Die Pioniere unter den Heidelberger Kreativen
Die Breidenbach Studios kamen in die Weststadt, um zu gehen. Nun feiern sie dort ihren zehnten Geburtstag.

Von Philipp Neumayr
Heidelberg. Drei Jahre. Auf diese Dauer war die Zwischennutzung angelegt, als Michael Geiße, Paul Heesch, Pascal Baumgärtner und Shiva Hamid am 29. Oktober 2011 erstmals die Türen zu den Breidenbach Studios öffneten. Von den Gründern ist zwar allein Hamid übrig geblieben, doch den Veranstaltungs-, Ausstellungs- und Experimentierraum für die freie Szene in der Weststadt gibt es noch immer. An diesem Wochenende feiern die Breidenbach Studios zehnten Geburtstag.
Früher wurden in der Hebelstraße 18 Gasflaschen befüllt. Während der Weltwirtschaftskrise gab die Betreiberfamilie Breidenbach das Gelände auf, die Stadt übernahm. Sie gab den Jungunternehmern Geiße, Heesch, Baumgärtner und Hamid den Auftrag, das ehemalige Industriegebäude für drei Jahre zu betreiben. Im Herbst 2011 gingen die Breidenbach Studios an den Start. Sie sind der erste Ort in der Stadt, der über längere Zeit professionell zwischengenutzt wurde – ein Pionierprojekt für die immer wichtiger werdende Kultur- und Kreativwirtschaft in Heidelberg.
"Das war ein toller Aufbruchsgeist", erinnert sich Shiva Hamid. Als sie und ihre Mitstreiter das Gelände vor zehn Jahren erstmals betraten, war es in einem trostlosen Zustand. Es gab weder Strom noch eine Heizung oder intakte Wasserleitung, erzählt Hamid, der Garten war vollkommen zugewuchert. Unterstützt von Freunden und Helfern strichen, schraubten, entrümpelten sie die Räume, machten aus dem Garten eine kleine Wohlfühloase inmitten der Stadt. Die Mission der vier Gründer: einen Dreh- und Angelpunkt für junge, kreative Menschen in Heidelberg schaffen. Eine Plattform sein für Menschen, die professionell in kreativen Berufen arbeiten wollen, und für Menschen, die kreative Produkte konsumieren wollen.
Wir sind angetreten, weil es damals in der Stadt einen Mangel an Angeboten für Menschen zwischen 25 und 40 Jahren gab", sagt Hamid. "Junge Erwachsene hatten keinen richtigen Ort, um sich in ihrem kreativen Unternehmertum auszuprobieren. Für sie gab es keine Möglichkeit, sich zu vernetzen." Die Breidenbach Studios sollten ein Ort sein, wo all das möglich ist. Inspiriert von der Kunsthalle in der Halle 02, wo junge Künstler damals ihre zeitgenössischen Werke ausstellen konnten, wollten Hamid und ihr Team Musik und Kunst zusammenbringen – "Kunst in eine Partyatmosphäre einbinden", so nennt es Hamid.
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Die Breidenbach Studios wurden schnell zu einem Ort mit Alleinstellungsmerkmal. Vor allem Menschen aus der bildenden und darstellenden Kunst fanden hier ein Zuhause. Heute beherbergt das Gebäude zwölf Künstlerinnen und Künstler. Werkstätten und Proberäume gibt es hier ebenso wie einen Galerie- und einen Podcastraum. Regelmäßig finden Partys, Performances, Lesungen und Ausstellungen statt. Die Studios haben mit der "Art Breidenbach" eine eigene Kunstmesse ins Leben gerufen, waren Teil der "Langen Nacht der Museen", bespielten den Theaterplatz beim "Heidelberger Herbst" und den Neckarstaden beim städtischen Fest "Sommer am Fluss". Das Breidenbach-Team entwickelte zudem immer wieder kreative Feier-Formate wie die "Soslowdisko", wo die Gäste zu besonders langsamer elektronischer Musik tanzten, oder "Heimlich"-Partys, zu denen nur bestimmte Leute Zugang erhielten.
Aus der anfänglichen Unternehmergesellschaft (UG) ist inzwischen eine GmbH geworden. Die Marke Breidenbach erwirtschaftet heute den Großteil ihrer Einnahmen im Bereich Coworking, also kreative geteilte Büroplätze für Selbstständige und Unternehmen. Gemeinsam mit der Karlsruher Denkfabrik "GoodThinks" tritt man künftig unter dem Namen "GoodSpaces" auf. Neben den Breidenbach Studios betreibt die Firma schon jetzt sechs Coworking- und Veranstaltungsstandorte – vier in Heidelberg, jeweils einen in Mannheim und Speyer. 2022 sollen zwei weitere in Karlsruhe und Baden-Baden öffnen.
Nicht nur die Marke, auch das Team Breidenbach hat sich über die Jahre verändert. Michael Geiße, Paul Heesch und Pascal Baumgärtner haben andere Projekte verfolgt, sind den Studios unterschiedlich aber noch immer verbunden. Neu hinzugekommen sind junge Menschen wie Nora Straßer. Die 32-Jährige begann ihre Breidenbach-Karriere an der Kasse und hinter der Bar. Seit drei Jahren ist sie fester Teil der Firma und betreut den Coworking-Space im Bergheimer Dezernat 16. Zudem organisiert sie die Veranstaltungen in der Hebelstraße, wo sie gelegentlich noch immer auf überraschte Besucher trifft. "Bis heute kommen Leute vorbei, die Gasflaschen auffüllen lassen wollen. Die sind dann immer richtig enttäuscht, wenn es heißt: Hier gibt es leider nur noch Partys und Kunst", sagt Straßer.
Partys und Kunst – das gibt es in der Hebelstraße 18 aber nicht auf Dauer. Nachdem die Zwischennutzung des Geländes mehrere Male verlängert wurde – zunächst zweimal für zwei, später für jeweils ein Jahr – müssen die Breidenbach Studios den Ort zum Jahreswechsel 2022/23 räumen. Denn auch wenn viele Breidenbach-Liebhaber das längst vergessen haben – es ist noch immer nur eine Zwischennutzung.
Denkt sie an den Moment, in dem in der Hebelstraße endgültig die Lichter ausgehen, hat Hamid gemischte Gefühle. "Alles hat seine Zeit. Es ist gut, dass es jetzt einen klaren Endpunkt gibt. Und doch weiß ich, dass ich Rotz und Wasser heulen werde, wenn wir hier rausgehen." Auch Straßer sagt: "Es wird ein harter Abschied." Der Ort habe eine besondere Seele. "Das kannst du nicht einfach irgendwo neu aufbauen." Gleichzeitig will sie es positiv sehen. Es sei der Sinn einer Zwischennutzung, irgendwann wieder zu gehen. "Wo sich eine Tür schließt, öffnet sich immer eine andere."
Diese andere Tür wird sich in der Bahnstadt öffnen. Auf dem ehemaligen Betriebswerk-Areal sollen die Breidenbach Studios eine neue, dann dauerhafte Heimat finden. Geplant ist auch ein richtiger Club mit Vollkonzession. "Was Veranstaltungen anbelangt, werden wir dort noch mehr Möglichkeiten haben", sagt Straßer. "Ich glaube, dass das Betriebswerk ein wahnsinniger Magnet wird", so Hamid.
Die 38-Jährige wünscht sich, dass Heidelberg generell noch mehr Anziehungskraft auf junge Menschen ausübt. Bis heute würden viele mit der Stadt vor allem Universität und Hochkultur verbinden, aber da gebe es eben auch noch die Kreativwirtschaft – und die sei nicht vorrangig für Touristen, sondern für die Menschen da, die hier leben. Hamid hat eine Vision: "Dass man als Heidelberger nicht mehr in eine andere Stadt fahren muss, um tolle Dinge zu erleben, sondern dass es das auch hier vor Ort gibt."
Die Breidenbach Studios wollen weiter ihren Teil dazu beitragen. Die Pandemie hat das Team auch dafür genutzt, sich neu zu erfinden. "Ich setze darauf", sagt Hamid, "dass die Kreativität bei uns noch einmal neu angekurbelt wird – und wir noch einmal einen richtig guten Sommer hinlegen."
Info: Am Samstag, 30. Oktober, ab 22 Uhr steigt die Geburtstagsparty "10 Jahre BreidenLiebe".










