Vergewaltigung am Mannheimer Wasserturm "hat so nicht stattgefunden"
Polizeisprecher Schätzle bestätigte "immer mehr Widersprüche und Zweifel" - Jacke des vermeintlichen Täters in PHV ausgegeben - Videoüberwachung weiter geplant

In einem der Laubengänge am Wasserturm soll die Vergewaltigung passiert sein. Foto: vaf
Von Julie Dutkowski
Die Nachricht traf die Stadt Mannheim ins Mark. Ausgerechnet am beliebten Wahrzeichen soll am 17. Januar eine Frau vergewaltigt worden sein. Und das zu einer Zeit, gegen 20 Uhr, als die Wasserturmanlage noch sehr belebt war. Doch jetzt stellt sich heraus, dass wohl alles ganz anders war.
"Diese Tat hat so am Wasserturm nicht stattgefunden", sagt Polizeisprecher Norbert Schätzle am gestrigen Donnerstag gegenüber der RNZ. Schwerwiegende Indizien hätten die Ermittler zu dem Ergebnis geführt, dass die von der 41-jährigen Mannheimerin angezeigte Vergewaltigung durch einen Flüchtling nicht stattgefunden hat. Das ist nach zehn Tagen das vorläufige Ergebnis der Staatsanwaltschaft Mannheim und der vierzehnköpfigen Ermittlungsgruppe "Wasserturm" des Dezernats Sexualdelikte der Mannheimer Kriminalpolizei.
Hintergrund
Ein Kommentar von Julie Dutkowski
Eine Vergewaltigung ist eine unbeschreiblich schreckliche Tat. Man kann sich nicht vorstellen, was eine Frau durchmacht, die schon einmal Opfer eines solchen Vergehens wurden. Dass die Polizei solche Vorwürfe
Ein Kommentar von Julie Dutkowski
Eine Vergewaltigung ist eine unbeschreiblich schreckliche Tat. Man kann sich nicht vorstellen, was eine Frau durchmacht, die schon einmal Opfer eines solchen Vergehens wurden. Dass die Polizei solche Vorwürfe ernst nimmt und ihnen entsprechend nachgeht, ist völlig richtig.
Umso schwerwiegender ist es, sollte sich nun herausstellen, dass die Frau gelogen und damit sehr vielen Menschen geschadet hat. Die 41-Jährige hat die seit den Vorfällen in Köln ohnehin schon aufgeheizte Stimmung gegen Flüchtlinge noch mehr angefeuert und die bestehenden Vorurteile mancher gegen nordafrikanische Männer bestätigt. Sie hat Unsicherheit bei den Mannheimern aber auch in der gesamten Region geschürt.
Und insbesondere hat sie damit all jenen Frauen geschadet, die schon einmal eine Vergewaltigung erlebt haben und vielleicht darum kämpfen müssen, dass man ihnen das Erlebte glaubt.
Die Frau gab an, von einem Unbekannten mit einem Messer bedroht und auf einer Parkbank in der Wasserturmanlage vergewaltigt worden zu sein. In den letzten Tagen habe es "immer mehr Widersprüche und Zweifel" an dem von der Frau geschilderten zeitlichen Ablauf der Tat gegeben. "Wesentliche Teile ihrer Angaben waren mit objektiv festgestellten Umständen nicht in Einklang zu bringen", sagt Schätzle. Gegen die 41-Jährige werde nun strafrechtlich ermittelt. Für die Vortäuschung einer Straftat drohen laut Staatsanwaltschaft Mannheim eine Geld- oder Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren.
Viele Mosaikteilchen habe man zusammengesetzt. So hat eine Spur die Ermittler bis nach Heidelberg ins Patrick Henry Village geführt. Die von der Frau beschriebene Jacke - eine "dünne, schwarze Jacke mit hellen Streifen über die gesamte Ärmellänge" - ähnelt jenen Jacken, die ein australischer Unternehmer Mitte Januar der Heidelberger Flüchtlingsunterkunft gespendet hatte (wir berichteten).
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Die Polizei hat die Ausgabe der 9500 Jacken nach Bekanntwerden des angeblichen Sexualdelikts sofort gestoppt. Im nächsten Schritt wollten die Beamten die 60 Flüchtlinge ermitteln, die bereits eine Jacke erhalten haben. Dazu wird es nun nicht mehr kommen. Wie die Frau von den Jacken wissen konnte, erklärt sich Schätzle so, dass ihr diese irgendwo aufgefallen sein könnten.
Die Frau hatte den mutmaßlichen Täter als Mann beschrieben, der aus dem nordafrikanischen, eventuell aber auch aus dem türkischen Raum stamme. "Sie hat anderen Frauen in Mannheim damit einen Bärendienst erwiesen", sagt Schätzle. Vorgetäuschte Straftaten, gerade im sexuellen Bereich, verunsicherten Frauen in besonderem Maße. "Und dass die Tat ausgerechnet am beliebten Mannheimer Wahrzeichen passiert sein soll, mitten in der Öffentlichkeit, an einem Platz, der von vielen Kneipen umgeben ist, hat die Frauen in der Stadt sehr getroffen", so der Polizeisprecher.
Die Angaben der 41-Jährigen haben zunächst glaubwürdig gewirkt, so Schätzle. "Bei so einer Tat müssen wir sensibel vorgehen." Doch dann seien den Ermittlern immer mehr Zweifel gekommen. Auch die vier Zeugen, die nach Angaben der Mannheimerin die Tat beobachtet haben sollen, haben sich bis heute nicht bei der Polizei gemeldet. "Dafür kamen mehr als hundert Hinweise aus der Bevölkerung." Die Anteilnahme an der Ermittlungsarbeit sei sehr groß gewesen, so Schätzle.
"Ich wäre natürlich sehr erleichtert, wenn sich definitiv herausstellt, dass eine solche Tat im Herzen unserer Stadt nicht stattgefunden hat, sondern vorgetäuscht wurde", erklärt Oberbürgermeister Peter Kurz gegenüber der RNZ. "Andererseits ist eine solche Täuschung eine gravierende Belastung des inneren Friedens in unserer Stadt." Der Fall zeige auch, dass man angesichts der bundesweit aufgeheizten Atmosphäre mit jeder Nachricht zunächst sensibel umgehen müsse. "Besonnenheit in Wort und Tat sind dabei unerlässlich", mahnt Kurz.
Die Pläne, die Videoüberwachung in Mannheim wiedereinzuführen, will die Stadt weiterverfolgen. "Unabhängig von der überraschenden Wende werden die Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit von der Stadt vorangetrieben", erklärt Kurz. "Die Entscheidung, die verschiedenen Maßnahmen zu treffen, war zeitlich zuvor vorbereitet worden und fiel unabhängig von der Tat."