Anwohnerparken sorgt für Zoff im Gemeinderat
Die Mehrheit für die Gebührenerhöhung war knapp. Nun kostet der Berechtigungsausweis dem ab 1. Januar ganze 120 statt 36 Euro.

Von Holger Buchwald
Heidelberg. Das Anwohnerparken in Heidelberg wird bereits zum 1. Januar 2022 teurer. Statt bisher 36 Euro im Jahr werden die Berechtigungsausweise dann 120 Euro kosten. Das hat der Gemeinderat in seiner Sitzung am Donnerstag mit knapper Mehrheit beschlossen. Bedürftige, also Inhaber des Heidelberg-Passes, werden von der Gebührenerhöhung ausgenommen. Ursprünglich hatte die Verwaltung vorgeschlagen, den Preis für die Parkberechtigung im eigenen Stadtteil bis 2024 auf 360 Euro anzuheben. Doch darüber wird jetzt erst im nächsten Jahr debattiert.
Es war eine hitzige Diskussion in der letzten Sitzung des Gemeinderates in diesem Jahr. Während die CDU, die "Heidelberger" und die FDP eine Gebührenerhöhung kategorisch ablehnten, kritisierte die SPD den Verwaltungsvorschlag als sozial ungerecht. Das beginne schon damit, dass es nur in sechs von 15 Stadtteilen Parkzonen für Anwohner gebe, so Sören Michelsburg. Deren Bewohner würden somit einseitig belastet. "Wir brauchen ein gesamtstädtisches Konzept", forderte auch GAL-Stadtrat Michael Pfeiffer: "Parkdruck gibt es in allen Stadtteilen." Und Sahra Mirow (Linke) sagte: "Wir müssen eine soziale Staffelung hinbekommen."
Eine solche einkommensabhängige Gebührenerhöhung ist jedoch nach der Einschätzung von Klimabürgermeister Raoul Schmidt-Lamontain (Grüne) rechtlich nicht möglich. Seine Fraktion plädierte dafür, die Erhöhung nicht noch einmal zu verschieben, schließlich seien auch die Mehreinnahmen von 1,5 Millionen Euro im Jahr 2022 fest im Doppelhaushalt eingeplant. "Sie helfen, das Defizit von 72 Euro pro Kopf, das der Autoverkehr verursacht, zu reduzieren", betonte Grünen-Stadtrat Christoph Rothfuß. Außerdem sei es doch selbstverständlich, dass man für die private Inanspruchnahme von öffentlichem Raum bezahlen müsse. "Wir reden hier von zehn Euro im Monat", so Rothfuß: "Deshalb muss kein Geringverdiener ins Umland ziehen." Zumal ein Mittelklasseauto im Durchschnitt 600 Euro pro Monat Unterhalt koste.
CDU-Fraktionschef Jan Gradel sah dies ganz anders: "Wir können doch nicht in dieser Situation, in der es der Republik schlecht geht, auch noch die Gebühren erhöhen. Wer ein Auto unterhält, tut dies nicht zum Spaß, sondern ist darauf angewiesen." Die Schaffung von Quartiersgaragen wäre nach Ansicht von Larissa Winter-Horn (Heidelberger) besser geeignet, die Straßen zu entlasten.
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"Ich hätte nie gedacht, dass wir uns wieder in solche Niederungen begeben", kritisierte Grünen-Fraktionschef Derek Cofie-Nunoo und forderte von der SPD "Haushaltstreue" ein, die Gebührenerhöhung sei ein Bestandteil des gemeinsam ausgehandelten Kompromisses zum Doppelhaushalt. Michael Eckert (FDP) warf ihm daraufhin "mangelndes Demokratieverständnis" vor. Die Fahrzeughalter seien durch die Kfz-Steuer und die Mineralölsteuer schon genug belastet. Eckerts Fraktionskollege Karl Breer wiederum stellte den ökologischen Sinn der Gebührenerhöhung infrage, denn dann müsse man auch Elektroautos davon ausnehmen.
Anderthalb Stunden dauerte der Schlagabtausch im Gemeinderat, in dem Judith Marggraf (GAL) darauf hinwies, dass man einige Straßen zu Einbahnstraßen umwidmen musste, weil sie links und rechts zugeparkt werden, und SPD-Fraktionschefin Anke Schuster betonte, die Erhöhung sei "kein logisches Konzept". Am Ende stimmten die Grünen, die GAL, die Bunte Linke, Bernd Zieger (Linke), Björn Leuzinger (Partei) und OB Eckart Würzner für die Erhöhung. Den 23 Ja- standen 19 Nein-Stimmen und zwei Enthaltungen gegenüber. Eine Arbeitsgruppe, in der auch politische Vertreter sitzen werden, soll vor einer weiteren Preisanpassung nun ein gesamtstädtisches Konzept erarbeiten.
Update: Freitag, 10. Dezember 2021, 20.40 Uhr
Showdown im Gemeinderat beim Anwohnerparken
Die Gebühren könnten langfristig deutlich steigen, jedoch lehnen viele Stadträte den Vorstoß ab.
Von Denis Schnur
Heidelberg. Wer sein Auto derzeit in einem Stadtteil mit Parkraumbewirtschaftung abstellt, zahlt dafür drei Euro im Monat. Ob es ab Januar mehr wird, entscheidet am Donnerstag der Gemeinderat (16 Uhr, Rathaus). Doch der Vorschlag, die Gebühren auf bis zu 30 Euro pro Monat anzuheben, ist umstritten – auch unter den Stadträten. Die RNZ beantwortet die wichtigsten Fragen dazu:
Worum geht’s? Im Jahr 2020 teilte die Stadt 15.863 Parkausweise aus. Sie berechtigen Bewohner oder Arbeitnehmer in Gebieten mit Parkraumbewirtschaftung dazu, ihren Pkw am Straßenrand oder auf öffentlichen Parkplätzen abzustellen – Menschen ohne Ausweis dürfen dort nicht oder nur kurz parken. Dadurch soll der Parkdruck in den Gebieten abnehmen. Bislang durfte die Stadt für das Ausstellen der Scheine nur 36 Euro Verwaltungsgebühr pro Jahr verlangen. Erst im Sommer haben Bund und Land den Kommunen die Freiheit gegeben, selbst Gebührensätze festzulegen, die den Kosten, die durch Bau und Unterhaltung von Parkraum entstehen, eher entsprechen.
Was erhofft man sich davon? Die Erhöhung soll mehrere Effekte haben. Laut Umwelt- und Prognose-Institut (UPI) könnte eine "marktgerechte" Anpassung der Gebühren dazu führen, dass Pkw-Besitzer, die einen privaten Stellplatz haben, ihr Fahrzeug dort parken – nicht mehr am Straßenrand. Gleichzeitig dürften einige Pendler auf den ÖPNV umsteigen und die Zahl der Zweitwagen zurückgehen. "Wenn sich die Marktreaktionen eingependelt haben, werden circa 11.000 Autos weniger im öffentlichen Raum parken", so das UPI. Dadurch werde eine Fläche von etwa 120.000 Quadratmetern frei. Zudem würde die Pkw-Fahrleistung sinken – und damit die CO2-Emissionen der Stadt um etwa 1,1 Prozent. Außerdem würde die Stadt zusätzliche Einnahmen erzielen – je nach Erhöhung zwischen einer und 3,5 Millionen Euro im Jahr.
Wie viel kostet die Stadt ein Parkplatz? Laut UPI verursacht die Bereitstellung eines Parkplatzes am Straßenrand ungedeckte monatliche Kosten von mindestens 50 Euro. Werden die Flächen anderweitig genutzt – etwa von Gastronomiebetrieben –, fällt eine Gebühr von 69 bis 163 Euro pro Monat an.
Wie hoch und wie schnell sollen die Gebühren steigen? Die Stadtverwaltung hatte im November vorgeschlagen, die Kosten ab 1. Januar zunächst auf 120 Euro pro Jahr anzuheben, 2023 und 2024 dann auf 240 und 360 Euro – also 30 Euro pro Monat. Auf Drängen der Stadträte sagte sie zu, Heidelbergpass-Inhaber von der Erhöhung auszunehmen. Ob die Preissteigerung in dieser Form kommt, ist aber unklar. Im Finanzausschuss stimmten ebenso viele Stadträte dafür wie dagegen, jetzt entscheidet der Gemeinderat.
Wer wäre betroffen? Insgesamt sind in Heidelberg 60.880 Pkw zugelassen, 10.615 davon gehören Firmen. Von der Anwohnerparkgebühr sind aber nur die betroffen, die ihr Auto in den entsprechenden Bereichen in den Stadtteilen Altstadt, Bergheim, Handschuhsheim, Neuenheim, Rohrbach und Weststadt im öffentlichen Raum abstellen – bisher eben 15.863 Menschen. Das ist knapp ein Drittel der etwa 42.400 Fahrzeuge, die laut UPI dauerhaft im öffentlichen Straßenraum parken: Neben 27.400 Pkw von Bewohnern seien das "vorsichtig geschätzt etwa 15.000 Pkw von Einpendlern, die nicht auf Firmenparkplätzen parken".
Was ist mit den anderen Stadtteilen? Dass nur ein Bruchteil der Kfz-Halter zur Kasse gebeten wird, soll kein Dauerzustand sein. Anfang 2022 wird die Kommunalpolitik deshalb darüber diskutieren, die Parkraumbewirtschaftung auszudehnen.
Was spricht gegen die Erhöhung? Weite Teile des Gemeinderates fürchten, dass die höheren Gebühren vor allem ärmere Haushalte treffen, die auf das Auto angewiesen sind. Denn Wohlhabende würden wegen 30 Euro im Monat ihr Verhalten nicht ändern. Im schlimmsten Fall setze so ein Verdrängungseffekt ein, während die Zahl der Fahrzeuge am Straßenrand kaum sinke.
Was wird der Gemeinderat beschließen? Das ist kaum vorhersehbar. Zwar wurde die Erhöhung im Grundsatz schon 2019 im Klimaschutzaktionsplan und im aktuellen Haushalt beschlossen. Jedoch lehnen CDU und einige kleinere Fraktionen die zusätzliche Belastung für Autofahrer klar ab. SPD und Linke wollen sie nur mittragen, wenn nicht nur die bedürftigsten Haushalte entlastet werden, sondern eine soziale Staffelung erfolge – wie im Haushalt beschlossen. Laut Stadt sind verschieden hohe Gebühren jedoch rechtlich strittig und nicht umsetzbar.
Zwar stehen die Grünen als größte Fraktion genauso hinter dem Vorstoß wie mehrere kleine – ob das für eine Mehrheit reicht, ist aber unklar. Denn auch OB Eckart Würzner ist mittlerweile zurückhaltend und forderte zuletzt in der RNZ "Augenmaß" bei der Erhöhung der Gebühren. Deshalb wird das Gremium die Erhöhung auf 360 Euro bis 2024 eher nicht beschließen. Eine Verschiebung oder nur moderate Steigerung – oder gar eine Ablehnung – ist wahrscheinlicher.