GAL will die Stadt "zum Jagen tragen"
Wählervereinigung legt Arbeitspapier zur Wohnungspolitik vor - Neue Quartiere dichter bebauen - Kritik an Stadt und OB Würzner

Beim Neujahrsempfang der GAL im DAI diskutieren über die Wohnungssituation (v.l.): Judith Marggraf, Jörg Schmidt-Rohr, Hans-Martin Mumm, Fritz Vollrath und Christoph Nestor. Foto: Rothe
Von Sebastian Riemer
Heidelberg. Wohnungen in Heidelberg sind rar, die Preise für viele kaum bezahlbar. Und seit vier Jahren hat die Stadt es durch eine Bedarfsanalyse schwarz auf weiß: Heidelberg fehlen bis 2030 mindestens 6000 Wohnungen - trotz der Konversionsflächen. Was ist passiert, seitdem der Mangel bekannt ist? Laut Grün-Alternativer Liste (GAL) viel zu wenig. Das städtische "Handlungsprogramm Wohnen" von 2016 sei zwar ein "dickes Ding", sagte GAL-Fraktionsvorsitzende Judith Marggraf beim Neujahrsempfang am Samstag im Deutsch-Amerikanischen Institut (DAI), aber auch "sehr deskriptiv" - und gab dem Schriftstück das inoffizielle Motto: "Man könnte, man sollte, man müsste". Also startete die Wählervereinigung pünktlich zum neuen Jahr eine Initiative zur Wohnungspolitik - und legte ein eigenes Arbeitspapier vor. Marggraf formulierte zwei Ziele: "Wir wollen die Stadt ein bisschen zum Jagen tragen, aber auch die Zivilgesellschaft auffordern, mitzumachen." Aktive Wohnungspolitik geht laut den "Galliern" so:
Wie günstiges Wohnen gefördert wird: Von 20 auf 30 Prozent soll der Anteil geförderter Wohnungen im Baulandmanagement steigen. Zudem sei oberhalb des Sozialwohnungslevels der "beispielhafte Mix" des Mark-Twain-Village (MTV) in jedem neuen Quartier umzusetzen. Im Klartext: Mit den Bauträgern wird verhandelt, dass 70 Prozent der Miet- und Eigentumswohnungen bezahlbar sind, die Kaltmieten also zwischen 5,50 und 8 Euro pro Quadratmeter liegen. Dazu brauche es einen klaren Gemeinderatsbeschluss. Einer der Autoren des Papiers, Mieterverein-Anwalt Fritz Vollrath, ging im DAI noch weiter: "Da die Bahnstadt für das günstige Segment komplett verloren ist, brauchen wir ab sofort ein noch höheres Kontingent an günstigen Wohnungen als in Mark Twain."
Wo Wohnungen entstehen können: "Wir stecken in einem heftigen Dilemma zwischen Grünflächen- und Artenschutz auf der einen sowie Wohnungsbau auf der anderen Seite", sagte GAL-Stadtrat Hans-Martin Mumm. Deshalb müssen aus Sicht der GAL neue Gebiete mit Geschosswohnungen entstehen und dichter bebaut werden. Ökologische Kriterien hätten bei der Ausweisung neuer Baugebiete zwar Vorrang - aber in dem Papier heißt es auch: "Erweiterungen auf grünen Wiesen sind nachrangig, aber unvermeidlich."
Wer die Bauflächen kauft: Entscheidend ist laut GAL die Bodenfrage. Man müsse alle rechtlichen Möglichkeiten nutzen, um Spekulation und reiner Renditejagd entgegenzuwirken. "Dazu muss die Kommune die Flächen besitzen", so Mumm. Die Bahnstadt zeige, was passiere, wenn die Stadt nicht den Finger drauf habe - MTV sei das positive Gegenbeispiel. Deshalb müsse der Grunderwerbsfond im Haushalt in den nächsten Jahren erhöht werden.
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Wer die Wohnungen baut: Lokale Akteure seien der Schlüssel zum Erfolg: Neben der entscheidenden Rolle der städtischen Wohnungsbaugesellschaft GGH müssten auch Genossenschaften und Baugruppen stärker berücksichtigt und gefördert werden. Doch man will auch mit privaten, lokalen Investoren zusammenarbeiten. "Klar haben die ein Renditeinteresse", sagte GAL-Mitglied Jörg Schmidt-Rohr, der das Arbeitspapier mitentwickelt hat. Aber lokale Investoren könne man gut auf gemeinsame Ziele verpflichten und so langfristige soziale Bindungen ermöglichen. "Die sind nicht alle böse, wir brauchen die auch."
Welche Rolle die Region spielt: "Wenn Heidelberg wächst, muss auch das Umland dieses Wachstum aufnehmen." Das hatte Oberbürgermeister Eckart Würzner im RNZ-Gespräch letzte Woche gesagt. Der Mietervereinschef und "Gallier" Christoph Nestor ist fassungslos: "Was für ein unsinniger Satz!" Heidelberg könne nicht das Wachstum produzieren und das Umland nehme es auf. "Die wachsen doch selber." Nestor und die GAL wollen dagegen eine gemeinsame Aktion: "Wir müssen das Umland einladen zu einem Paradigmenwechsel - von rendite- zu gemeinwohlorientiert." Besonders für Patrick Henry Village (PHV) im Herzen der Region sei ein gemeinsames Vorgehen zentral. Dabei malte Nestor ein schwarzes Szenario für die Fläche: "Ich will nicht wissen, wie viele Investoren schon wegen PHV im Rathaus waren und sagten: ,Ich kauf’ das ganze Ding.’" Es sei ja bekannt, dass Heidelberg im Fokus chinesischer Milliardäre stehe. Im Übrigen: Dass Würzner bei der Wohnungspolitik "allen Ernstes glaubt, wir regeln alles mit der Konversion" - auch das sei absurd.