"Hier wird der Name Bahnstadt noch erlebbar"
Zum "Tag der Architektur" organisierte die Architektenkammer eine Rundfahrt zu "beispielhaftem Bauen" - Knapp 200 Interessierte begleiteten am Samstag die Tour

Wer das Betriebswerk (links) von innen sehen wollte, musste sich gedulden: Knapp 200 Besucher nahmen an der Rundfahrt der Architektenkammer teil. So viel Aufmerksamkeit bekommen die bundesweiten Touren außerhalb Heidelbergs selten. Die Lärchenholzverschalung des Wohnhauses in Wieblingen-Ost (rechts) sorgte für Diskussionen, doch Architekt Peter Karsten erklärte: Das Holz wird auch in den Alpen benutzt und braucht wenig Pflege. Fotos (4): jola
Von Jonas Labrenz
Heidelberg. Vier große Busse hat Stephan Weber für die diesjährige Rundfahrt am Tag der Architektur gechartert. Der Vizepräsident der Architektenkammer Baden-Württemberg zählte schon im Vorfeld knapp 200 Anmeldungen für die alljährliche Tour, die in diesem Jahr unter einem besonderen Motto stand: Erst kürzlich wurden verschiedene Bauwerke - viele davon in Heidelberg - unter dem Label "Beispielhaftes Bauen" ausgezeichnet.
So wurden am Samstag wie bei den 22 Touren zuvor frisch fertiggestellte Projekte präsentiert, aber auch die Besichtigung ausgezeichneter Bauwerke geplant. Vom Bahnhof führte die Rundfahrt über Schloss und Wieblingen und in die Bahnstadt. "Die ursprüngliche Idee war die Werbung für das Bauen mit Architekten", so Weber, "inzwischen ist es aber zu einem Kulturprogramm geworden - was auch in unserem Sinne ist."
Die Sattelkammer: Neben dem Besucherzentrum können Touristen und Heidelberger seit April letzten Jahres in der von Schlossgastronom Martin Scharff betriebenen Sattelkammer speisen. Bernd Müller hat das 2,2 Millionen Euro teure Projekt beim Berliner Architekten Max Dudler in Auftrag gegeben. Dieser hatte schon für das Besucherzentrum verantwortlich gezeichnet. Für den Leiter des Amtes Vermögen und Bau Baden-Württemberg (Heidelberg und Mannheim) war die Entscheidung klar: "Damit alles aus einer Hand ist", so Müller. Für den Architekten war der Umbau keine leichte Aufgabe. Nicht nur waren viele Denkmalschutzvorschriften zu beachten. Das größte Problem war das von der Hangseite eindringende Quellwasser, das schon der Ende der Siebzigerjahre dort eingerichteten Gastronomie den Garaus gemacht hatte. "Wir haben großen Aufwand betrieben, um die Feuchtigkeit wegzubekommen", erklärt Müller. Martin Scharff ist zufrieden: "Ich bin von der Resonanz überwältigt", gesteht der Sternekoch.
Wohnanlage Wieblingen-Ost: Jedes Jahr fehlen in Baden-Württemberg 65.000 Wohnungen. Nur knapp die Hälfte davon wird tatsächlich gebaut. "Das Problem wird immer größer - und das liegt nicht an den Flüchtlingen", erklärt Weber. Peter Karsten hat in Wieblingen mit dem Neubau von Wohnblöcken nach dem Abriss zwar nur etwas mehr Wohnungen geschaffen, als zuvor standen, dafür die Quadratmeterzahl von 11.500 auf 18.600 erhöht. Das letzte Wohnhaus wurde 2014 fertiggestellt. Das Besondere an den für die Gesellschaft für Grund- und Hausbesitz (GGH) geplanten Häusern ist allerdings, wie gut sie sich in den Bestand integrieren. "Man muss immer auf das hören, was schon da ist", so Karsten. Wie gut ihm das gelungen ist, war daran zu erkennen, dass die Besucher sich erkundigen mussten, wo der Neubau endet. Viel Kritik - wenn auch nach Aussage der Architekten unbegründet - ernteten die um eine Häuserbreite versetzten und mit Lärchenholz verschalten Gebäude, die so bereits den Innenhof andeuten. Das sei doch viel zu pflegeintensiv, hieß es. Karsten widersprach: Das Holz, das man oft in den Alpen verwendet, benötige so gut wie keine Pflege.
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Bahnstadt: Der auf dem ehemaligen Güterbahnhof errichtete Stadtteil wurde bereits auf dem Reißbrett genau durchdacht: Die Promenade an der südlichen Seite und der Lange Anger sollen an die früheren langen Gleisfurchen erinnern. "So ein Konzept für den öffentlichen Raum gibt es nicht oft", erklärt Christoph Czolbe vom Stadtplanungsamt. Als gut gelungen gelten die drei Spielplätze an der Promenade: "Es gibt sogar einen Spielplatztourismus in die Bahnstadt", lacht Czolbe. Das B3 am Gadamerplatz vereint eine Schule, Kindertagesstätte und Räume für die Zivilgesellschaft.
"Jedes Haus hat seine eigene Identität", erklärt Peter Donn, der das Gebäude geplant hat. Die einzelnen Bereiche sind gut genug voneinander getrennt, um sich nicht gegenseitig zu stören, doch auch ohne viel Aufwand miteinander zu verbinden. Donn war es wichtig, wie sich das Gebäude äußerlich einfügt: "Wir haben es mehr oder weniger mitten auf dem Platzgestellt", so der Architekt. Und darüber hinaus ist das B3 deutlich niedriger als die umstehenden Gebäude: "Das zeichnet es eigentlich aus", findet der Architekt.
Bahnbetriebswerk: Noch vor weniger als einem Jahr stapelte sich in dem Gebäude, in dem Lokomotiven repariert wurden, zwei Meter hoch Schrott. Weber, der sein Büro im nicht weit davon gelegenen Tankturm eingerichtet hat, entschloss sich, das Betriebswerk auf Vordermann zu bringen. So viel Energie, wie er in den Tankturm steckte, den er mit seinen Kollegen vor vier Jahren gekauft hatte, konnte er allerdings nicht investieren, denn er mietet das Betriebswerk nur. Weil der Tankturm allerdings schnell mit Veranstaltungen ausgebucht war, musste mehr Raum her. "Wir sind Opfer unseres eigenen Erfolgs geworden", lacht Weber.
Heute hat das 1927 errichtete Betriebswerk einen eigenen, rustikalen Charme: Die Wände wurden sandgestrahlt, ein neuer Estrich verlegt, eine simple Gasheizung installiert und ein Toilettencontainer im Hof platziert. "Hier wird der Name Bahnstadt tatsächlich noch erlebbar", so Weber.