"Der andere Buchladen"

Nach 40 Jahren schließt eine Mannheimer Institution

Am 30. November macht Inhaber Harald Blaull schweren Herzens dicht - Schon am 17. November ist Abschiedsparty

15.11.2017 UPDATE: 17.11.2017 06:00 Uhr 2 Minuten, 17 Sekunden

Man sieht es Harald Blaull an: Es fällt ihm nicht leicht, seinen Buchladen zu schließen. Foto: jami

Von Jan Millenet

Mannheim. "Räumungsverkauf": Die nüchternen weißen DIN-A4-Seiten mit schwarzer Aufschrift an Eingangstür und Fenstern verkünden die traurige Botschaft. Nach 40 Jahren schließt mit "Der andere Buchladen" in Mannheim eine Institution. Ein Platz für Literatur, die es zumindest zu seinen Anfangszeiten nicht im üblichen Buchhandel gab: Alternative Literatur besonders zu den Themen Nationalsozialismus, neue Rechte, undogmatische politische Literatur und Literatur für Lesben und Schwule.

"Zu uns kamen Menschen aus der ganzen Region, auch aus Saarbrücken und rauf bis Frankfurt", erinnert sich Harald Blaull. In seiner Stimme liegt Wehmut. Den Abschied von seinem Laden, den er Ende 1999 von einem verstorbenen Freund übernahm, fällt ihm schwer. Denn damit endet ein großer Abschnitt in seinem Leben. Er kennt den Buchladen schon seit seiner Eröffnung im Jahr 1977. Am 30. November macht er nun dicht.

Die Entscheidung des 62-Jährigen kommt nicht plötzlich. "Mit dem Buchhandel kann man sich nicht mehr ernähren", erzählt er und gibt zu, dass er schon seit zwei Jahren mit dem Gedanken spiele. Gerade Geschäfte wie "Der andere Buchladen" mit seiner speziellen Literatur hätten es schwer. Das Internet sei eine zu große Konkurrenz. Außerdem würden auch große Buchhandelsketten in der Zwischenzeit die Bücher anbieten, die es bislang nur in Läden wie Blaulls gab.

"In Hamburg, Köln und Frankfurt haben viele schon geschlossen", nennt er Beispiele. Er selbst hat den Laden mehr oder weniger nur noch weiterführen können, weil er ihn privat mitfinanziert hat. Als Diabetiker befinde er sich eigentlich schon seit langem in Rente. Vor seiner Zeit im Buchladen arbeitete er als Betriebsratsvorsitzender eines Unternehmens. "Wäre ich jünger, hätte ich den Laden sogar schon früher zugemacht", verrät Blaull. Doch warum hat er sich nicht auf die Suche nach einem Nachfolger gemacht? "Ich wollte niemandem etwas ohne Zukunft andrehen", sagt er offen. Auch wenn ihm ein Fortbestand persönlich lieber gewesen wäre. "Doch das wäre meinem Nachfolger gegenüber unfair."

Auch viele seiner Kunden hätten es gerne gesehen, wenn er oder ein Nachfolger das kleine Geschäft in M 2 weiterführen würde. "Ich habe ihnen einen Preis zur Übernahme gemacht, aber niemand wollte", erzählt er lachend. Und kann es verstehen. Die Option, dem Laden ein anderes Konzept zu verpassen, bügelt Blaull ebenfalls ab. "Das wäre für mich eine zu große und risikoreiche Investition", sagt der 62-Jährige. Und so blickt er bald auf viele Erlebnisse zurück, die ihm im Lauf der Jahre widerfahren sind. "Einmal kamen Eltern zu mir und wollten sich über Homosexualität erkundigen. Sie dachten, ihr Sohn sei schwul, doch er wisse es selbst noch nicht. Das fand ich goldig." Blaull lächelt. Das sei öfter vorgekommen.

Auch an weniger schöne Momente erinnert er sich. Zum Beispiel an Hakenkreuze, die einst an die Wand seines Ladens geschmiert wurden. Wahrscheinlich weil auch der Nationalsozialismus im "Anderen Buchladen" thematisiert wurde, schätzt der Eigentümer. Oder an Menschen, die vor seinem Laden offenkundig ihre Abneigung zeigten. "Das hat mir nichts ausgemacht. Da muss man mit umgehen", sagt der Schnauzbart-Träger und winkt locker ab. Doch das habe mit der Zeit auch abgenommen.

"Am meisten werde ich meine Kunden vermissen", weiß Blaull jetzt schon. Doch als Erster Vorsitzender des Vereins CSD Rhein-Neckar, der jedes Jahr die Demoparade zum Christopher Street Day (CSD) durch Mannheim organisiert, blickt Blaull auch nach vorne. "Nun habe ich mehr Zeit für den Verein." Und für die Organisation des anstehenden CSD in der Quadratestadt, der nächstes Jahr zum zehnten Mal unter Federführung der heutigen Vereinskonstellation läuft.

Info: Schon am 17. November lädt "Der andere Buchladen" in M 2, 1 ab 19 Uhr zu einer Abschiedsparty ein.

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