Bei der "Lichtmeile" wird man immer wieder überrascht
Die Meile glänzte auch 2014 wieder mit einer Vielfalt an kulturellen Höhepunkten.

Zart, poetisch, sich selbst mit elektronischen Klängen begleitend oder mit der E-Gitarre steht am Freitagabend eine junge Frau in einem Kiosk auf dem Neumarkt im Mannheimer Stadtteil Neckarstadt-West. "La petite rouge" nennt sie sich und ist einer von über 20 musikalischen Gästen der zehnten Lichtmeile. Ihre Klänge faszinieren etwa 150 Menschen, die ihr vor dem Kiosk fast andächtig zuhören. Umringt von bunt angestrahlten Häusern, Kirchen und Hinterhöfen - das Erkennungszeichen des jährlichen Kulturfestivals.
Die Stimmung ist locker. Viele haben ein Bier in der Hand. Einzelne Personen verharren neben Pärchen oder kleinen Grüppchen, die sich mindestens den Freitag für ihren Lichtmeilen-Rundgang durch die Kunst- und Kulturszene der Neckarstadt ausgesucht haben. Die einen kommen, die anderen ziehen weiter. Unter dem Motto "Neckarstädter Nächte" treten an diesem Abend vor allem Bands und DJs auf oder Solokünstler wie "La petite rouge". Nicht wenige werden auch den Samstagabend nutzen, wo beim "Tag der offenen Ateliers" Ausstellungen im Vordergrund stehen, oder am Sonntag, dem Tag für die Kinder und der Lesungen an ungewöhnlichen Orten.
Die Menschenmenge auf dem Neumarkt im Herzen des westlichen Teils der Neckarstadt ist so ziemlich der einzige Ort, an dem man so viele Personen konzentriert auf der Straße findet. Denn die Lichtmeile spielt sich - nicht wie der "Nachtwandel" im benachbarten Stadtteil Jungbusch - eher im Innern und oftmals auch Verborgenen ab. In Kellern, in Kneipen, in Hinterhöfen, in Wohnungen.
Deshalb trifft man zwar einige Besucher in den Straßen an, aber zum Gedränge kommt es draußen nicht. Teilweise ist es sogar gespenstisch still beim Gang zum nächsten Veranstaltungsort. Besucher von außerhalb haben häufig Orientierungsschwierigkeiten, finden viele Locations nicht auf Anhieb. Für sie wird die Lichtmeile zu einer Schnitzeljagd nach kulturellen Häppchen. Doch die gibt es an diesem Wochenende zuhauf in dem kreativen Stadtteil.
Wer Glück hat, wird von Ortskundigen begleitet. Der 35-jährige Philipp Simo ist so einer. Seit 2006 wohnt er in der Neckarstadt-West, kennt nahezu alle Ecken und Enden. Nahezu. "Selbst als Neckarstädter kommt man bei der Lichtmeile an Stellen, an die man normalerweise nicht hinkommt", sagt er. Vielleicht meint er damit den illuminierten Hinterhof in der Riedfeldstraße 38, wo die Alternativeá rockband "John Buried Me" aus Heidelberg ihr kleines, lautes Repertoire in einem Partyzelt vorstellt.
Vier Songs sind es insgesamt, die sie am Freitagabend als Set dreimal spielen. Das Zelt bekommen sie trotzdem jedes Mal zum Kochen. Oder spricht er von dem Tattooladen in der Waldhofstraße, den die Band Mondo Guzzi mit kräftigem Rock beschallt? Sie haben zwar nur eine Handvoll Zuhörer vor sich, aber nicht weniger Spaß.
Philipp Simo kann aber auch die Lutherkirche meinen, in der eine Unplugged-Formation eher etwas leisere Töne anschlägt, "Hotel California" von den Eagles beispielsweise. Auch im "Woodstöckl" war der 35-Jährige vorher noch nie gewesen. In der kleinen Kneipe rocken die schon etwas betagteren Musiker von der Band "Bluesgarage" die Bühne.
Egal, wo es einen am ersten, zweiten oder dritten Tag der Jubiläums-Lichtmeile hin verschlägt, es macht wie immer Spaß. Wohl nicht nur dem Neckarstädter Simo, der besonders die schöne Stimmung lobt, sondern auch den vielen "Angereisten" - sofern sie einen Parkplatz gefunden und samstags nicht den Regenschirm vergessen haben. Für Überraschungen ist die Lichtmeile auf jeden Fall immer gut.