Tag der Muttersprache

Was Linguisten bei Twitter und Facebook lernen

Linguistin Konstanze Marx untersucht die Kommunikation in sozialen Netzwerken

20.02.2019 UPDATE: 21.02.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 19 Sekunden

Konstanze Marx. Foto: vaf

Von Olivia Kaiser

Mannheim. Soziale Medien sind ein wichtiger Bestandteil der Kommunikation geworden. Wie sich die Schriftsprache im Netz entwickelt, wie Diskurse dort geschaffen werden und wie die Kommunikation in sozialen Netzwerken funktioniert, untersucht Linguistikprofessorin Konstanze Marx, die auch für das Institut für deutsche Sprache in Mannheim tätig ist. Die Jahrestagung des Instituts befasst sich ebenfalls mit diesem Thema.

Frau Marx, warum sind soziale Netzwerke wie Facebook oder Twitter für Linguisten interessant?

Weil Sprache dort eine interessante Form annimmt. Schriftlich wird abgebildet, was eigentlich mündlich gesagt wird. Damit bekommt Schriftlichkeit einen neuen Stellenwert. Meine Kollegin Angelika Stocher spricht von interaktionsorientiertem Schreiben. Mit einem Mal wird Schreiben auch für Sprache benutzt, die eigentlich gar nicht dafür gedacht ist, dass sie von Dauer ist.

Inwiefern verändert sich das im Netz?

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Das Spektrum erweitert sich: Man hat für unterschiedliche Situationen ein breites Repertoire an Ausdrucksmitteln zur Verfügung.

Zum Beispiel Emojis, Memes oder Hashtags?

Genau. Es gibt Situationen, in denen man lieber darauf verzichtet, etwas zu verbalisieren, weil es beispielsweise schwer fällt, Worte zu finden. Dann kann man sich für ein Emoji entscheiden. Es hat natürlich auch etwas Spielerisches, Memes oder GIFs zu verwenden, es sorgt für Amusement und lockert die Alltagsinteraktion auf. Texte können unterschiedlich gefärbt werden, in dem man beispielsweise ein Emoji beifügt oder eben nicht. Hashtags können Diskurse anzeigen, aber gleichzeitig auch welche schaffen. Selbst wenn ein Hashtag noch nicht etabliert ist, suggeriert die Nutzung, dass es schon einen Diskurs gibt. Das hat einen großen Wert für die gesellschaftliche Kommunikation.

Kritiker fürchten eine Verrohung der Sprache im Internet. Sind soziale Netzwerke besonders für das Ausleben von Diskriminierung, Gewalt und Hass geeignet?

Sprache an sich verroht nicht. Wir haben ein großes Repertoire, um Dinge eben auch sehr drastisch auszudrücken. Wer verrohen könnte, das sind diejenigen, die Sprache verwenden. Sprache ist genau das, was wir aus ihr machen. Im Netz ist es tatsächlich so, dass die Hemmschwelle sinkt, etwas auszuprobieren. Hinzu kommen die sogenannten Filterblasen oder Echokammern. Dort wird das, was man verbreitet, unterstützt. Wenn man viel Zuspruch bekommt, glaubt man irgendwann, dass das Gesagte einen Normalitätsgrad erreicht hat. Dann äußert man es später vielleicht auch in anderen Kontexten. Eine weitere Annahme ist, dass die Anonymität im Netz das Sinken der Hemmschwelle begünstigt, aber die ist nicht mehr immer gegeben. Es gibt Personen, die keine Hemmungen haben, ihre Beschimpfungen oder Diskriminierungen mit Klarnamen zu äußern.

Hat die Kommunikation in sozialen Netzwerken Auswirkungen auf die Rechtschreibkompetenzen, besonders bei Jugendlichen?

Untersuchungen vor einigen Jahren ergaben, dass es diesbezüglich keine Einflüsse gibt. Schülerinnen und Schüler lernen ganz normal in der Schule das Schreiben und wissen, dass sie in Aufsätzen, Diktaten oder Bewerbungsschreiben anders schreiben müssen als wenn sie eine Nachricht auf dem Smartphone tippen. Man spricht ja auch anders, je nachdem mit wem man kommuniziert - sei es im Freundeskreis oder mit der Lehrkraft. Diese pragmatische Kompetenz erwirbt man im Lauf seiner sprachlichen Sozialisierung.

Sind Sie der Meinung, dass der Umgang mit sozialen Medien Teil des Schulunterrichts werden sollte?

Unbedingt. Ich halte das für ein äußerst wichtiges Thema, weshalb ich auch entsprechende Unterrichtsmodule dazu entwickle. Man kann damit unmittelbar an die Lebenswelt Heranwachsender anknüpfen und auch auf Gefahren wie Cybermobbing eingehen. Das spielt ja leider besonders im Schulkontext eine große Rolle. Es ist notwendig, dass Schülerinnen und Schüler lernen, wie man sich im Netz verhält - wie man sich generell in sozialen Gruppen verhält.

Info: Die Jahrestagung des Instituts für deutsche Sprache hat das Thema "Deutsch in Sozialen Netzwerken" und findet von Dienstag bis Donnerstag, 12. bis 14. März, im Mannheimer Rosengarten statt. Wer teilnehmen will, kann sich hier anmelden.

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