sondern sei, wie er, das Gesicht der Stadt gewesen. "Für diese Botschafter-Rolle habe nicht nur ich dir zu danken, sondern auch der Oberbürgermeister." Dass er beides, das Private und das Dienstliche, auseinanderhalten haben könne, "auch das habe ich dir zu verdanken". Daniela Franz und die beiden gemeinsamen Kinder hätten manche Belastung mitgetragen.
Seine Bilanz als OB hält Kurz knapp. Nicht alles, was er sich vorgenommen habe, sei gelungen, "aber unter dem Strich mehr, als ich mir zu Beginn hätte vorstellen können". Zu seinen Erfolgen zählt er, dass Mannheim internationaler und sichtbarer geworden sei, den Verwaltungsumbau, die Konversion und die Kulturpolitik. "Dass wesentliche Orte wie die Kunsthalle und das Nationaltheater geschaffen und bewahrt werden können, ohne die Stadt zu überfordern, macht mich froh", sagt der OB.
Keine Ratschläge ("Das wäre unangemessen"), sondern einen Appell richtet Kurz schließlich an die Anwesenden: "Humanität und Respekt sollten die Maßstäbe an der Beteiligung am öffentlichen Diskurs bleiben; und wo sie fehlen, sollten wir sie thematisieren." Verrohung in politischen Debatten beobachte er heute bis in die Mitte der Gesellschaft hinein. "Heute ist vieles sagbar, was vor Jahren zu Recht unsagbar war." Mit der pauschalen Abwertung von Gruppen oder Politik könnte die Demokratie nicht überleben. Stehende Ovationen und minutenlanger Beifall.



