Rheindamm-Sanierung Mannheim

Warum der Kahlschlag doch nicht alternativlos ist

Externe Experten legten im Umweltausschuss dar, wie der Kahlschlag im Waldpark vermieden werden kann - Stadträte bekommen eigenes Gutachten

05.07.2019 UPDATE: 06.07.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 48 Sekunden

Die Mannheimer Stadträte wollen so viele Bäume wie möglich erhalten, ohne den Hochwasserschutz zu gefährden. Foto: Gerold

Von Olivia Kaiser

Mannheim. Auf die Frage, ob Bäume einen Hochwasserschutzdamm sichern oder gefährden, gibt es keine eindeutige Antwort. Denn Experten vertreten beide Meinungen. Doch eins ist bei der Sitzung des Ausschusses für Umwelt und Technik am Donnerstag klar geworden: Dass die Rodung von mehreren Tausend Bäumen für die Sanierung des Rheindamms zwischen Neckarau und Lindenhof alternativlos ist, so wie das Regierungspräsidium (RP) Karlsruhe es immer betont hat, entspricht nicht der ganzen Wahrheit. Zumindest nicht, wenn man die Art der Sanierung ändert.

Das zeigte der Vortrag von Ingenieur Christian Schmidt vom Ingenieurbüro Krebs & Kiefer. Ihn hatte die Bürgerinteressengemeinschaft (BIG) Lindenhof beauftragt, eine Machbarkeitsstudie zu erstellen. Seine Ergebnisse durfte er jetzt im Ausschuss vorstellen. Danach ist eine Verbreiterung des Damms und die Einrichtung einer baumfreien Zone von sechs Metern auf beiden Seiten nur bei der Erdbauvariante erforderlich.

Schmidt brachte aber auch die Möglichkeit einer Dichtwand ins Spiel. Dabei wird mit einem großen Bohrer Beton in den Damm eingebracht. "So kann die Dammgeometrie erhalten bleiben und ein weitgehender Erhalt des Baumbestands ist möglich", erklärte der Ingenieur. Qualitativ hochwertiger sei allerdings der Einsatz von Spundwänden.

Den hat das RP auf einigen Sanierungsabschnitten auch vorgesehen - nämlich dort, wo der Damm aufgrund der nahen Wohnbebauung nicht verbreitert werden kann. Schmidt empfahl den Einsatz der Spundwände für den gesamten Sanierungsbereich. Zwar müssten bei Dicht- und Spundwand für die Bauarbeiten die Betriebswege erweitert und einige Bäume gefällt werden, doch bei weitem nicht so viele wie vorgesehen.

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Der Baumbestand müsse zudem von einem Experten geprüft und einzelne Bäume, die einem Hochwasser nicht standhalten oder die Stabilität des Damms gefährden, gefällt werden. "Der Waldcharakter kann aber erhalten bleiben", so Schmidt.

Etwas weniger sachlich, dafür umso emotionaler fiel der Beitrag des Baumexperten Lothar Wessolly aus. Er ist der festen Überzeugung, dass Bäume einen Damm stabilisieren und führte dafür den Rheindeich bei Neuss als Beispiel an. Auch Strömung und Wind bergen für ihn im Fall des Rheindamms kein Gefahrenpotenzial. Die starke Strömung befinde sich auf Ludwigshafener Seite; durch den Baumbewuchs vor dem Damm seien die Bäume darauf vor Sturmböen geschützt, so Wessolly.

Seine Aussagen sahen einige Stadträte kritisch. So gab Thomas Hornung (CDU) zu bedenken, dass einige Bäume auf dem Damm recht alt seien und über den übrigen Baumbestand ragen, also doch nicht so geschützt seien. Gabriele Baier (Grüne) merkte an, dass im Fall von Neuss zwar Bäume auf dem Deich stünden, aber die Bereiche zu beiden Seiten des Deichs komplett baumfrei seien.

Die kritischen Nachfragen zogen den Unmut der zahlreich erschienenen Zuhörer nach sich, die teilweise sogar buhten, wenn ihnen Aussagen von Stadträten oder Verwaltungsvertretern nicht passten. Mehrfach musste Umweltbürgermeisterin Felicitas Kubala (Grüne) die aufgebrachten Bürger zur Ordnung rufen.

Wie viele Bäume tatsächlich gefällt werden müssen und wie viel teurer eine Dicht- oder Spundwand gegenüber den Plänen des RP ist, konnten die Fachleute jedoch nicht sagen. Bis heute liegen Vergleichswerte vom RP, obwohl von der Stadtverwaltung angefordert, nicht vor. Deshalb sei man auch "nicht zufriedengestellt", betonte Kubala.

Noch immer sei nicht beantwortet, ob der Erhalt der Bäume und ein sicherer Hochwasserschutz miteinander vereinbar seien. Die Stadträte fühlen sich vom RP nicht ausreichend informiert und zweifeln immer mehr an dessen Aussagen.

Wie bereits zuvor angekündigt, stellte die CDU-Fraktion den Antrag, dass die Stadt "unverzüglich ein eigenes Gutachten in Auftrag geben soll". Dafür bekam er Unterstützung von Roland Weiß (ML): "Wir brauchen ein Gutachten, um auf Augenhöhe mit dem RP streiten zu können." Diesmal gab es aus dem Zuschauerraum viel Applaus. Kubala erklärte, dass bald das RP in der Bringschuld sei.

Im September will die Behörde bei der Stadt den Genehmigungsantrag für die Sanierung einreichen. Dann könne man alle Informationen anfordern, und das RP müsse spuren. Sie schlug vor, auf ein Gutachten zu verzichten. Stattdessen sollen externe Berater den Genehmigungsprozess begleiten und tätig werden, wenn Informationen wie die Baumkartierung und der Kostenrahmen vorliegen.

Ort des Geschehens

Doch davon wollten die Stadträte von CDU, FDP und ML nichts wissen. Sie sehen in dem eigenen Gutachten ein Signal an das RP, dass man sich nicht unterbuttern lassen möchte. SPD und Grüne waren dagegen auf Verwaltungslinie. Am Ende stimmten die Ausschussmitglieder für einen Kompromiss: Das "unverzüglich" wird aus dem Antrag gestrichen. Zusätzlich zum geforderten Gutachten wird außerdem eine "gutachterliche Begleitung" hinzugefügt.

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