Universität Heidelberg

So reagiert Rektor Eitel auf die Forderung nach weniger Autoverkehr

Die Heidelberger müssten sich an die eigene Nase fassen, findet Uni-Rektor Bernhard Eitel - Lebenswissenschaften als neue Leitindustrie?

17.01.2021 UPDATE: 18.01.2021 06:00 Uhr 4 Minuten, 24 Sekunden
„Die Patienten müssen mit dem Auto in die Klinik fahren können – genau wie die Masse der Besucher. Das wird sich kaum ändern lassen“, betont Bernhard Eitel im Interview. Foto: Rothe

Von Denis Schnur und Philipp Neumayr

Heidelberg. 2020 gab es nicht nur Corona. Im zweiten Teil unseres Jahresinterviews (hier geht es zum ersten Teil) spricht Bernhard Eitel, Rektor der Universität Heidelberg, über die Themen, die ihn im vergangenen Jahr auch beschäftigt haben – darunter die Fusion der Unikliniken und den Verkehr zum Campus.

2020 wurde beschlossen, dass die Unikliniken Heidelberg und Mannheim fusionieren sollen. Bereiten Sie sich darauf schon mit den Mannheimer Kollegen vor?

Wir arbeiten an einer großen Health and Life Science Alliance im Raum Heidelberg-Mannheim. Kern sind zum einen die starken Lebenswissenschaften an der Uni Heidelberg im Verbund mit dem DKFZ, dem EMBL, dem MPI für Medizinische Forschung und dem ZI in Mannheim und zum anderen die beiden Universitätsklinika. Für diese lebenswissenschaftliche Allianz und für die Fusion brauchen wir die Unterstützung des Landes, und da sind die politischen Entscheidungsprozesse noch im Gange.

Jetzt steuern wir allerdings wegen der Corona-Pandemie auf eine handfeste Wirtschaftskrise zu. Haben Sie keine Angst, dass die Politik da extrem sparsam mit finanzieller Unterstützung ist?

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Ich hoffe auf den gegenteiligen Effekt: Wenn wir in Baden-Württemberg eine Automobilindustrie haben, die vor einer schwierigen Transformation steht, ist die Notwendigkeit doch umso größer, in eine neue Leitindustrie zu investieren. Und dann ist es nur logisch, die immer wichtiger werdenden Lebenswissenschaften zu stärken – und zwar hier im Rhein-Neckar-Raum, wo wir eine herausragende Struktur anbieten, die über 100 Jahre gewachsen ist. Das hat die Landesregierung nun auch bestätigt, indem sie den Innovationscampus Lebenswissenschaften hier verortet hat. Wir haben als einzige Region in Deutschland neben Berlin und vielleicht noch München die Möglichkeit, international konkurrenzfähig zu sein.

Ist man das als Gesundheitsstandort nicht ohnehin schon?

Doch, wir haben eine exzellente Patientenversorgung, aber es geht ja nicht nur darum, die Lebenswissenschaft als Zulieferer für die Gesundheitswirtschaft und -industrie zu stärken. Das ist ein wichtiger Aspekt, aber das Potenzial geht weit darüber hinaus. Ich kann dieses Wissen nutzen für den Aufbau einer neuen Industrie, die auf neuen Technologien und auf neuen Materialien beruht – und da liegt die große Chance. Wir ersetzen jetzt schon immer mehr Metalle und Kunststoffe durch kohlenstoffbasierte Materialien, die kompostierbar und nicht toxisch sind. Dieser Prozess ist nicht aufzuhalten. Einige Beispiele: Daten lassen sich in DNA-ähnlichen Speichern viel länger speichern. Forschung an künstlichem Gewebe kann vielleicht irgendwann Hauttransplantationen ersetzen und zugleich neue Materialien entwickeln helfen. Molekulare Maschinen haben nicht nur eine Bedeutung für die Medizin, sondern auch für den Transfer in die Industrie. Das Lernen von der Natur wird unsere Welt stärker transformieren, als es sich viele heute vorstellen können.

Ein Prozess, der dagegen ins Stocken geraten ist, ist der Masterplan-Prozess Neuenheimer Feld. Sind Sie überzeugt, dass man da bald zu einem Ergebnis kommt?

Ich bin und bleibe optimistisch, darum beteiligt sich die Universität nach wie vor intensiv an allen Verfahrensschritten. Hoffen wir, dass das Ergebnis für die Zukunft des Wissenschaftsstandorts und damit auch für die Zukunft der Stadt ein Gutes sein wird.

Ein wichtiger Streitpunkt ist der Verkehr. Was wäre Ihr Vorschlag, um den Campus besser anzubinden?

Für uns ist entscheidend, dass der Campus Campus bleibt. Sein Charakter darf durch Verkehr und Verdichtung nicht infrage gestellt werden. Deshalb muss er zwar von außen angebunden werden, aber nicht im Inneren erschlossen. Wird das berücksichtigt, kann man sich vieles vorstellen.

"Vieles" heißt auch eine Seilbahn?

Da müsste man erst einige Fragen klären. Etwa, wie man in der Rush Hour 20.000 Leute von A nach B zu ihren Autos bringen kann. Wo parken die? Wie bringen Sie die Menschen mit Fahrrädern in den x-ten Stock? Ich kann mir das vorstellen, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass es funktionstüchtig und zweckmäßig wäre. Deshalb habe ich da meine Bedenken. Jedes Verkehrsmittel bringt eigene Probleme mit.

Aber aktuell bereitet doch das Auto die meisten Sorgen.

Die Patienten müssen mit dem Auto in die Klinik fahren können – genau wie die Masse der Besucherströme. Das wird sich kaum ändern lassen. Die Stadtbevölkerung muss verstehen, dass zentralörtliche Funktionen auch Aufgaben und Verantwortung für die Pendler und die Besucher aus dem Umland und weit darüber hinaus mit sich bringen.

Aber wenn man es schafft, dass ein Teil der Autofahrer umsteigt, kommt das auch denen zugute, die auf das Auto angewiesen sind.

Natürlich bin ich auch dafür, dass weniger Menschen mit dem Auto kommen. Die Frage ist, wie man das angeht. Ist die oberste Priorität die Verbannung des Autos? Oder wollen wir klimaneutrale Transportmittel? Zunächst ist sicherzustellen, dass die Kliniken und Forschungseinrichtungen arbeiten können, Patienten, Besucher und Mitarbeiter zu ihrem Ziel kommen. Und wenn das geklärt ist, schaut man, dass man den Autoverkehr reduziert. Solange die Funktionsfähigkeit des Campus Priorität hat, kann man über alles reden.

Viele Beteiligte am Prozess sehen weniger Verkehr als oberste Priorität.

Das ist eine typisch urbane Diskussion. Die Städter verlangen von denen, die kommen, dass sie den Nahverkehr nutzen. Die Heidelberger nutzen am Wochenende aber ihr Auto, um in den Odenwald zu fahren. Dann müssten sie dafür in Zukunft bitte auch das Fahrrad oder die S-Bahn nehmen und sehen, wie eingeschränkt sie sind.

Im Dezember hatten Studierende, die der FDP nahestehen, die Uni kritisiert, weil sie mit dem Konfuzius-Institut zusammenarbeitet. Können Sie die Kritik nachvollziehen?

Ich kann nachvollziehen, dass man gegenüber einer Staatsform wie der chinesischen sehr kritisch ist. Was das Konfuzius-Institut in Heidelberg betrifft, muss man sich aber an die Fakten halten. Erstens: Das Institut ist ein eingetragener Verein, kein Institut der Universität. Zweitens: Mir ist kein Fall bekannt, in dem Einfluss durch die chinesische Regierung oder die Kommunistische Partei Chinas auf die Arbeit des Vereins genommen wurde. In seiner Satzung wird explizit aufgeführt, dass der Verein bei der Realisierung seiner Zwecke die Freiheit von Forschung, Lehre, Kunst und Kultur wahrt.

In Hamburg kam es offenbar zu solchen Übergriffen und dort hat die Uni Konsequenzen gezogen.

Das betrifft uns ja in Heidelberg nicht. Wir dürfen da nicht alles über einen Kamm scheren. Wir haben hier überhaupt keinen Anlass, die Kooperation infrage zu stellen.

Aber die Institute werden aus China gesteuert, das immer autoritärer auftritt.

Es stimmt, dass China mit den Instituten seine Kulturpolitik verfolgt. Natürlich hinkt der Vergleich, aber das Anliegen der deutschen Goethe-Institute ist doch ähnlich: Wir wollen im Ausland neben unserem Wirtschaftssystem und unserer funktionierenden Demokratie über die deutsche Kultur und Sprache informieren. Da sagt auch niemand, das sei Kolonialismus. Wir müssen realisieren, dass wir uns in einem Wettbewerb der Systeme befinden.

Sie stehen weiter zu der Kooperation?

Ja, denn ich halte es für ungeheuer problematisch, den Kontakt zu einem der wichtigsten Player der Welt einzustellen. Natürlich muss man sich kritisch mit China auseinandersetzen. Aber genau dafür bieten ja die Konfuzius-Institute auch ein Forum.

Wagen wir zum Schluss einen optimistischen Ausblick. Was machen Sie, wenn die Corona-Pandemie endlich vorbei ist?

Dann freue ich mich darauf, in einem guten Restaurant schön essen zu gehen mit meiner Frau und ein paar Freunden – und mindestens ein Glas Wein oder ein Bier mehr zu trinken, als ich ursprünglich vorhatte.

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