Heidelberg

Wie 4 Selbständige durch die Krise kommen

Was Corona für die Kultur- und Kreativwirtschaft bedeutet - "Versuchen, das Beste aus der Situation zu machen"

05.05.2020 UPDATE: 06.05.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 38 Sekunden
Rund 100 Unternehmen und Selbstständige aus verschiedenen Branchen sind normalerweise im Dezernat 16 in Bergheim tätig. In den letzten Wochen ging es dort aber ruhig zu. Foto: Rothe

Von Philipp Neumayr

Heidelberg. Gastronomen, Hoteliers, Clubbetreiber: Die Corona-Krise trifft viele Branchen hart – auch die Kultur- und Kreativwirtschaft. "Es war zuletzt schon ruhig bei uns", sagt Philipp Eisele, Manager des Dezernat 16. Normalerweise sind hier rund 100 Unternehmen und Selbstständige aus verschiedenen Branchen tätig. Wegen Corona wanderten die meisten von ihnen aber ins Homeoffice – und hatten plötzlich existenzielle Sorgen. "Viele haben schnell gemerkt, dass die Auftragslage schwindet", sagt Eisele. Einige seien sogar panisch gewesen, weil ihnen in kurzer Zeit die komplette Lebensgrundlage weggebrochen sei.

Dominik Paunetto. Fotos: Kjartan Einarsson (1) / zg (2) / Daniel Wetzel (1)

Wie es für die Mieter jetzt weitergeht, ist unklar. Eisele sagt: "Wir fahren alle auf Sicht." Umso wichtiger sei es jetzt, dass man gemeinsam mit den Mietern eine vorläufige Perspektive entwickle. Zumindest um die jeweilige räumliche Perspektive soll sich erst einmal keiner sorgen. "Wir lassen niemanden hängen", verspricht Wolfgang Schütte, der Geschäftsführer der Heidelberger Dienste, die das Dezernat 16 betreiben.

Ruhig wurde es nach dem Lockdown auch in den Heidelberger Coworking-Räumen, etwa im D 16 des Dezernat 16 und in der B_Fabrik. Shiva Hamid, Geschäftsführerin des Betreibers, der Breidenbach GmbH, sagt: "Wir haben das Coworking komplett runtergefahren." Mittlerweile kämen wieder mehr Mieter in die Räume – auch, weil ihnen zuhause die Decke auf den Kopf falle. "Viele versuchen jetzt, das Beste aus der Situation zu machen", sagt Hamid. Aber wie sieht das aus? Die RNZ hat nachgefragt bei vier Selbstständigen.

Sven Bader. Fotos: Kjartan Einarsson (1) / zg (2) / Daniel Wetzel (1)

> Der Fotograf: Dominik Paunetto ist eigentlich ein gefragter Mann. Der 40-Jährige ist Werbefotograf und teilt sich mit zwei anderen Kollegen ein Studio im Dezernat 16. Die meiste Zeit reist er um den Globus, fotografiert in Spanien, Frankreich und Los Angeles. Das Jahr sei super angelaufen, sagt Paunetto. Über Monate sei er quasi ausgebucht gewesen. Dann kam Corona und die meisten Aufträge wurden storniert. Durch die Soforthilfe des Landes kann Paunetto immerhin Mieten und Abos weiterbezahlen. Dennoch sagt er: "Es geht um die Existenz."

Mit seinen Produktfotos will Paunetto nun regionale und Nonprofit-Unternehmen unterstützen – und natürlich auch Eigenwerbung machen. "Ich versuche, die Aufmerksamkeit aufrechtzuerhalten, sodass es nach der Krise weitergehen kann."

Max Bachmeier. Fotos: Kjartan Einarsson (1) / zg (2) / Daniel Wetzel (1)

> Der App-Entwickler: Sven Bader ist App-Entwickler und sitzt seit 2018 im Großraumbüro der B_Fabrik. Mit einem Bekannten hat der 38-Jährige die App "Jeder" entwickelt – eine Anwendung, über die man online nach Produkten stöbern und sie anschließend offline kaufen kann. Durch Corona haben sich für Bader sogar neue Aufträge ergeben: Er hat eine E-Learning-Plattform für Tanzschulen in Zeiten des Kontaktverbots programmiert. "Ich bin sicher nicht am härtesten von der Krise betroffen", sagt Bader.

Trotzdem geht die Situation auch an ihm nicht spurlos vorbei: Seit Wochen arbeitet er in den eigenen vier Wänden. Nebenbei muss er gemeinsam mit seiner Frau zwei kleine Kinder betreuen. "Unter diesen Bedingungen schafft man einfach nicht so viel wie sonst."

Daniel Gallimore. Fotos: Kjartan Einarsson (1) / zg (2) / Daniel Wetzel (1)

> Der Illustrator: Max Bachmeier sitzt normalerweise im Coworking D 16. Der 38-Jährige entwirft Illustrationen für Verpackungen und Webseiten sowie Live-Visualisierungen und Dokumentationen für Konferenzen, Tagungen und Workshops. Diese Veranstaltungen wurden in den letzten Wochen alle abgesagt – und damit rund ein Drittel seiner Aufträge. Zudem sparten Firmen, für die er sonst zeichne, jetzt vermehrt, sagt Bachmeier. Existenzbedrohend sei die Situation zwar noch nicht – "aber ich merke schon, dass ich Umsatzeinbrüche habe".

Bachmeier findet, er habe Glück, ein vielfältiges Tätigkeitsfeld zu haben und nicht nur auf eine Nische eingestellt zu sein. Er sagt aber auch: "Wie es in einem halben Jahr aussieht, weiß ich nicht."

Hintergrund

> Das Dezernat 16 in den Gebäuden der ehemaligen Feuerwache und der Bereitschaftspolizei in der Emil-Maier-Straße bildet mit den Breidenbach Studios das Herz der Heidelberger Kultur-und Kreativwirtschaft. Auf 3000 Quadratmeter Fläche arbeiten hier rund 100 Start-ups,

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> Das Dezernat 16 in den Gebäuden der ehemaligen Feuerwache und der Bereitschaftspolizei in der Emil-Maier-Straße bildet mit den Breidenbach Studios das Herz der Heidelberger Kultur-und Kreativwirtschaft. Auf 3000 Quadratmeter Fläche arbeiten hier rund 100 Start-ups, Unternehmen, Selbstständige, Freiberuflerinnen und Freiberufler sowie Künstlerinnen und Künstler aus den Branchen Architektur, Literatur, Design, Mode, Kunst, Darstellende Kunst, Film, Rundfunk, Musik, Presse-, Werbemarkt und IT/Games-Industrie. Gegründet wurde das Zentrum 2013, Betreiber sind die Heidelberger Dienste.

> Ziel des Dezernat 16 ist die wirtschaftliche Förderung der Kultur- und Kreativwirtschaft: durch die Bereitstellung günstiger Räumlichkeiten, ein Angebot an Beratungsmöglichkeiten, Veranstaltungen sowie Möglichkeiten für Kooperation und Vernetzung.

> Coworking wird in Heidelberg an verschiedenen Orten angeboten. Die meisten Räume betreibt die Breidenbach GmbH – darunter das D 16 im Dezernat 16, die B_Fabrik in der Bergheimer Straße und den FensterPlatz in der Kurfürsten-Anlage. pne

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> Der Schlagzeuger: Daniel Gallimore ist Schlagzeuger und spielt in mehreren Bands. In seinem Proberaum im Dezernat 16 unterrichtet der 37-Jährige vor allem Kinder und Jugendliche. Die Band-Konzerte fallen nun weg und damit ein großer Teil seiner Einnahmen. Gallimore ist froh, dass er noch ein zweites Standbein hat. In nur einer Woche habe er einen digitalen Unterricht auf die Beine gestellt, erzählt er. Ein wirklicher Ersatz sei das jedoch nicht: "Es ist etwas anderes, als wenn man im gleichen Raum sitzt."

Die aktuelle Situation nutzt Gallimore, um sich für die Zeit nach Corona aufzustellen. "Für mich ist es ein Anreiz, dass ich meine Dienstleistung über das Internet jedem und überall anbieten kann." Und wegen Corona habe er nun immerhin einen geregelten Tagesablauf. "Ich habe jetzt auch mal so etwas wie Feierabend."

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
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