Entscheiden bald die Bürger?
Wolfsgärten-Gegner wollen Entscheidung anfechten - Unterstützung aus dem Gemeinderat - Land hat Fristen deutlich verlängert

Von Denis Schnur
Heidelberg. Noch scheint das letzte Wort in Sachen Ankunftszentrum nicht gesprochen: Denn eine Woche, nachdem eine knappe Mehrheit des Gemeinderates sich für eine Verlagerung der Landeseinrichtung auf das Gewann Wolfsgärten in Wieblingen ausgesprochen hat, formieren sich die Gegner dieser Entscheidung. Geht es nach ihnen, entscheiden wohl die Bürgerinnen und Bürger darüber, ob das Zentrum doch in Patrick-Henry-Village (PHV) bleibt.
"Noch haben wir keine Entscheidung getroffen", sagt Dorothee Hildebrandt vom "Bündnis Ankunftszentrum, Flüchtlinge, Flächenerhalt – PHV" (BAFF). "Die Tendenz geht aber dahin, dass wir ein Bürgerbegehren starten." Am Mittwochabend traf sich das Bündnis mit Stadträten, anderen Engagierten sowie dem Verein "Mehr Demokratie". Dabei sollten die rechtlichen Bedingungen geklärt werden. "Das ist nicht so einfach, da es uns um drei Dinge geht: Unterbringung der Flüchtlinge, Flächenerhalt und günstige Wohnungen." Diese beträfen zwei Gemeinderatsbeschlüsse: den zur Verlagerung des Ankunftszentrums und den Masterplan PHV. "Wir müssen schauen, ob es möglich ist, beides zusammenzufassen." Auch vonseiten der Stadtverwaltung heißt es, dass nicht klar sei, ob ein Bürgerbegehren zulässig sei.
Sollte das der Fall sein, müssten die Aktivisten rund 7700 Unterschriften sammeln – sieben Prozent der Heidelberger Wahlberechtigten. Da die Corona-Bestimmungen dies deutlich schwerer machen, hat das Land jedoch die Fristen ausgesetzt: Müssen die Unterschriften normalerweise drei Monate nach dem Gemeinderatsbeschluss vorliegen, haben die Sammler nun Zeit bis 31. März 2021 – also über neun Monate.
Unterstützung dürfte das Bündnis dabei aus dem Gemeinderat erhalten. "Das Sammeln der Unterschriften in Corona-Zeiten wird eine große Herausforderung. Daher würden wir sehr aktiv beim Bürgerbegehren mitwirken", erklärt "Linken"-Rätin Sahra Mirow. Und auch Waseem Butt (Heidelberg in Bewegung) betont: "Die Grünen-Wählerinnen und -Wähler sind jetzt dran, den Irrtum der Grünen-Fraktion zu korrigieren. Genau dafür sind Bürgerbegehren da." Um dieses zu organisieren, lade seine Initiative alle Engagierten zum Gespräch ein. Es findet am Dienstag, 30. Juni, um 19 Uhr im Urban Innovation Center, Kurfürstenanlage 58, statt.
Auch interessant
Zurückhaltender ist die Grün-Alternative Liste (GAL): "Wir sind durchaus skeptisch, ob ein Bürgerbegehren in Sachen Ankunftszentrum auf ausreichend Interesse, Information und Empathie in der Bevölkerung trifft", so Judith Marggraf (GAL). Entscheide sich die Initiative jedoch dafür, werde man das aktiv unterstützen. Die "Bunte Linke" legt Wert darauf, dass es bei einem Bürgerbegehren um das Ankunftszentrum und um Flächenverbrauch geht: "Wenn beide Punkte aufgegriffen werden können und eine breite Unterstützung aus der Zivilgesellschaft – vor allem in Kirchheim und Wieblingen – kommt, würden wir uns nach meiner Einschätzung an einem Bürgerbegehren beteiligen", sagt Stadtrat Arnulf Weiler-Lorentz. Auch Björn Leuzinger ("Die Partei") hält einen Bürgerentscheid für angebracht. Sich einbringen will er aber nicht, da er "faul" sei.
Die SPD als in diesem Fall größte Oppositionspartei betont dagegen, dass man grundsätzlich die Entscheidungen des Gemeinderates akzeptiere, aber großes Verständnis dafür habe, wenn sich Bürger für ein Begehren dagegen einsetzen. Als Fraktion werde man es jedoch nicht aktiv unterstützen, da man selbst "Adressat des Bürgerbegehrens" sei. Anders sieht es bei der Partei aus: "Der SPD-Kreisverband wird es sich jedoch überlegen, ob dieser ein Bürgerbegehren unterstützen wird."
Auf die Pläne für das Ankunftszentrum in den Wolfsgärten hätte die Initiierung des Bürgerentscheids zunächst keinen Einfluss. Er habe "keine aufschiebende Wirkung", wie die Stadt betont: "Die Planung würde auf Basis der bisherigen Beschlusslage bis zur Abstimmung eines Bürgerentscheids weiterlaufen."