Mannheimer Mieter protestieren gegen Abriss und Modernisierung

Die GBG plant in der Carl-Benz-Straße barrierefreie Häuser zu errichten

29.07.2016 UPDATE: 30.07.2016 06:00 Uhr 2 Minuten, 15 Sekunden

Eine Wohnblock in der Carl-Benz-Straße in der Neckarstadt ist bereits abgerissen. Die Modernisierungspläne der GBG sorgen besonders bei ehemaligen Mietern für Unmut. Fotos: Priebe

Von Harald Berlinghof

Mannheim. "Eigentlich gehören die Häuser ja uns. Ich habe 60 Jahre lang da drin gewohnt und Miete geblecht. Und jetzt sollen wir verschwinden, weil wir denen nicht mehr gut genug sind. Ist das vielleicht gerecht", macht sich Ursula Minor Luft. Sie ist eine der letzten vier Mietparteien, die noch in den Wohnblocks an der Carl-Benz-Straße der GBG wohnt.

Zwischen 100 und 150 Menschen sind vergangenen Samstag zu einer Demonstration gegen den Abriss der Wohnblocks in der Carl-Benz-Straße und ganz allgemein gegen die zunehmende Luxussanierung im Stadtteil Neckarstadt gekommen. Gut zu sprechen sind sie alle nicht auf die städtische Wohnungsbaupolitik und insbesondere nicht auf die steigenden Mieten in ihrem Stadtteil.

In dem Wohngebiet in der Main-/Kinzig-/Carl-Benz-Straße sollen ab Mitte 2017 sechs neue, barrierefrei gestaltete Punkthäuser, ein Langhaus sowie eine Tiefgarage entstehen. Die GBG will ihren Uraltbestand aus Nachkriegstagen durch Neubauten ersetzen, um zukunftsfähig zu bleiben. Die Häuser gehören zum ältesten Bestand der GBG. In den Wohnungen befinden sich noch Kohleöfen, Wärmedämmung gibt es praktisch nicht, ebenso wenig wie Barrierefreiheit. Das Unternehmen glaubt nicht, dass eine Modernisierung Sinn macht.

Mehr als 20 Jahre lang habe die GBG "nichts in die Gebäude und Wohnungen investiert. Nur Geld rausgezogen", ärgert sich Ursula Minor. "Und jetzt wird abgerissen. Das verzeih’ ich denen nie." Sie kann ihre Wut "auf diese Politiker, egal aus welcher Partei", kaum im Zaum halten. Auch ihre Nachbarin Elisabeth Warganz ist sauer. Aber sie hat sich mit der GBG wenigstens geeinigt. Sie geht im Herbst raus in eine neue bezahlbare Wohnung in der Nähe.

Aufgerufen zu der Demonstration am Neumarkt in der Neckarstadt hat das Bündnis "Wem gehört die Stadt?" (WGDS Mannheim). "In attraktiven Wohnlagen sind einfache Bürger mit geringen Einkommen nicht mehr erwünscht", sagt ein Sprecher des WGDS. Einen großen Teil der Schuld an der Umgestaltung der Neckarstadt mit höheren Mieten geben sie der GBG, die in Mannheim fast 20 000 Mietwohnungen besitzt, in denen rund 60 000 Menschen leben. Nach Ansicht der Anwesenden treibe die städtische Gesellschaft trotz ihres sozialen Auftrags die Mietpreise nach oben.

An der Carl-Benz-Straße ist einer von vier Wohnblocks bereits abgerissen. Der Großteil der übrigen Gebäude steht leer, Rollos sind heruntergelassen, Blumentöpfe mit verdörrten Pflanzen stehen auf den Fenstersimsen. An den Häusern kleben Zeitungsartikel zum Thema sowie Flyer, die den Abriss-Stopp verlangen.

Die sogenannte Gentrifizierung, also die Umwandlung von zentrumsnahen Stadtvierteln mit alter Bausubstanz und günstigen Mieten in Viertel mit gehobener Wohnqualität und steigenden Mieten oder verstärkter Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen, ist kein Problem das Mannheim alleine hat. Vielmehr gibt es in vielen Städten solche Umgestaltungen. In Heidelberg ist das beste Beispiel die Weststadt, die vom einstigen Arbeiter- (Musebrotviertel) und Studentenviertel der 60er und 70er Jahre inzwischen fast komplett luxussaniert ist und Mieten aufzuweisen hat, die für viele nicht mehr zu bezahlen sind.

"Ich mit meiner schmalen Rente habe dort nichts mehr zu suchen. Das war kein sozialer Brennpunkt dort, auch wenn die Leute nicht reich waren", sagt Minor über ihr Viertel. "Wir haben uns dort wohl gefühlt, es gab ein gutes Miteinander. Ich bin dort geboren, aufgewachsen, in den Kindergarten gegangen. Jetzt soll ich weg. Ich will aber nicht", erklärt sie eisern. "Wir wollten alle nicht weg. Aber viele haben Angebote der GBG angenommen und sind umgezogen. Verstreut in alle Winde", ergänzt Warganz.

Als Protest gegen die Abrisspläne hatten Aktivisten Anfang März zwei Erdgeschosswohnungen in der Carl-Benz-Straße besetzt. Eine solche illegale Aktion werde man keinesfalls mehr dulden, stellte GBG-Sprecher Christian Franke daraufhin klar. Dicke Vorhängeschlösser an den Türen zeigen, dass es die GBG ernst meint.

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